OGH 15Os132/06k

OGH15Os132/06k29.3.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. März 2007 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. T. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Brandstetter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Philipp M***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Matthias S***** und Johann L***** sowie die Berufung des Angeklagten Philipp M***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 4. Oktober 2006, GZ 30 Hv 21/06d-26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Matthias S***** wird zurückgewiesen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann L***** (§ 290 Abs 1 StPO) wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Angeklagten Johann L***** (IV. 1. und 2.), demnach auch in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Ried im Innkreis verwiesen.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung wird der Angeklagte Johann L***** auf diese kassatorische Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten Philipp M***** und Matthias S***** werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten Matthias S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Philipp M*****, Ulrich W***** und Matthias S***** jeweils der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster, zweiter und sechster Fall SMG und (W***** teilweise als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB) der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG, M***** und S***** jeweils unter Anwendung der Qualifikationen nach § 28 Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG, sowie Johann L***** der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster, zweiter und vierter Fall SMG und der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG schuldig erkannt. Danach haben - soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Bedeutung - (zu ergänzen: den bestehenden Vorschriften zuwider)

III. Matthias S***** in Braunau am Inn, Salzburg und andernorts,

1. von Anfang Dezember 2004 bis 19. März 2006 ein Suchtgift, nämlich Cannabisprodukte erworben, besessen und anderen überlassen;

2. von Dezember 2004 bis zumindest April 2005 in wiederholten Angriffen ein Suchtgift, dessen Menge zumindest das 25-fache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) erreichte, nämlich ca 7.000 Gramm Cannabiskraut mit einem Wirkstoffgehalt von zumindest 770 Gramm Delta-9-THC durch gewinnbringenden Verkauf an andere Suchtgiftabnehmer gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt;

IV. Johann L***** in Braunau am Inn und andernorts zwischen Anfang Dezember 2004 und Ende Juni 2005

1. in wiederholten Angriffen ein Suchtgift, nämlich Cannabisprodukte erworben, besessen sowie von Deutschland aus- und nach Österreich eingeführt;

2. ein Suchtgift, nämlich ca 2.000 Gramm Cannabiskraut mit einem Wirkstoffgehalt von 220 Gramm Delta-9-THC „größtenteils" in Verkehr gesetzt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Schuldsprüche richten sich die jeweils auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Matthias S***** und Johann L*****.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Matthias S*****:

Die in der Mängelrüge gegen die Qualifikation des § 28 Abs 3 erster Fall SMG erhobenen Einwände legen einerseits nicht dar, warum die auf Grund der großen Menge des vom Angeklagten S***** erworbenen Cannabiskrautes (insgesamt 7 kg; siehe US 8) getroffenen Feststellungen des Schöffensenates undeutlich (Z 5 erster Fall), unzureichend begründet oder mit den Regeln logischen Denkens unvereinbar (iS einer behaupteten Scheinbegründung; Z 5 vierter Fall) sein sollten, und behalten andererseits nicht die Gesamtheit der erstrichterlichen Entscheidungsgründe im Auge (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394). Die auf Erzielung einer fortlaufenden Einnahme durch wiederkehrenden Verkauf auch großer Suchtgiftmengen gerichtete Absicht wurde von den Tatrichtern nämlich nicht nur mit der erworbenen Menge, sondern auch mit dem Einkaufspreis von 7 Euro für je 1 Gramm, dem eigenen Suchtgiftkonsum des Rechtsmittelwerbers und seinem sich daraus ergebenden Finanzierungsbedarf begründet (US 13). Mit der Behauptung, der Angeklagte habe tatsächlich eine geringere Suchtgiftmenge zu verantworten, und daraus gezogenen eigenen Schlussfolgerungen bekämpft die Beschwerde bloß die den Tatrichtern obliegende Beweiswürdigung, ohne einen Begründungsmangel im Sinne des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes aufzuzeigen.

