Spruch:
Dem Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin wird Folge gegeben. Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung
Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag vom 25. 3. 1996 riefen die Antragstellerinnen gemäß §§ 39, 40 MRG das Gericht an. Sie wendeten sich damit gegen die Entscheidung der MA 50-Zentrale Schlichtungsstelle der Stadt Wien, Schli 1/93/5576, mit der eine vorläufige Erhöhung der Hauptmietzinse gemäß § 18a und 18 Abs 2 und 3 MRG für den Zeitraum 1. 1. 1996 bis 31. 12. 1997 für zulässig erklärt worden war.
Die Antragstellerinnen sind Eigentümerinnen des von der Entscheidung betroffenen Hauses G***** in 1040 Wien.
Die Antragsgegner sind Mieter von Objekten in diesem Haus. Im erstinstanzlichen Verfahren ergingen sodann zwei Beschlüsse über die Zulässigkeit einer vorläufigen Mietzinserhöhung nach den §§ 18, 18a Abs 2 MRG, und zwar:
mit ON 40: eine vorläufige Mietzinserhöhung für den Zeitraum 1. 11. 1997 bis 31. 10. 1999;
mit ON 70: für den Zeitraum 1. 12. 2000 bis 31. 10. 2001. Diese Entscheidungen erwuchsen in Rechtskraft.
Ein Großteil der Mieter, nicht jedoch die Erstantragsgegnerin und zwei weitere Mieter, leistete in jenen Zeiträumen, für die keine vorläufige Hauptmietzinserhöhung bewilligt war, weiterhin freiwillig den erhöhten Hauptmietzins an die Antragstellerinnen. Mit den Entscheidungen ON 119 und ON 121 hat das Erstgericht eine endgültige Erhöhung der Hauptmietzinse wie folgt bewilligt:
Ausgehend vom Verrechnungsstichtag (der Hauptmietzinseingänge) 29. 2. 2004 wurde mit ON 119 für die Zeit vom 1. 3. 2004 bis 31. 10. 2007 eine endgültige Erhöhung der Hauptmietzinse bewilligt. Dabei wurden auch jene Hauptmietzinse als Mietzinseingänge zugrundegelegt, die der überwiegende Teil der Mieter durch dreieinhalb Jahre hindurch freiwillig bezahlt hatte.
Über Antrag der Antragstellerinnen fasste das Erstgericht mit ON 121 einen Ergänzungssachbeschluss, in dem es
1. die bisherigen vorläufigen Erhöhungen (ON 40 und ON 70) in diesem Ausmaß als endgültige Erhöhungen bewilligte und
2. für jene Zeiträume, für die während der Dauer des Verfahrens keine vorläufige Erhöhung bewilligt gewesen war, nämlich vom 1. 11. 1999 bis 31. 1. 2000 und vom 1. 11. 2001 bis 29. 2. 2004 eine endgültige Erhöhung der Hauptmietzinse in jener Höhe bewilligte, wie sie mit den Beschlüssen ON 40 und ON 70 für andere Zeiträume festgesetzt worden war.
Den dagegen von der Erstantragsgegnerin erhobenen Rekursen gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.
Entscheidender Grund dafür, weshalb das Rekursgericht die beschriebene Vorgangsweise billigte, war, dass ein Großteil der Mieter auch während der erhöhungsfreien Zeiträume freiwillig erhöhte Hauptmietzinse bezahlt hatte, diese offenbar bisher nicht rückgefordert hat und die entsprechenden Zahlungen als Hauptmietzinseingänge in der Hauptmietzinsabrechnung zum Stichtag 29. 2. 2004 enthalten sind. Es wäre unbillig, meinte das Rekursgericht, wenn diese freiwilligen Zahlungen nun jenen Mietern, die keine Mehrleistungen erbracht hätten, zugute kämen. Nur durch die gewählte Vorgangsweise, nämlich eine Erhöhung für die Vergangenheit nach jenen Kriterien, nach denen seinerzeit vorläufige Erhöhungen bewilligt worden waren und in deren Höhe der Großteil der Mieter die freiwilligen Mehrzahlungen geleistet hatte, könne eine komplizierte Nachverrechnung erspart werden.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 10.000,-- EUR übersteige, der ordentliche Revisionsrekurs jedoch nicht zulässig sei, weil durch die Entscheidung gesetzlichen Vorgaben über die Festsetzung von Erhöhungszeiträumen entsprochen worden und im Übrigen von eingeräumtem Ermessen Gebrauch gemacht worden sei.
Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Sachbeschlusses im Sinne einer Abweisung des verfahrenseinleitenden Antrages auf Mietzinserhöhung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag mit dem Ziel einer Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung durch das Gericht zweiter, in eventu erster Instanz gestellt.
Die Antragstellerinnen haben von der ihnen eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht und beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig, weil das Rekursgericht gegen zwingende Grundsätze des Mietzinserhöhungsverfahrens nach den §§ 18 ff MRG verstoßen hat. Der Revisionsrekurs ist im Sinne des in ihm gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt.
Die Revisionsrekurswerberin macht geltend, dass zwar der Beginn des Verteilungszeitraumes für die Mietzinserhöhung im billigen Ermessen des Gerichtes liege, unabdingbar jedoch der Verteilungszeitraum für die endgültige Erhöhung unmittelbar an den Verrechnungszeitraum anschließen müsse. Im vorliegenden Fall sei der Verrechnungszeitraum mit 29. 2. 2004 beendet, weshalb eine endgültige Mietzinserhöhung nur mit 1. 3. 2004 beginnen und im Februar 2014 ende könne. Dabei seien die von den Mietern bis Februar 2004 freiwillig bezahlten erhöhten Hauptmietzinse als Mietzinseingänge zu berücksichtigen. Die vom Erstgericht vorgenommene Komprimierung des Verteilungszeitraumes auf 1. 1. 2004 bis 31. 10. 2007 unter gleichzeitiger Festsetzung endgültiger Erhöhungen in Höhe der vorläufigen Erhöhungen für die Vergangenheit finde im Gesetz keine Deckung.
Unrichtig sei, dass das von der Revisionsrekurswerberin angestrebte gesetzmäßige Vorgehen grob unsachlich gegenüber jenen Mietern sei, die freiwillig erhöhte Hauptmietzinse bezahlt hätten. Schließlich stehe es jenen Mietern, die ohne Rechtsgrund mehr als den geschuldeten Hauptmietzins bezahlt hätten, frei, diesen zurückzuverlangen.
Der erkennende Senat hat dazu erwogen:
Durch eine rechtskräftige Entscheidung nach den §§ 18 f MRG wird rechtsgestaltend in Privatrechtsverhältnisse, nämlich Mietzinsvereinbarungen, eingegriffen, um den Zweck der Finanzierung sonst nicht gedeckten Erhaltungsaufwandes sicherzustellen (vgl Würth in Rummel3 Rz 2 zu § 18 f MRG mwN). Daher verbietet sich nicht nur jede analoge Anwendung der Bestimmungen über die Erhöhung des Hauptmietzinses außerhalb des Bereiches des § 18 MRG, sondern ist auch die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften, die diesen Privatrechtseingriff regeln, unabdingbar.
Dabei ist zunächst von Bedeutung, dass es zwar dem billigen Ermessen des Gerichtes obliegt, den Beginn (vgl dazu 5 Ob 171/05s) oder die Dauer des Verteilungszeitraums festzusetzen, dass aber alle sonstigen Prämissen der Hauptmietzinserhöhung zwingend vom Gesetz geregelt sind. Zwingend muss der Verteilungszeitraum an den Verrechnungszeitraum unmittelbar anschließen, weil nur so zu gewährleisten ist, dass das nach gesetzlichen Grundsätzen ermittelte „Deckungserfordernis", soweit es nicht durch den jeweils „anrechenbaren Hauptmietzins" gedeckt ist, einer Aufteilung zugeführt wird. Eine andere Vorgangsweise steht dem Gericht nicht frei. Insoweit richtig hat das Erstgericht mit ON 119 eine mit 1. 3. 2004 wirksame endgültige Erhöhung der Hauptmietzinse für zulässig erklärt. Bedenklich ist jedoch die dieser Erhöhung zugrundegelegte Prämisse der Höhe der Hauptmietzinseingänge. Darin sind nämlich jene Beträge enthalten, die Mieter in einem Zeitraum von dreieinhalb Jahren, nämlich in der Zeit vom 1. 11. 1999 bis 31. 1. 2000 und vom 1. 11. 2001 bis 29, 2. 2004 ohne gesetzliche oder vertragliche Grundlage geleistet haben.
