OGH 11Os27/07s

OGH11Os27/07s24.4.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. April 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Frizberg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Karl K***** wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB, AZ 15 Hv 38/06z des Landesgerichtes St. Pölten, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 7. Juli 2006, GZ 15 Hv 38/06z-7, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Aicher und des Vertreters der Privatbeteiligten P***** GesmbH Mag. Paar, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 7. Juli 2006, GZ 15 Hv 38/06z-7, verletzt, soweit damit der Beschuldigte Karl K***** zur Zahlung eines Schadenersatzbetrages von 39.026,76 Euro samt 4 % Zinsen ab 1. Jänner 2006 an die Privatbeteiligte P***** GesmbH verurteilt wurde, das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 366 Abs 2 und 369 Abs 1 StPO in Verbindung mit § 6 Abs 1 KO.

Der Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche wird zur Gänze aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Die Privatbeteiligte P***** GesmbH wird mit ihren Ersatzansprüchen gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Demzufolge wird der Kostenbestimmungsbeschluss vom 20. September 2006 (ON 13) ersatzlos aufgehoben.

Text

Gründe:

Mit dem unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen, in gekürzter Form (§§ 488 Z 7 iVm 458 Abs 3 StPO) ausgefertigten Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes St. Pölten vom 7. Juli 2006, GZ 15 Hv 38/06z-7, wurde Karl K***** aufgrund wiederholter Zueignung anvertrauter Gelder in Gesamthöhe von 39.909,76 Euro zwischen 1. Oktober 2004 und 31. Dezember 2005 des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt sowie gemäß § 369 StPO zur Zahlung eines Schadenersatzbetrages von 39.026,76 Euro samt 4 % Zinsen ab 1. Jänner 2006 an die Privatbeteiligte P***** GesmbH verurteilt. Die Privatbeteiligte hatte in ihrer das Strafverfahren einleitenden Sachverhaltsmitteilung vom 7. Februar 2006 (ON 3) bekannt gegeben, dass am „1." (richtig: 16.) Dezember 2005 zum AZ 14 S 236/05d des Landesgerichtes St. Pölten das Konkursverfahren über das Vermögen des Karl K***** eröffnet worden war (S 79). Bereits am 26. Jänner 2006 hatte sie in diesem Konkursverfahren ihre aus einem Zeitraum bis 6. Dezember 2005 (Rechnung PR 8061-8) stammende Forderung in Höhe von 38.144,66 Euro sA (insgesamt 38.668,58 Euro) angemeldet (ON 16 der Beiakten „Forderungsanmeldungen" sowie S 157 der Akten AZ 14 S 236/05d des Landesgerichtes St. Pölten).

Im Strafverfahren verlangte die Privatbeteiligte basierend auf dem gegenüber der Forderungsanmeldung im Konkursverfahren erweiterten Abrechnungszeitraum bis 1. Jänner 2006 (Rechnungen PR 8061-13 und 8061-9 - s S 79) den Zuspruch eines Betrages von 39.909,76 Euro (S 81), welchem Begehren abzüglich eines vom Beschuldigten vor der Hauptverhandlung „ersetzten" Betrages in Höhe von 883 Euro (s S 109;

115) im erwähnten Urteil - ohne Unterscheidung der Zeiten des Entstehens der Forderungen vor oder nach Konkurseröffnung - zur Gänze entsprochen wurde.

Der an den Verurteilten adressierte Kostenbestimmungsantrag des Privatbeteiligtenvertreters (ON 10) wurde (aufgrund der mit einem Konkurs verbundenen Postsperre) dem Masseverwalter zugestellt (S 101). Dieser teilte mit Äußerung vom 18. August 2006 (ON 11) dem Strafgericht mit, dass von der Privatbeteiligten im gegenständlichen Konkursverfahren ein Betrag in Höhe von 38.668,58 Euro angemeldet und dieser Betrag im Rahmen der Prüfungstagsatzung vom 14. Februar 2006 zur Gänze anerkannt worden war, sodass diese „über einen rechtskräftigen und vollstreckbaren Titel" verfüge (vgl dazu in den Akten AZ 14 S 236/05d des Landesgerichtes St. Pölten ON 6, S 157). Mit der Begründung, die Privatbeteiligte habe im Strafverfahren einen über den im Konkursverfahren erlangten Exekutionstitel hinausgehenden Zuspruch erlangt, bestimmte der Einzelrichter mit Beschluss vom 20. September 2006 (ON 13) die vom Verurteilten zu ersetzenden Kosten der Privatbeteiligten antragsgemäß. Dagegen erhob der Masseverwalter eine - als Rekurs bezeichnete - Beschwerde (ON 14) an das Oberlandesgericht Wien, über welche noch nicht entschieden worden ist.