Das von den ursprünglichen Angaben vor der Polizei abweichende Aussageverhalten des Mitangeklagten Ulrich W***** in der Hauptverhandlung blieb vom Schöffensenat keineswegs unberücksichtigt (Z 5 zweiter Fall), sondern wurde mit mängelfreier Begründung als unglaubwürdig verworfen (US 11 f). Die Frage, woher W***** seine Angaben über die vom Beschwerdeführer angekaufte Suchtgiftmenge ableitet, richtet sich in unzulässiger Weise (WK-StPO § 281 Rz 431) allein gegen die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Mitangeklagten. Die zur Last gelegte Suchtgiftmenge konnten die Tatrichter mängelfrei aus der ursprünglich (teil-)geständigen Verantwortung des Angeklagten und den Angaben des Ulrich W***** in der polizeilichen Niederschrift vom 11. März 2006 ableiten (US 12 f), sodass von einer offenbar unzureichenden Begründung (Z 5 vierter Fall) keine Rede sein kann. Die Erstrichter waren - dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe folgend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) - auch nicht verpflichtet, sich mit sämtlichen voneinander abweichenden Mengenangaben der vier Angeklagten jeweils detailliert auseinanderzusetzen und deren Depositionen in Richtung aller denkbarer Schlussfolgerungen zu hinterfragen (RIS-Justiz RS0098778). Indem der Beschwerdeführer aus seiner als unglaubwürdig erachteten Verantwortung (US 12 f) und damit korrespondierenden Mengenangaben des Angeklagten M***** eigene beweiskritische Erwägungen anstellt, richtet er sich abermals bloß gegen die - mängelfreie - Beweiswürdigung der Tatrichter.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit dem Hinweis auf eine nach Meinung des Rechtsmittelwerbers unvertretbare Würdigung der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise, die sich lediglich auf die Angaben des Angeklagten W***** vor der Polizei stützt, keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen.

Soweit im Rechtsmittel eventualiter die Aufhebung des gesamten Urteils begehrt wird, mangelt es zu den Schuldsprüchen wegen der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster, zweiter und sechster Fall SMG (III. 1.) sowie wegen des Grundtatbestandes des Verbrechens des § 28 Abs 2 vierter Fall SMG (III. 2.) an einer deutlichen und bestimmten Bezeichnung von Nichtigkeitsgründen (§ 285a Z 2 StPO). Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Matthias S***** war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Zur amtswegigen Maßnahme zu Gunsten des Angeklagten Johann L*****:

Den für den Schuldspruch zu IV. 2. wesentlichen Urteilsannahmen zufolge (US 8) setzte Johann L***** zwischen Anfang Dezember 2004 und Ende Juni 2005 „den Großteil" der von ihm zuvor erworbenen ca 2.000 Gramm Cannabiskraut mit einem THC-Gehalt von 220 Gramm („sohin mehrmals große Mengen") „wiederholt" in Verkehr, indem er das Suchtgift an unbekannte Abnehmer insbesondere im Raum Salzburg verkaufte.

Während der Schöffensenat bei den übrigen Angeklagten sogar deren Absicht konstatierte, „mindestens eine große Menge an Suchtgift" (W*****; US 7) bzw „große Mengen Suchtgift" (M***** und S*****; US 7

f) in Verkehr zu setzen, fehlen beim Angeklagten L***** jegliche Feststellungen zur subjektiven Tatseite, insbesondere zum - den Schuldspruch wegen der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG tragenden - Vorsatz auf Inverkehrsetzung großer Suchtgiftmengen (§ 28 Abs 6 SMG). Aus dem Urteil ist gleichfalls nicht ersichtlich, ob sich die einzelnen Tathandlungen auf bereits jeweils große Mengen oder auf Teilmengen bezogen hatten, die für sich allein betrachtet die Grenzmenge des § 28 Abs 6 SMG noch nicht erreichten. Im letzten Fall hätte es zur Zusammenrechnung der Einzelmengen der verschiedenen Tathandlungen - im Sinne einer fortlaufenden Tatbestandsverwirklichung - jedenfalls auch der Konstatierung bedurft, dass der Angeklagte von vornherein die kontinuierliche Begehung der angelasteten Suchtgiftverkäufe in Teilmengen und den daran geknüpften Additionseffekt zumindest ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand (vgl RIS-Justiz RS0088096, RS0112225). Die dem Urteil somit insoweit anhaftende materielle Nichtigkeit (Z 10) wurde vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht, wirkt sich aber zu dessen Nachteil aus, weshalb sie von Amts wegen (§ 290 Abs 1 StPO) wahrzunehmen war.

Der aufgezeigte Mangel zwingt - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - zur Aufhebung des Urteils betreffend diesen Angeklagten bereits bei nichtöffentlicher Beratung, zur Anordnung einer neuen Hauptverhandlung und zur Verweisung der Sache an das Erstgericht.

Um eine für den Fall der Erledigung des Anklagevorwurfs wegen Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG auf andere Weise als durch Schuldspruch allenfalls gesetzlich gebotene Diversion zu ermöglichen, war auch der Schuldspruch wegen Vergehen nach § 27 Abs 1 erster, zweiter und vierter Fall SMG (IV. 1.) aufzuheben (§ 289 StPO; RIS-Justiz RS0119278).

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung wird der Angeklagte L***** auf diese kassatorische Entscheidung verwiesen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO. Kosten für die amtswegige Maßnahme hat der Angeklagte L***** nicht zu ersetzen.

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