European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2007:E83364
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird mit der Maßgabe bestätigt, dass es im Punkt 2 der Entscheidung des Erstgerichts (Punkt 1. seine Entscheidung ist bereits in Rechtskraft erwachsen) richtig zu lauten hat:
„die in Deutschland und Österreich zugelassene, nicht rezeptpflichtige Arzneispezialität 'Lemocin Lutschtabletten' ..."
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.
Begründung:
Die Klägerin, eine Körperschaft öffentlichen Rechts, nimmt die wirtschaftlichen Interessen der Apotheker wahr und schreitet unter anderem gegen gesetzwidriges Bewerben und Inverkehrbringen von Arzneimitteln ein.
Der Beklagte betreibt eine Apotheke in Deutschland sowie einen Arzneimittelversand. Zumindest im Zeitraum zwischen 29. 4. und 4. 8. 2005 bot er über eine eigens für den österreichischen Markt erstellte Website mit der Adresse www.apotheke‑wien.at grenzüberschreitenden Arzneimittelversand nach Österreich sowohl für rezeptpflichtige als auch für rezeptfreie Arzneimittel an. Er bewarb diesen Arzneimittelversand auch aktiv unter anderem mit der Werbebotschaft „Warum Hochpreise bei Ihrem Apotheker in Österreich bezahlen? Nachdem der Versand von Arzneimitteln in Deutschland zulässig ist, beliefern wir auch zahlreiche Kunden aus Österreich.... Die Preise der rezeptfreien und rezeptpflichtigen Arzneimittel liegen bei uns niedriger als in Österreich.....". Über Bestellung eines namentlich genannten Kunden vom 19. 5. 2005 lieferte er sowohl rezeptpflichtige als auch in Österreich nicht zugelassene Arzneimittel nach Österreich. Überdies belieferte er den Kunden mit einer Packung „Lemocin Lutschtabletten, 20 Stück". Dieses Arzneimittel ist in Österreich wie auch in Deutschland zugelassen und jeweils rezeptfrei in Apotheken erhältlich. Auf der nach Österreich gelieferten Packung war die deutsche Zulassungsnummer 5948.00.00, nicht auch die österreichische Zulassungsnummer 13.263 aufgedruckt.
Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragte die klagende Partei, dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs entgegen den gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere im Versandhandel, Arzneimittel zu vertreiben und den Vertrieb im Versandhandel zu bewerben, insbesondere
- verschreibungspflichtige (rezeptpflichtige) Arzneimittel, insbesondere „Cialis 10 mg‑Filmtabletten" und „Fortecortin Tabletten 4 mg" im Weg des Versandhandels, insbesondere aus der Bundesrepublik Deutschland an Letztverbraucher in Österreich abzugeben,
- nicht in Deutschland, aber in Österreich der Rezeptpflicht unterliegende oder als rezeptpflichtig einzustufende Arzneimittel, insbesondere „Ebenol 0,25 %", „Voltaren Dolo 12,5 mg" und „Wick Medinait Erkältungssaft" im Weg des Versandhandels, insbesondere aus der Bundesrepublik Deutschland an Letztverbraucher in Österreich abzugeben,
- nur in Deutschland, nicht aber EU‑weit oder in Österreich im Sinn des Arzneimittelgesetzes zugelassene, also nicht mit einer österreichischen Zulassung oder EU‑Zulassung versehene Arzneispezialitäten, insbesondere „Ebenol 0,25 %, „Voltaren Dolo 12,5 mg", „Wick Medinait Erkältungssaft", „Lemocin Lutschtabletten" und „Fortecortin Tabletten 4 mg" in Österreich, insbesondere im Weg des Versandhandels an Letztverbraucher abzugeben und/oder dafür zu werben, und
- den Versandhandel mit Arzneimitteln gegenüber Verbrauchern ohne Unterscheidung in verschreibungspflichtige (rezeptpflichtige) und nicht verschreibungspflichtige (rezeptfreie) Arzneimittel, somit jedenfalls hinsichtlich verschreibungspflichtiger (rezeptpflichtiger) Arzneimittel in Österreich anzubieten und zu bewerben, insbesondere via Internet, insbesondere unter der Adresse www.apotheke‑wien.at.
Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist nur mehr das das Arzneimittel „Lemocin Lutschtabletten 20 Stück" betreffende Unterlassungsgebot. Die in Ansehung der in Österreich rezeptpflichtigen und der nur in Deutschland, nicht aber EU‑weit oder in Österreich zugelassenen Arzneimittel und Arzneispezialitäten erlassene einstweilige Verfügung ist in Rechtskraft erwachsen. Zum Arzneimittel Lemocin machte die Klägerin geltend, das Präparat sei in Österreich rezeptfrei in Apotheken erhältlich. Das nach Österreich gelieferte Arzneimittel sei in Österreich nicht zugelassen, weil auf der Packung nur die deutsche, nicht auch die österreichische Zulassungsnummer angebracht sei. § 59 Abs 9 AMG verbiete den Versandhandel mit Arzneimitteln und unterscheide nicht, ob diese verschreibungspflichtig seien oder nicht. Für den Konsumenten bestimmte Arzneimittelwerbung dürfe nach § 53 Z 14 AMG nicht auf den Bezug im Versandhandel hinwirken. § 11 Abs 1 AMG in der hier anzuwendenden Fassung verbiete die Abgabe von Arzneimitteln im Inland, solange sie nicht in Österreich zugelassen seien. Für in Österreich nicht zugelassene Produkte dürfe auch nicht geworben werden. Eine Abgabe in Österreich erfordere daher, dass das Präparat von der österreichischen Gesundheitsbehörde zugelassen sei und die österreichische Kennzeichnung, Verpackung, Gebrauchsinformation und die österreichische Zulassungsnummer aufweise. Der Beklagte setze sich über diese gesetzlichen Verbote hinweg, um im Wettbewerb einen Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen. Er handle sittenwidrig im Sinn des § 1 UWG.
Der Beklagte äußerte sich zum Sicherungsantrag in der ihm eingeräumten Frist nicht.
Das Erstgericht erließ das angestrebte Verbot in Ansehung der in Österreich rezeptpflichtigen und der nur in Deutschland, nicht aber EU‑weit oder nicht in Österreich im Sinn des AMG zugelassenen Arzneimittel und Arzneispezialitäten. Das Mehrbegehren, dem Beklagten auch zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Österreich, insbesondere im Wege des Versandhandels an den Letztverbraucher, die in Deutschland und Österreich zugelassene (richtig) nicht rezeptpflichtige Arzneispezialität „Lemocin Lutschtabletten 20 Stück" mit der deutschen Zulassungsnummer zu vertreiben und/oder deren Vertrieb im Versandhandel zu bewerben, wies es ab. Zum abweisenden Teil verwies das Erstgericht auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C‑322/01 ‑Doc Morris. Danach verstoße das absolute Verbot des Versandhandels auch mit den im betreffenden Mitgliedsstaat nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gegen die Warenverkehrsfreiheit. Lemocin sei sowohl in Deutschland als auch in Österreich als Arzneimittel zugelassen. Das Fehlen der österreichischen Zulassungsnummer ändere an seiner Zulassung nichts. Ein aus den Anforderungen an die Verpackung eines Arzneimittels abgeleitetes Verbot des Inverkehrbringens wirke sich auf nicht in Österreich ansässige Apotheken stärker aus als auf inländische und könne daher geeignet sein, den Marktzugang für Waren aus anderen Mitgliedsstaaten stärker zu behindern als für inländische Erzeugnisse. § 7 Abs 1 Z 3 AMG trete daher hinter die unmittelbar anwendbaren Artikel 28 ff EG zurück, sodass der Versand eines in Österreich zugelassenen, nicht rezeptpflichtigen Arzneimittels ungeachtet der nicht mit der österreichischen Zulassungsnummer versehenen Verpackung zulässig sei.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Änderung des Arzneimittelgesetzes durch BGBl I Nr 153/2005 lasse die hier maßgeblichen Bestimmungen im Kern unverändert. Arzneimittel dürften nach § 11 Abs 1 Z 2 aF und § 7 Abs 1 Z 2 nF im Inland erst abgegeben werden, wenn sie vom Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz bzw nunmehr vom Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen zugelassen seien. Davon ausgenommen seien nach Z 2 dieser Bestimmungen Arzneispezialitäten, deren Einfuhr nach § 5 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2002 nicht bewilligungspflichtig sei bzw (nunmehr) deren Einfuhr nach dieser Bestimmung erfolge. Nach § 5 Abs 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2002 seien Einfuhrbewilligungen oder Meldungen gemäß seinem § 2 Abs 1 bis Abs 11 unter anderem nicht erforderlich für Arzneispezialitäten zur Anwendung an Menschen, die in einer den üblichen persönlichen Bedarf des Empfängers entsprechenden Menge aus einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR‑Abkommen) bezogen würden, dort in Verkehr gebracht werden dürften und dort nicht der Rezeptpflicht unterlägen. Das Verbot des Versandhandels (§ 59 Abs 9 AMG) und das Verbot seiner Bewerbung (§ 53 Z 14 AMG) werde nach § 5 Abs 5 Arzneiwareneinfuhrgesetz durch diese Ausnahmen nicht berührt. Die Ausnahmen nach § 5 Abs 1 Z 7 und 8 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2002 gälten auch dann nicht, wenn die eingeführte Menge drei für die Abgabe an Privatpersonen vorgesehene Handelspackungen einer Arzneispezialität übersteige.