Rechtliche Beurteilung

Das Adhäsionserkenntnis durch den Einzelrichter steht - wie der Generalprokurator in seiner deshalb erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde gemäß §§ 33 Abs 2, 292 StPO im Ergebnis zutreffend geltend macht - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Bei der Beurteilung des Einflusses der Konkurseröffnung über das Vermögen des Schädigers auf die Möglichkeit der Privatbeteiligung muss auf die konkursrechtliche Qualifikation der betroffenen Forderungen Bedacht genommen werden.

Konkursforderungen sind - von hier nicht näher interessierenden Ausnahmen abgesehen - Forderungen von Gläubigern („Konkursgläubigern") gegen den Gemeinschuldner, die vor der Konkurseröffnung entstanden sind (§ 51 Abs 1 KO). Danach entstandene Neuforderungen an den Gemeinschuldner sind von den Konkurswirkungen nicht betroffen; ihnen haftet nur das konkursfreie Vermögen. Soweit das Konkursvermögen nicht zur Befriedigung der Masseforderungen und der Ansprüche der Absonderungsberechtigten verwendet wird, bildet es die gemeinschaftliche Konkursmasse, aus der die Konkursforderungen anteilig - nach dem Verhältnis ihrer Beträge - zu befriedigen sind (§ 50 KO).

Daneben gibt es Ansprüche, die nach der KO nicht im Konkurs geltend gemacht werden können bzw die nicht gegen die Konkursmasse gehen („Gemeinschuldnerprozess") und die daher von den Konkurswirkungen nicht betroffen sind, etwa wenn das Klagebegehren aus einer vom Gemeinschuldner erst während des Konkurses eingegangenen Verpflichtung abgeleitet wird. Insofern liegt weder eine Masse- noch eine Konkursforderung vor; vielmehr sind solche Forderungen gegen den Gemeinschuldner selbst geltend zu machen, dessen Haftung jedoch während des Konkurses auf sein konkursfreies Vermögen beschränkt bleibt. Nichts anderes gilt - sofern nicht ausnahmsweise ein die Masse berührender Anspruch auf Aussonderung oder wegen Massebereicherung besteht - für Ersatzansprüche aus strafbarem Verhalten des Gemeinschuldners im Laufe des Konkursverfahrens (vgl zu alldem Spenling, WK-StPO Vor §§ 365-379 Rz 43).

Während eines anhängigen Konkursverfahrens ist dem Konkursgläubiger der direkte Weg der Rechtsverfolgung verschlossen (§ 6 Abs 1 KO): Er ist auf das Anmeldungs- und Prüfungsverfahren im Konkurs verwiesen (§§ 102 - 113 KO). Im Strafverfahren ist ihm zwar ein Teilnahme- bzw Beteiligungsanspruch zuzuerkennen (Spenling, WK-StPO Vor §§ 365-379 Rz 40; SSt 55/77), der Privatbeteiligte muss jedoch - sofern (wie im vorliegenden Fall) im Zeitpunkt der Urteilsfällung im Strafverfahren der Konkurs nicht bereits (rechtskräftig) wieder aufgehoben ist - mit seinen Ansprüchen, selbst dann, wenn sie der Beschuldigte anerkennt (Spenling, WK-StPO § 365 Rz 20 mwN), auf den Zivilrechtsweg verwiesen werden. Die Führung eines Prüfungsprozesses nach der KO setzt eine bestrittene Forderung voraus (§ 110 Abs 1 KO), muss zwingend vor dem Konkursgericht stattfinden (§ 111 Abs 1 KO, vgl Konecny in Konecny/Schubert KO § 111 Rz 2) und stellte überdies keine einfache zusätzliche Erhebung iSv § 366 Abs 2 zweiter Satz StPO dar (Spenling, WK-StPO Vor §§ 365-379 Rz 44; § 366 Rz 2).

