OGH 13Os25/07m

OGH13Os25/07m2.5.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Mai 2007 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Dr. Schwab, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Mag. Lendl, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Frizberg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ronald B***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 2, Abs 4 und Abs 5 FPG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Petro K***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 28. November 2006, GZ 12 Hv 234/06z-199, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in Ansehung der Angeklagten Petro K*****, Ronald B*****, Christian D***** und Nikolay K***** im Schuldspruch B, in den diese Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und in der die Angeklagten K***** und K***** betreffenden Entscheidung „nach § 20 Abs 1 Z 2 und Abs 2 und 3 StGB" aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Eisenstadt verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte K***** auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten K***** fallen auch die auf die Erledigung seiner Nichtigkeitsbeschwerde entfallenden Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Schuldsprüche anderer Angeklagter enthaltenden Urteil wurde Petro K***** der Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 2, Abs 4 erster Fall und Abs 5 erster Fall FPG (A) und des Verbrechens der kriminellen Organisation nach § 278a StGB (B) schuldig erkannt.

Danach hat er - soweit für die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung - gemeinsam mit den Mitangeklagten Ronald B*****, Christian D***** und Nikolay K***** sowie im Zusammenwirken mit weiteren abgesondert verfolgten Mittätern sich durch die zu den Urteilsfakten A IV., V., VII., IX. und XI. geschilderten Tathandlungen an einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen, und zwar einer in Österreich und Ungarn tätigen Schlepperorganisation, die mehr als zehn Personen umfasste, als Mitglied beteiligt, die, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung von schwerwiegenden strafbaren Handlungen im Bereich der Schlepperei ausgerichtet war, dadurch eine Bereicherung im großen Umfang anstrebte und sich auf besondere Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen suchte. Zu diesem letzten Punkt stellten die Tatrichter fest, dass die betreffende Organisation sich dadurch gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen suchte, dass „die Telefonnummern und Schlepperfahrer häufig gewechselt wurden und teilweise verschlüsselte Sprache verwendet wurde" (US 15).

Rechtliche Beurteilung

Ausschließlich gegen den Schuldspruch zu B richtet sich die auf Z 9 lit b (richtig: 9 lit a) des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Petro K*****, der Berechtigung zukommt. Eine auf längere Zeit angelegte unternehmensähnliche Verbindung einer größeren Zahl von Personen wird erst dann zu einer kriminellen Organisation im Sinn des § 278a StGB, wenn sie auf Verwirklichung der in den Z 1 bis 3 angeführten Ziele ausgerichtet ist, die kumulativ zumindest in einer der in diesen Ziffern jeweils alternativ geforderten Varianten gegeben sein müssen (Plöchl in WK2 § 278a [2006] Rz 8). Nach Z 3 des § 278a StGB muss es Ziel der Organisation sein, andere zu korrumpieren oder einzuschüchtern oder sich auf besondere Weise gegen Maßnahmen der Strafverfolgung abzuschirmen. Bei diesen Abschirmungsmaßnahmen muss es sich um solche qualifizierter Natur („in besonderer Weise") handeln, die über die sonst bei der Verwirklichung derartiger verbrecherischer Vorhaben ohnedies üblichen Vorsichtsmaßnahmen hinausgehen und die besondere Gefährlichkeit der Organisation zum Ausdruck bringen (Fabrizy StGB9 § 278a Rz 8; Triffterer, SbgK § 278a [aF] Rz 53).

Dazu gehören Strategien der Abschottung nach außen, etwa durch scheinbare Teilnahme am normalen Wirtschaftsleben (zB durch Errichtung von Scheinfirmen, Entfaltung von Geldwäscheaktivitäten) oder die Verwendung von Verschlüsselungstechniken bei der internen Kommunikation ebenso wie das Geheimhalten von Aufbau und personeller Zusammensetzung der Organisation auch nach innen (zB durch Einschränkung des Informationsflusses und entsprechende hierarchische Strukturierung der Kommandoebenen der Organisation) und proaktive Formen der Gegenobservation (zB durch Infiltration bzw Überwachung der Kommunikation von Polizei- und Justizbehören).

In der Entscheidung 11 Os 58/02 (SSt 64/69) hat der Oberste Gerichtshof die vom Erstgericht festgestellten Komponenten, nämlich die Gründung und Führung eines Scheinunternehmens zum Zweck der Tarnung, den häufigen Wechsel der von den Mitgliedern benützten mit Wertkarten betriebenen Mobiltelefone, das Verwenden von Codewörtern bei den Telefonaten und die Gegenobservation als Grundlage für die Annahme des tatbildlichen Versuches, sich auf besondere Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen, nicht beanstandet. Die vorliegend von den Tatrichtern getroffenen Feststellungen reichen aber zur Beurteilung, ob die Organisation - zusätzlich zu den bei der Verwirklichung des verbrecherischen Vorhabens ohnedies üblichen Vorsichtsmaßnahmen - Abschirmungsmaßnahmen qualifizierter Natur getroffen hat, nicht hin.

Ob nämlich über die bei länderübergreifenden Schleppungen bereits aus organisatorischen Gründen erforderliche komplexe Unternehmensstruktur hinaus zur Abschirmung vor Strafverfolgung besondere Maßnahmen ergriffen wurden - wie zB bei Schlepperorganisationen oftmals üblich durch Gründung von Reisebüros, Vermittlungsbüros oä zu Tarnzwecken - haben die Tatrichter nicht festgestellt. Auch fehlen Konstatierungen, ob der Wechsel der Fahrer verbrechenstaktische Gründe hatte oder lediglich beim Grenzübertritt stattfand und die Geschleppten - wie es bei Schleppertätigkeiten über mehrere Staatsgrenzen häufig vorkommt - sodann von den jeweiligen nationalen Gruppierungen mit im Regelfall denselben Fahrern übernommen und weiterbefördert wurden. Eine die Ermittlungen (etwa durch Verwendung von Codewörtern) hindernde Ausdrucksweise der Angeklagten bei den Telefonaten wurde vom Erstgericht mit der (einer näheren Erklärung bedürftigen) Konstatierung, es sei eine „teilweise verschlüsselte Sprache verwendet" worden, ebenfalls nicht ausreichend festgestellt. Dieser Mangel an Feststellungen zwingt zur Aufhebung des Schuldspruchs B und des Strafausspruchs (einschließlich der Vorhaftanrechnung) schon bei nichtöffentlicher Beratung samt Rückverweisung an das Erstgericht (§§ 285e erster Satz, 288 Abs 2 Z 3 zweiter SatzStPO).

Da sich die unrichtige Anwendung des Gesetzes auch zum Nachteil der Mitangeklagten Ronald B*****, Christian D***** und Nikolay K***** auswirkt, war auch in Betreff dieser Angeklagten im aufgezeigten Sinn vorzugehen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Da hinsichtlich der Entscheidung nach „§ 20 Abs 1 Z 2 und Abs 2 und 3 StGB" klare Feststellungen, welche die Subsumtion unter einen dieser Fälle ermöglichen würden, fehlen (US 27), war auch dieser Teil des Sanktionsausspruchs amtswegig zu beheben (§§ 290 Abs 1 zweiter Satz, 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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