Es wird unumgänglich sein, mit den Parteien zu erörtern, ob jene Mieter, die während des beschriebenen langen Zeitraumes freiwillig damals nicht geschuldete Mietzinszahlungen leisteten, auf deren Rückforderung oder Nachverrechnung verzichten. Ist das nicht der Fall, müssen aus der Hauptmietzinsabrechnung jene Beträge entfernt werden, die ganz offenkundig nicht als Mietzinsschuldigkeiten für die betreffenden Zeiträume geleistet wurden, sondern als Mietzins(voraus)zahlungen für Zeiträume, in denen tatsächlich eine Hauptmietzinserhöhung geschuldet wird. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Frage, wie und ob diese Mehrzahlungen den Mietern angerechnet werden, ausschließlich das Rechtsverhältnis zwischen den Antragstellerinnen und den entsprechenden Mietern betrifft. In die Entscheidung über die Mietzinserhöhung nach §§ 18 f MRG haben diese Vorauszahlungen jedenfalls nicht einzufließen.
§ 18 Abs 1 Z 6 MRG iVm § 20 Abs 1 Z 1 lit b bis d MRG definiert die „anrechenbaren monatlichen Hauptmietzinse" gesetzlich, was es ausschließt - unabhängig von der Rückforderbarkeit von Beträgen -, der Entscheidung über die Erhöhung andere Beträge zugrundezulegen. Die Vorgangsweise, die die Vorinstanzen wählten, um - der einfachen Verrechnung halber - für Zeiträume, in denen eine Entscheidung über die Zulässigkeit einer vorläufigen Mietzinserhöhung unterblieben ist, eine solche nachträglich nach anderen Bemessungsgrundsätzen auszusprechen, als der endgültigen Erhöhung (in ON 119) zugrundegelegt wurden, entspricht nicht dem Gesetz. Die mit dem Ergänzungssachbeschluss ausgesprochenen endgültigen Erhöhungen (im Ausmaß der vorläufigen Erhöhungen ON 40 und ON 70) konnten nämlich nur mit den Kriterien der vorläufigen Erhöhungen begründet werden, nicht aber mit jenen der endgültigen Erhöhung des Sachbeschlusses ON
119. Sie schließen weder an den Verrechnungszeitraum an noch decken sich die sonstigen Berechnungsansätze.
Unrichtig und überflüssig ist weiters die im Ergänzungssachbeschluss ON 121 gewählte Vorgangsweise, wonach die mit ON 40 und ON 70 bewilligten „vorläufigen Erhöhungen nach § 18a Abs 2 MRG" in „endgültige Erhöhungen nach § 18 MRG" umgewandelt wurden, stellt doch eine Entscheidung nach §§ 18, 18a Abs 2 MRG, die in Rechtskraft erwachsen ist, den erhöhten Hauptmietzins für den festgesetzten Zeitraum endgültig fest. Eine spätere „Bekräftigung" durch eine Entscheidung nach § 18 MRG würde in die Rechtskraft einer solchen Zwischenerledigung eingreifen.
Das Erstgericht wird daher wegen des Verstreichens der Zeit den Verrechnungszeitraum zu verschieben haben und anschließend an diesen eine endgültige, einheitliche Erhöhung der Hauptmietzinse auszusprechen haben.
Eine Aufhebung erweist sich aus den angeführten Gründen als unumgänglich.
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