Das Rekursgericht verneinte erkennbar die subjektive Vorwerfbarkeit des dem Beklagten in Ansehung des Arzneimittels Lemocin vorgeworfenen Verstoßes. Eine Gesetzesverletzung begründe nur dann einen Verstoß gegen § 1 UWG, wenn sie dem Beklagten subjektiv vorwerfbar sei. Entscheidend sei, ob seine Rechtsauffassung in Widerspruch zum klaren Gesetzeswortlaut, zur offenkundigen Absicht des Gesetzgebers oder zu einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung stehe. Die Abgabe einer Packung Lemocin sei im Hinblick auf § 1 UWG unbedenklich. Lemocin mit dem Aufdruck der deutschen Zulassungsnummer dürfe in Deutschland in Verkehr gebracht werden und unterliege dort nicht der Rezeptpflicht, sodass nach dem Wortlaut des § 5 Abs 1 Z 7 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2002 iVm § 11 Abs 1 Z 2 aF bzw § 7 Abs 1 Z 2 nF AMG die Abgabe bloß einer Packung keiner Einfuhrbewilligung oder Meldung und damit auch keiner Zulassung bedürfe.
Ein generelles Verbot des Versandhandels oder der Werbung für Versandhandel mit Arzneimitteln mache die Klägerin nicht geltend. Ein derartiges Verbot stünde auch im Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH. Arzneimittelwerbung im Sinn der §§ 50 ff AMG liege nur dann vor, wenn die Bezeichnung des Arzneimittels genannt werde oder aufgrund von Werbeaussagen klar sei, für welches bestimmte Arzneimittel geworben werde. Mangels einer derartigen produktbezogenen Werbung fehle nicht nur dem wettbewerbsrechtlichen, sondern auch einem aus § 85a Abs 1 AMG abgeleiteten Unterlassungsanspruch die geeignete Grundlage.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige, und ‑ über Antrag nach § 528 Abs 2a ZPO iVm § 508 ZPO ‑ dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Frage, ob die mangelnde subjektive Vorwerfbarkeit eines Gesetzesverstoßes als Tatbestandselement von Amts wegen zu prüfen oder der Beklagte dafür behauptungs‑ und beweispflichtig sei, könne der Rechtsprechung nicht deutlich entnommen werden. Dieser Frage komme im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Abgabe rezeptfreier Arzneimittel eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof mit dem Versandhandelsverbot und den Zulassungsvorschriften in Bezug auf in Österreich nicht rezeptpflichtige Arzneimittel noch nicht beschäftigt hat. Das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.
1. Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf § 1 UWG. Sie macht geltend, der Beklagte setze sich bewusst über die Zulassungsvorschriften des österreichischen Arzneimittelgesetzes hinweg, um einen Wettbewerbsvorsprung gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen.
