OGH 13Os2/07d

OGH13Os2/07d7.3.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. März 2007 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Dr. T. Solé, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Mag. Lendl in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hinterleitner als Schriftführer in der Strafsache gegen Aron I***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig begangenen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 2, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. Oktober 2006, GZ 142 Hv 91/06b-24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit seiner weiteren Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Aron I***** des Verbrechens des gewerbsmäßig begangenen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 2, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er im August 2005 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Christian A***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe, ein Kunde hätte nach Vorlage eines Ausweises und Prüfung der Identität durch ihn, preisgestützte Mobiltelefone gekauft und angemeldet, wobei er zur Täuschung falsche Urkunden, nämlich Anmeldungsformulare, die er bzw der abgesondert verfolgte Christian A***** mit den Namen Christoph S***** und Reinhard Christian S***** unterfertigten, verwendete, zur Freischaltung von Mobiltelefonen und SIM-Karten und Herstellung von Telefonverbindungen, die die genannten Netzbetreiber in einem 3000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, verleitet, und zwar

A. Angestellte der T-Mobile Austria GmbH

1. auf den Namen Christoph S***** hinsichtlich fünf im Urteil genannter Rufnummern (Schaden 4.435,01 Euro);

2. auf den Namen Reinhard Christian S***** hinsichtlich dreier Rufnummern (Schaden 1.623,05 Euro);

B. Angestellte der ONE GmbH hinsichtlich zweier Rufnummern (Schaden 1.623,05 Euro).

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus den Gründen der Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt insoweit Berechtigung zu, als sie - deutlich genug im Rahmen der Rechtsrüge - zutreffend einen Rechtsfehler mangels Feststellungen zu einem auf die Zufügung eines (insgesamt) 3.000 Euro übersteigenden Schadens gerichteten Vorsatz (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) aufzeigt.

Den Entscheidungsgründen ist nämlich - ebenso wie dem Urteilsspruch - bloß zu entnehmen, dass durch die inkriminierten Tathandlungen objektiv ein 3.000 Euro übersteigender Schaden verursacht wurde (US 5, 9). Konstatierungen zur vom Täterwillen umfassten Höhe der Schädigung der Getäuschten fehlen zur Gänze, sodass die Unterstellung der beschriebenen Betrugshandlungen auch unter § 147 Abs 2 StGB im Urteilssachverhalt keine Deckung findet.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof von einem weiteren Rechtsfehler überzeugt. Die - auch den objektiven Sachverhalt kaum beleuchtenden - Feststellungen des angefochtenen Urteils lassen nämlich offen, wer konkret Adressat des Täuschungsverhaltens des Angeklagten war. In den Entscheidungsgründen finden sich zwar Aussagen, wonach die Anmeldungen bzw. Anträge an die „Firmen T-Mobile bzw ONE" weitergeleitet wurden, „die" daraufhin der Ausfolgung von insgesamt sieben Mobiltelefonen samt SIM-Karten zustimmten, weiters, dass drei Formulare „T-Mobile Anmeldung" ausgefüllt und unterschrieben und damit die Ausfolgung von drei Mobiltelefonen samt SIM-Karten erschlichen wurden (US 9), und letztlich, dass „die Mobilfunkbetreiber T-Mobile GmbH und ONE GmbH" durch Täuschung über Tatsachen zu vermögensschädigenden Handlungen verleitet wurden (US 9), nicht aber der - für den Schuldspruch wegen §§ 146 ff StGB erforderliche - Bezug zu einer natürlichen Person (§§ 285e erster Satz, 290 Abs 1 zweiter SatzStPO).

Getäuschte im Sinne des § 146 StGB können nämlich nur Menschen sein. Demnach ist die Unterstellung unter § 146 StGB unproblematisch, wenn ein mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz agierender Endabnehmer den Zwischenhändler (als Vertragspartner des Mobilfunkbetreibers; vgl US 4) selbst durch Täuschung über Tatsachen zur Weiterleitung von falschen Anmeldeformularen verleitet und dadurch in weiterer Folge die Freischaltung der SIM-Karten und die Herstellung von Telefonverbindungen durch den - dadurch am Vermögen geschädigten - Mobilfunkbetreiber erreicht wird.

