Spruch:
Dem Rekurs der klagenden Partei wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Berufungsgericht aufgetragen, das gesetzliche Verfahren über die Berufung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund einzuleiten. Die Kosten des Rekurses sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.
Die Rekursbeantwortung der beklagten Partei wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Mit dem bekämpften Beschluss wies das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisliche Urteil des Erstgerichtes vom 24. 4. 2006 mit der Begründung als verspätet zurück, das Urteil sei dem Klagevertreter am 16. 5. 2006 zugestellt, die Berufung aber erst am 14. 6. 2006 und damit einen Tag nach dem Ende der vierwöchigen Berufungsfrist bei Gericht (persönlich) überreicht worden. Der dagegen erhobene und auf die Rechtsmittelgründe der Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit und unrichtigen rechtlichen Beurteilung (ohne inhaltliche Trennung derselben) gestützte Rekurs der Klägerin ist jedenfalls - ohne Rücksicht auf den Wert des Entscheidungsgegenstandes und das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage - zulässig (7 Ob 153/01b mwN) und auch berechtigt:
Rechtliche Beurteilung
Wie die Klägerin durch Vorlage des betreffenden Postaufgabescheins im Original dartun konnte, gab sie ihre Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil tatsächlich bereits am 13. 6. 2006, somit innerhalb der Berufungsfrist von vier Wochen zur Post. Der über den Eingangsvermerk des Erstgerichtes am Berufungsschriftsatz ON 9 gesetzte Stempel der Einlaufstelle „Überreicht" steht damit im Widerspruch und wurde - offenbar - auch nur versehentlich gesetzt, andernfalls der handschriftliche Vermerk auf der Unterseite des Rubrums dieses Schriftsatzes „rechtz" (= rechtzeitig) unverständlich wäre.
Damit erweist sich die bekämpfte Berufungsentscheidung als unrichtig. Sie ist demnach aufzuheben. Dem Berufungsgericht ist die Sachentscheidung über das sohin rechtzeitige Rechtsmittel der Klägerin aufzutragen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Die Zurückweisung der Rekursbeanwortung beruht darauf, dass der Rekurs gegen einen Beschluss des Berufungsgerichtes, mit welchem es eine Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat, nach herrschender Ansicht bloß einseitig ist (RIS-Justiz RS0043760; RS0098745; Fasching, Lehrbuch2 Rz 1980; E. Kodek in Rechberger, ZPO3 Rz 7 zu § 519; G. Kodek, Zur Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens, ÖJZ 2004, 534 [540]; zuletzt 1 Ob 274/06k; aA Zechner in Fasching/Konecny, ZPO2 Rz 75 f zu § 519 und Rz 14 zu § 521a).
Hinzuweisen ist abschließend, dass die beklagte Partei von der ihr durch den Obersten Gerichtshof gemäß § 509 Abs 3 ZPO (iVm Art 6 MRK) eingeräumten Möglichkeit eines Äußerungsschriftsatzes zu den Erhebungsergebnissen betreffend die Rechtzeitigkeit der klägerischen Berufung nicht Gebrauch gemacht hat.
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