Das dem Beklagten vorgeworfene Verhalten wirkt sich auf den österreichischen Markt für Arzneimittel aus, seine Beurteilung unterliegt somit österreichischem Recht (§ 48 Abs 2 IPRG; Seidelberger in Brenn, ECG 55 ff). Das Recht des Niederlassungsstaats des Anbieters (Herkunftslandprinzip des § 20 ECG) kommt wegen der in § 21 Z 13 ECG für die Lieferung von Arzneimitteln enthaltenen Ausnahmeregelung nicht zum Tragen (siehe Erl RV zu § 21 Z 13 ECG, abgedruckt in Brenn aaO 323; Seidelberger aaO 57). Gleiches gilt für die auf österreichische Kunden abzielende Internetwerbung des Beklagten als Voraussetzung einer Bestellung und Lieferung von Arzneimitteln im Versandhandel.
2.1. Bezogen auf den Zeitraum des behaupteten Verstoßes ist das Arzneimittelgesetz idF vor BGBl I Nr 107/2005 und Nr 153/2005 (im Folgenden AMG aF) anzuwenden. § 59 Abs 9 AMG aF wie auch nF verbieten die Abgabe von Arzneimitteln im Versandhandel. Nach § 53 Z 14 AMG aF (= § 53 Z 13 AMG nF) darf Arzneimittelwerbung, die für den Verbraucher bestimmt ist („Laienwerbung" im Sinn des Arzneimittelgesetzes nF) „keine Elemente enthalten, die darauf hinwirken, Arzneimittel im Versandhandel zu beziehen".
2.2. Soweit sich das Versandhandelsverbot des Arzneimittelgesetzes auf in Österreich zugelassene, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel bezieht, widerspricht es dem Gemeinschaftsrecht. Der EuGH hat in seiner Entscheidung C 322/01 ‑ Doc Morris erkannt, dass ein nationales Verbot des Arzneimittelversandhandels nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, wenn es sich bei den vertriebenen Produkten um Arzneimittel handelt, die im betroffenen Mitgliedstaat als nicht verschreibungspflichtig zugelassen sind. Das nationale Verbot verstößt aber dann nicht gegen Gemeinschaftsrecht, wenn es sich um Arzneimittel handelt, die im Wohnsitzstaat des Bestellers verschreibungspflichtig sind. Ein nationales Werbeverbot für den Versandhandel mit Arzneimitteln, die im betreffenden Mitgliedstaat nur in Apotheken verkauft werden dürfen, steht dem Gemeinschaftsrecht gleichfalls entgegen, soweit dieses Werbeverbot nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel betrifft (zur Auslegung der EuGH‑Entscheidung siehe auch Gast/Reiser, Arzneimittel aus der Internet‑Apotheke? RdM 2004/41). Zum Verbot der Werbung für Versandhandel mit Arzneimitteln verweist der EuGH in seiner Entscheidung Doc Morris auf die Ausführungen zu den nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (Rn 112 bis 116). Ein derartiges Werbeverbot könne nicht mit dem angeblichen Erfordernis der physischen Anwesenheit eines Apothekers beim Kauf gerechtfertigt werden (Rn 143). Mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang stehe daher nur ein Verbot der Werbung mit Versandhandel für nicht zugelassene und für verschreibungspflichtige Arzneimittel (Rn 145).
3.1. Die §§ 11 ff AMG aF (§§ 7 ff AMG nF) regeln die Zulassung von Arzneispezialitäten. Unter dem Begriff „Arzneispezialität" werden Arzneimittel verstanden, die im Voraus stets in gleicher Zusammensetzung hergestellt und unter der gleichen Bezeichnung in einer zur Abgabe an den Verbraucher oder Anwender bestimmten Form in Verkehr gebracht werden (§ 1 Abs 5 AMG nF). Danach (§ 11 Abs 1 AMG aF, § 7 Abs 1 AMG nF) dürfen Arzneispezialitäten (mit den im Gesetz angeführten Ausnahmen) im Inland erst abgegeben werden, wenn sie von der dafür zuständigen Behörde zugelassen sind.