Der Meinung der Privatbeteiligten, es könne auch während anhängigen Konkurses bei (vom Gemeinschuldner nicht ausdrücklich bestrittenen) festgestellten Konkursforderungen ein auf Leistung lautendes Adhäsionserkenntnis erwirkt werden, ist entgegenzuhalten, dass die Bindungswirkung des § 60 Abs 2 Satz 1 KO erst mit der Rechtskraft des Konkursaufhebungsbeschlusses eintritt; Satz 2 leg cit gilt somit auch nur für die Zeit nach einem Konkurs (so SSt 55/77; Spenling, WK-StPO

Vor §§ 365-379 Rz 51; Jelinek/Nunner-Krautgasser in Konecny/Schubert, KO §§ 60, 61 Rz 43, 45-48; mehrdeutig Schubert in Konecny/Schubert, KO § 6 Rz 42). Die Bevorzugung eines Privatbeteiligten gegenüber sonstigen Gläubigern eines Gemeinschuldners widerspräche den Grundgedanken des Konkursverfahrens (so im Ergebnis auch Schubert aaO). Die Notwendigkeit einer Zwangsvollstreckung im Ausland (§ 60 Abs 2 Satz 2 zweiter Fall KO) wurde - den hypothetischen Erwägungen im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof entgegen - im Strafverfahren nicht einmal ansatzweise angesprochen. Der oben erwähnte „Gemeinschuldnerprozess" wäre hingegen grundsätzlich (auch) als Adhäsion zu einem Strafverfahren möglich. Der dabei zu erwirkende Titel richtet sich in diesem Fall gegen den Gemeinschuldner, der allerdings während des Konkursverfahrens nur mit dem konkursfreien Vermögen haftet. Dies gilt auch für den Anspruch auf Kostenersatz. Die Beschränkung der Vollstreckbarkeit des Urteils in das konkursfreie Vermögen braucht im Urteilsspruch nicht zum Ausdruck gebracht werden, weil auch ohne einen solchen Hinweis während des Konkursverfahrens die Exekution auf Massegegenstände unzulässig ist. Die Beschränkung der Haftung ist daher keine im Titelverfahren zu lösende Rechtsfrage, sondern gehört ins Exekutionsverfahren (Spenling, WK-StPO Vor §§ 365-379 Rz 48). Soweit das mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpfte Privatbeteiligtenerkenntnis Konkursforderungen (resultierend aus Veruntreuungen bis zum Tag vor der Konkurseröffnung am 16. Dezember 2005) betrifft, verletzt es wie dargelegt das Gesetz, aber im Ergebnis auch, soweit es Ersatz für strafbares Verhalten des Gemeinschuldners während des Konkursverfahrens (16. bis 31. Dezember 2005) - in allerdings nicht bezifferter Höhe - enthält. Mangels aktueller Trennbarkeit der Ansprüche aus Tathandlungen ab dem 16. Dezember 2005 (wofür an sich Ersatz im Strafverfahren möglich gewesen wäre) zufolge der auf Basis des (deshalb formell insgesamt verfehlten) erstgerichtlichen Ausspruches faktisch nicht bestehenden Möglichkeit der Zuordnung zu den verschiedenen Forderungsarten - weil die Privatbeteiligte im Strafverfahren ohne Rücksicht auf die dazwischen liegende Konkurseröffnung ua Ersatz für Delinquenz zwischen 7. Dezember 2005 und 1. Jänner 2006 verlangte und erhielt (vgl oben) - sah sich der Oberste Gerichtshof gemäß § 292 letzter Satz StPO veranlasst, den gesamten Privatbeteiligtenzuspruch (der den Verurteilten benachteiligt, weil er mehr zahlen müsste, als er aufgrund des Konkursverfahrens verpflichtet wäre) aufzuheben und mit Verweisung auf den Zivilrechtsweg vorzugehen, wodurch (§ 393 Abs 5 StPO) auch der Kostenbeschluss vom 20. September 2006 (ON 14) zu kassieren war (§ 292 letzter Satz StPO).

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