Wird aber - wie hier - der Zwischenhändler gar nicht in Irrtum geführt, würde Betrug ausscheiden, wenn die Täuschung der Mobilfunkbetreiber - wie üblich (vgl dazu auch S 311) - durch bloße Einwirkung auf technische Vorrichtungen (wie Computer) bewirkt wird, indem die (vom Zwischenhändler bewusst vorgenommene) Weiterleitung der im Anmeldeformular eingetragenen falschen Daten des Kunden online und die Freischaltung automatisiert durch das System erfolgt. Es könnte dann § 148a StGB erfüllt sein. Nach dieser Gesetzesstelle muss der Vermögensschaden als unmittelbare Folge der durch eine tatbestandsmäßige Manipulation (beispielsweise die Eingabe von unrichtigen Daten) bewirkten Beeinflussung des Ergebnisses der automationsunterstützten Datenverarbeitung eintreten. Davon kann auch noch gesprochen werden, wenn ein Kontrollorgan täuschungsbedingt bloß ein Eingreifen in einen bereits selbsttätig zum Schadenseintritt hin in Gang befindlichen Geschehensablauf unterlässt (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 148a Rz 32). Nur wenn ein Mensch, etwa eine Bedienungs- oder Kontrollperson, die in den Verarbeitungsprozess eingeschaltet wird und sodann unter Zugrundelegung des Ergebnisses der Datenverarbeitung eine Verfügung trifft, getäuscht wird (siehe dazu S 101, 223), käme insoweit § 146 StGB in Betracht. Eine Zusammenrechnung der durch Betrug nach §§ 146 ff StGB einerseits und betrügerischen Datenmissbrauch nach § 148a StGB andererseits bewirkten ziffernmäßig bestimmten Wert- und Schadensbeträge nach § 29 StGB hätte zu unterbleiben. Angesichts des nach den Feststellungen zwischen dem Angeklagten und den Mobilfunkbetreibern bestehenden Vertragsverhältnisses (US 4) kann im übrigen auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte gegenständlich selbst zum Abschluss von - beide Kontrahenten bindenden - Telefonieverträgen im Namen der Netzbetreiber befugt war, sodass - im Falle der Bejahung sämtlicher Tatkomponenten - auch die Unterstellung des Sachverhaltes unter § 153 StGB in Frage kommen kann.

Im zweiten Rechtsgang wird daher durch geeignete Beweisaufnahme (wie Beischaffung von Ausfertigungen der zwischen dem Angeklagten und den Mobilfunkbetreibern bzw möglicherweise zwischengeschalteten Distributoren bestehenden Verträge) zunächst das Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten zu beleuchten sein. Ergibt sich daraus keine Befugnis des Angeklagten im aufgezeigten Sinn, werden die Tatrichter eine zur rechtlichen Beurteilung des Täterverhaltens in Richtung §§ 146 ff StGB oder § 148a StGB geeignete Sachverhaltsgrundlage zur äußeren und inneren Tatseite zu schaffen und klarzustellen haben, welche konkret zu benennenden Beweismittel diesen Annahmen zugrunde liegen.

Dabei werden die Vorgänge bei Anmeldung der Mobiltelefone bis zu deren Freischaltung (beispielsweise durch Einvernahme tatsächlich informierter Vertreter der Rechtsabteilung und des technischen Dienstes der geschädigten Unternehmen und Beischaffung allenfalls vorhandener schriftlicher Dokumentation der Manipulationen) unbedingt zu ermitteln und exakt festzustellen sein.

Für den Fall der Annahme eines der genannten Vermögensdelikte sind zudem Konstatierungen zur konkreten Zusammensetzung des Schadens in Bezug auf einzelne Anschlussnummern, insbesonders eine Klarstellung, ob in den tabellarischen Aufstellungen der Geschädigten auch Mahnspesen und Zinsen (vgl aber S 171) oder der Wert der kostenlos ausgefolgten Handies enthalten sind (vgl dazu Velten, JSt 2006, 123), erforderlich.

Die weitere Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sind angesichts der damit erforderlich gewordenen Aufhebung des Schuldspruches gegenstandslos.

Ein Kostenausspruch nach § 390a StPO hatte zufolge Aufhebung des Urteils zur Gänze zu unterbleiben (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 7).

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