3.2. Die Klägerin brachte vor, das vom Beklagten vertriebene Arzneimittel „Lemocin" sei in Österreich „nicht im Sinn des Arzneimittelgesetzes" zugelassen. Auf seiner Packung befinde sich nämlich nur die deutsche, nicht auch die österreichische Zulassungsnummer. Demgegenüber stellt das Erstgericht fest, „Lemocin" sei in Österreich zugelassen. Diese Feststellung kann nur so verstanden werden, dass in Österreich ein Arzneimittel zugelassen ist, das mit dem vom Beklagten gelieferten inhalts‑ und wirkungsgleich ist und das auch unter derselben Bezeichnung vertrieben wird. Die Zulassung nach § 11 AMG aF (§ 7 AMG nF) bezieht sich nämlich nur auf ein bestimmtes, vom Zulassungswerber für den Vertrieb in Österreich vorgesehenes Arzneimittel. Dies ergibt sich aus der Regelung für die (vereinfachte) Zulassung von Parallelimporten (§ 20a AMG aF, § 10c AMG nF). Diese Vorschrift wäre nicht erforderlich, wenn schon die für Österreich grundsätzlich bestehende Zulassung für ein inhalts‑ und wirkungsgleiches Arzneimittel ausreichte.
3.3. Aus dem Fehlen der österreichischen Zulassungsnummer ist darauf zu schließen, dass das vom Beklagten vertriebene Arzneimittel nicht in Österreich zugelassen ist. Die für „Lemocin" auch in Österreich erteilte „grundsätzliche" Zulassung bezieht sich nicht auf das vom Beklagten vertriebene Arzneimittel. Sie ermöglicht lediglich eine vereinfachte Zulassung eines inhalts- und wirkungsgleichen Mittels als Parallelimport.
4. Zu prüfen ist daher, ob der Vertrieb des in Deutschland zugelassenen „Lemocin" in Österreich im Wege des Versandhandels eine österreichische Zulassung voraussetzt.
Nach § 11 Abs 1 Z 2 letzter Satzteil AMG aF (§ 7 Abs 1 Z 2 AMG nF) ist eine inländische Zulassung nicht erforderlich, wenn die Einfuhr nach § 5 Arzneiwareneinfuhrgesetz erfolgt. Gemäß § 5 Abs 1 Z 7 Arzneiwareneinfuhrgesetz dürfen Arzneimittel in einer üblichen, den persönlichen Bedarf des Empfängers entsprechenden Menge (wie hier eine Packung) aus einer Vertragspartei des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum (EWR‑Abkommen) ohne Einfuhrbewilligung bezogen werden, wenn dieses Arzneimittel im betreffenden EWR‑Staat vertrieben werden darf und dort nicht der Rezeptpflicht unterliegt.
Lemocin erfüllt diese Voraussetzungen. Es ist ein in Österreich und Deutschland zugelassenes, nicht rezeptpflichtiges Arzneimittel und wurde in einer dem persönlichen Bedarf des Empfängers entsprechenden Menge aus Deutschland bezogen.
Das auch insofern geltende Verbot des Versandhandels (§ 5 Abs 2 Arzneiwareneinfuhrgesetz) ist nach den zu Punkt 2.2. dargelegten Grundsätzen der Entscheidung des EuGH Rs C‑322/01 ‑Doc Morris gemeinschaftsrechtswidrig, soweit es (im Staat des Verbots, hier Österreich) nicht verschreibungspflichtige Medikamente erfasst. § 5 Abs 2 Arzneiwareneinfuhrgesetz ist daher im vorliegenden Fall nicht anzuwenden.
5. Die voranstehenden Erwägungen sind daher folgendermaßen zusammenzufassen:
Eine in Österreich nicht rezeptpflichtige Arzneispezialität darf im Inland in üblichen, dem persönlichen Bedarf von Empfängern entsprechenden Mengen im Weg des grenzüberschreitenden Versandhandels aus dem EWR vertrieben werden, wenn sie dort in Verkehr gebracht werden darf und nicht rezeptpflichtig ist; ein solcher Vertrieb darf auch im Internet beworben werden.
Da das ‑ im Revisionsrekursverfahren noch maßgebende ‑ Verhalten des Beklagten der objektiven Rechtslage nach dem österreichischen Arzneimittelrecht nicht widersprach, musste das erörterte Verfügungsbegehren scheitern.
Die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, ob die subjektive Vorwerfbarkeit eines Gesetzesverstoßes als Tatbestandselement von Amts wegen zu prüfen oder der Beklagte dafür behauptungs‑ und beweispflichtig ist, kann offen bleiben.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)