Spruch:
Die mit Beschluss des Bezirksgerichtes Leopoldstadt vom 4. Jänner 2007, 32 P 108/05i-U-65, gemäß § 111 Abs 1 JN angeordnete Übertragung der Pflegschaftssache der mj. Nina *****, geb. 1. 6. 2003, an das Bezirksgericht Wels wird nicht genehmigt.
Text
Begründung
Im zuletzt vom Bezirksgericht Leopoldstadt geführten Pflegschaftsverfahren 32 P 108/05i betreffend den Unterhalt des Vaters für die Minderjährige ist der am 6. 7. 2006 ergangene Unterhaltsbeschluss (U60) in Rechtskraft erwachsen. Nach den Angaben im Pflegschaftsbogen hat die Mutter ihren Wohnsitz in Wien, der Vater wohnt gleichfalls in Wien. Aus der Auskunft des Jugendwohlfahrtsträgers (U68) ergibt sich, dass die Obsorge für die Minderjährige mit Beschluss des BG Döbling (35 P 36/06b-S25) vorläufig zur Gänze auf den Jugendwohlfahrtsträger Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, übertragen worden ist; bei diesem Gericht ist auch ein Verfahren wegen Feststellung der Nichtabstammung der Minderjährigen vom Vater anhängig. Die Minderjährige befindet sich derzeit bei Pflegeeltern, die ihren Wohnsitz im Sprengel des BG Wels haben.
Mit - rechtskräftigem - Beschluss vom 6. 7. 2006 (U65) übertrug das Bezirksgericht Leopoldstadt die Zuständigkeit für die im Spruch genannte Pflegschaftssache dem Bezirksgericht Wels. Das Kind halte sich jetzt ständig in Wels auf; es sei daher zweckmäßiger, wenn das Bezirksgericht Wels diese Pflegschaftssache führe.
Das Bezirksgericht Wels lehnte es ab, die Zuständigkeit zu übernehmen. Das Kind wohne nur vorübergehend bei Pflegeeltern in Wels, die Obsorge sei dem Jugendwohlfahrtsträger in Wien übertragen worden, die Eltern wohnten beide in Wien. Kostenträger der Fremdunterbringung sei der Magistrat der Stadt Wien. Es lägen keine Anhaltspunkte für eine Zuständigkeit des BG Wels vor. Das Bezirksgericht Leopoldstadt legte den Akt gemäß § 111 Abs 2 JN dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Bezirksgericht Leopoldstadt verfügte Übertragung ist nicht gerechtfertigt.
Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch der dem Pflegebefohlenen zugedachte Schutz voraussichtlich besser verwirklicht werden kann. Maßgebend ist immer das Kindeswohl (RIS-Justiz RS0047300 [T 7]).
Wohl wird es in zahlreichen Fällen dem Wohl des Minderjährigen entsprechen, wenn die Pflegschaftssache durch das Gericht geführt wird, in dessen Sprengel er sich aufhält. Hier ist jedoch die Bindung der Minderjährigen an den derzeitigen Aufenthaltsort eher lose (vgl RIS-Justiz RS0046908 [T 3]). Es steht nämlich keineswegs fest, dass es sich bei ihrer Unterbringung bei Pflegeeltern, wo sie sich jetzt befindet, um eine auf Dauer ausgerichtete Maßnahme handelt; das Obsorgeverfahren ist noch nicht einmal abgeschlossen. Auch ist nicht zu erwarten, dass im - noch dazu bereits rechtskräftig beendeten - Unterhaltsverfahren eine Anhörung der Minderjährigen vor dem Pflegschaftsgericht notwendig sein wird. In der Gemeinde, in dem der Sprengel des übertragenden Gerichts liegt, wohnen beide Eltern; dort hat auch der obsorgeberechtigte Jugendwohlfahrtsträger seinen Sitz.
§ 111 JN ist als Ausnahmebestimmung einschränkend auszulegen (RIS-Justiz RS0046908 [T 9]). Besondere Umstände, dass durch die angestrebte Zuständigkeitsübertragung der dem Pflegebefohlenen zugedachte Schutz zweifelsfrei besser als bisher verwirklicht werden kann, sind nicht hervorgekommen.
Die Übertragung ist daher nicht zu genehmigen.
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