OGH 1Ob63/07g

OGH1Ob63/07g27.3.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Vivian H*****, und der mj Lilo H*****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Dr. Friedrich H*****, vertreten durch Dr. Heinrich Kellner, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 14. November 2006, GZ 44 R 649/06a-U36, mit dem der Rekurs des Vaters gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 9. Juni 2006, GZ 35 P 3/03w-U27, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Im Verfahren über die Unterhaltspflicht des Vaters gegenüber seinen beiden Kindern bestellte das Erstgericht einen Sachverständigen mit dem Auftrag, ein Gutachten über die Vermittlungsfähigkeit des Vaters auf dem Arbeitsmarkt und die Höhe des erzielbaren monatlichen Nettoeinkommens zu erstatten.

Dieser erhob dagegen mit der Begründung Rekurs, dass es auf das möglicherweise erzielbare Einkommen nicht ankomme, weil aus materiellrechtlichen Gründen der Anspannungsgrundsatz in diesem Fall nicht zum Tragen komme.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Rekursgericht diesen Rekurs zurück und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Ein Sachverständigenbestellungsbeschluss sei ein verfahrensleitender Beschluss, der gemäß § 45 AußStrG nicht abgesondert anfechtbar sei. Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG liege nicht vor.

Der Vater bekämpft diese Entscheidung nun in einem als „außerordentlicher Revisionsrekurs" bezeichneten Rechtsmittel.

Rechtliche Beurteilung

Ein Revisionsrekurs im Sinne des § 62 AußStrG ist jeder Rekurs gegen eine Entscheidung der zweiten Instanz als Rekursgericht, unabhängig davon, ob es sich um eine Sachentscheidung oder etwa um die Zurückweisung eines Rechtsmittels gegen eine erstgerichtliche Entscheidung handelt. Eine § 519 Abs 1 Z 1 ZPO vergleichbare Bestimmung gibt es im Außerstreitgesetz nicht, sodass auch Beschlüsse, die einen Rekurs ohne Sachentscheidung aus rein formalen Gründen zurückweisen, nur unter den Voraussetzungen des § 62 AußStrG anfechtbar sind (Fucik/Kloiber, AußStrG § 62 Rz 2). Der Zurückweisungsbeschluss des Rekursgerichts kann daher nur dann angefochten werden, wenn - abgesehen von den Fällen des § 62 Abs 2 und Abs 3 AußStrG - die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG abhängt (ebenso 1 Ob 243/06a). Der Revisionsrekurs ist aber jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt EUR 20.000 nicht übersteigt und das Rekursgericht iSd § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat (§ 62 Abs 3 AußStrG). Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei nach § 63 Abs 1 und Abs 2 AußStrG einen Antrag an das Rekursgericht stellen, den Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde (Zulassungsvorstellung).

Im vorliegenden Fall übersteigt der Entscheidungsgegenstand nicht EUR 20.000. Ob ein Anspruch vermögensrechtlicher Natur ist, ergibt sich aus seinem materiell-rechtlichen Inhalt (RIS-Justiz RS0007110). Ein rein vermögensrechtlicher Entscheidungsgegenstand liegt jedenfalls dann vor, wenn der Anspruch auf eine Geldleistung gerichtet ist (Fucik/Kloiber, aaO § 62 Rz 6). Unterhaltsansprüche sind gemäß § 58 Abs 1 JN mit der dreifachen Jahresleistung zu bewerten (vgl nur RIS-Justiz RS0103147). Auch wenn in einem Verfahren über die Unterhaltsansprüche mehrerer Kinder abzusprechen ist, liegen einzelne, nicht zusammenzurechnende Entscheidungsgegenstände vor (RIS-Justiz RS0017257, zuletzt 1 Ob 35/07i).

Gegenstand des Unterhaltsverfahrens ist das Begehren der Kinder auf Festsetzung eines monatlichen Unterhalts von je EUR 400, sodass der dreifache Jahresbetrag jeweils EUR 14.400 beträgt.

Der Oberste Gerichtshof ist entsprechend der dargestellten Rechtslage (derzeit) nicht zur Entscheidung über den Revisionsrekurs berufen. Das Erstgericht wird zu beurteilen haben, ob der vorliegende Schriftsatz als (mit einem Revisionsrekursantrag verbundene) Zulassungsvorstellung zu verstehen ist (vgl § 84 Abs 2 Satz 2 ZPO). Dann wäre er dem Rekursgericht zur Entscheidung vorzulegen. Ist das Erstgericht hingegen der Meinung, einer solchen Vorgangsweise stehe das Fehlen eines ausdrücklichen Antrags an das Rekursgericht entgegen, wird es einen befristeten Verbesserungsauftrag zu erteilen haben.

In der Sache ist auf die zu 4 Ob 137/05h ergangene Entscheidung (= SZ 2005/101) zu verweisen.

Stichworte