OGH 9ObA137/06x

OGH9ObA137/06x1.2.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter KommR Mag. Paul Kunsky und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei *****, Ballettdirektor, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Kohlhofer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 40.000 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. August 2006, GZ 9 Ra 96/06p-19, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 7. April 2006, GZ 2 Cga 136/05s-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.764,72 (darin EUR 294,12 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Vertrag vom 18. 2. 2003 wurde der Kläger von der Beklagten für die Zeit vom 1. 9. 2003 bis 31. 8. 2005 als Ballettdirektor verpflichtet. Die Anwendung des Schauspielergesetzes wurde ausdrücklich vereinbart. Die Spielzeit 2003/2004 verlief ohne besondere Vorkommnisse. Im Herbst 2004 wurde publik, dass ab 2005/2006 die Ballette von ***** und ***** zusammengelegt werden sollten. Als gemeinsamer Ballettdirektor wurde für die Spielzeit 2005/2006 ***** genannt. Bereits im Herbst 2004 kam es zu Spannungen zwischen dem Kläger und der Direktion der Beklagten. Nach Meinung der Direktion überforderte der Kläger die Tänzer, sodass es zu überdurchschnittlich langen Krankenständen der Ballettmitglieder gekommen war und der Betriebsrat bereits mit Streik gedroht hatte. Ab Jänner 2005 hatte der Kläger keine Verfügungsmacht mehr über die Einteilung der Proben. In einem Gespräch mit dem Direktor der Beklagten erhob der Kläger den Vorwurf, dass dieser, ohne den Kläger zu verständigen, einem Ensemblemitglied knapp vor der Premiere freigegeben habe. Anfang März teilte die Direktion dem Kläger mit, dass die Wiederaufnahme einer Ballettproduktion nicht unter der Leitung des Klägers stattfinden solle und dass dieser einen verantwortlichen Assistenten aus dem Ensemble auswählen solle. Der Kläger ließ die Beklagte auffordern, ihm die für eine ausreichende Probenarbeit notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, damit er seinem künstlerischen Ruf entsprechend gerecht werden könne. Am 14. 3. 2005 wurde der Kläger für den Rest der Vertragsdauer unter Beibehalt der laufenden Bezüge dienstfrei gestellt. Am 16. 3. 2005 räumte der Kläger auf entsprechende Aufforderung sein Büro und seine Garderobe. Der Kläger erhielt das vereinbarte Entgelt bis Vertragsende ausbezahlt.

Gestützt auf die Bestimmung des § 21 SchSpG begehrt der Kläger den Betrag von EUR 40.000 sA als „Vergütung bzw als Schadenersatz". Durch die Behinderung seiner Arbeit und zuletzt durch die Dienstfreistellung sei der Ruf des Klägers geschädigt worden. Es sei ihm nicht möglich gewesen, auf Produktionen den notwendigen Einfluss zu nehmen, sodass sein Ruf erheblich beeinträchtigt worden sei. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, dass die Suspendierung des Klägers zu Recht erfolgt sei. Dem Kläger sei weder ein konkreter Schaden entstanden noch habe er Anspruch auf Vergütung nach § 21 Abs 2 SchSpG, weil eine solche nur für den Fall des Austritts zustehe. Seinen Austritt habe der Kläger aber nie erklärt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass eine Vergütung nach § 21 Abs 2 SchSpG zur Voraussetzung habe, dass das Mitglied aus dem Dienstverhältnis ausgetreten ist. Ein solcher Austritt sei nicht erfolgt. Ein messbarer Schaden sei nicht eingetreten, sodass auch ein darüber hinausgehender Schadenersatzanspruch nicht zustehe. Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Es hat dabei die Frage, ob der Vergütungsanspruch nach § 21 Abs 2 SchSpG unabhängig von einem Austritt zusteht, zutreffend verneint. Insoweit kann daher auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Lediglich ergänzend ist den Ausführungen der Revision entgegenzuhalten:

Gemäß § 21 („Recht auf Beschäftigung") Abs 1 SchSpG ist der Theaterunternehmer verpflichtet, das Mitglied angemessen zu beschäftigen. Bei Beurteilung der Angemessenheit der Beschäftigung ist auf den Inhalt des Vertrags, die Eigenschaften und Fähigkeiten des Mitglieds und die Art der Führung des Betriebs Bedacht zu nehmen. Unterlässt es gemäß § 21 Abs 2 SchSpG der Unternehmer trotz wiederholter Aufforderung ohne wichtigen Grund, das Mitglied angemessen zu beschäftigen, kann dieses den Vertrag vorzeitig auflösen und eine angemessene Vergütung begehren, die der Richter nach billigem Ermessen feststellt, die aber den Betrag der festen Bezüge eines Jahres nicht übersteigen darf. Ein Mitglied, dessen Dienstverhältnis noch mindestens 5 Jahre gedauert hätte, kann überdies eine Entschädigung in dem gleichen Betrage verlangen, jedoch nur unter Anrechnung dessen, was er im zweiten Jahre nach der Vertragsauflösung infolge Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder absichtlich zu erwerben versäumt hat. Gemäß § 21 Abs 3 SchSpG ist die Auflösung jedoch nur dann zulässig, wenn das Mitglied dem Unternehmer schriftlich eine entsprechende Frist zur Nachholung der angemessenen Beschäftigung erteilt hat und diese Frist fruchtlos abgelaufen ist. In der weit überwiegenden Literatur wird diese Bestimmung - teils ausdrücklich, teils implizit - dahin ausgelegt, dass der Vergütungsanspruch nur dann besteht, wenn das Mitglied den Vertrag mangels angemessener Beschäftigung vorzeitig auflöst. So weisen Chilf/Markovitcs darauf hin, dass das Mitglied nur dann - höchstens - die festen Bezüge eines Jahres begehren kann, wenn es von seinem Recht auf vorzeitige Auflösung Gebrauch macht („Das Schauspielergesetz", 64). Nach Schwarz („Die Beschäftigungspflicht im Arbeitsverhältnis" in FS Floretta 415, 421 f) hängen die Sonderregelungen über eine „angemessene Vergütung" bzw über limitierte Entschädigungsansprüche mit dem vorzeitigen Austrittsrecht zusammen; im § 21 Abs 2 SchSpG sei ein Austrittsgrund geschaffen worden, mit dem besondere Vergütungsansprüche verbunden werden. Denselben Schluss ziehen auch Kapfer/Bündsdorf (Schauspielergesetz Anm 14 zu § 21), wenn sie bei der Erörterung der Fälligkeit des Anspruchs darauf verweisen, dass die „angemessene Vergütung" für das erste Jahr sofort (also mit der Auflösungserklärung) fällig wird, während der allfällige Entschädigungsanspruch für das zweite Jahre nach Maßgabe der bisherigen Zahlungszeit unter jedesmaliger Anrechnung der etwa in Betracht kommenden Beträge zu leisten sei. Auch Adler/Höller (in Klang V2, 246) und Schwarz/Löschnigg (Arbeitsrecht10, 249) sehen den Vergütungsanspruch ganz offensichtlich in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Erklärung der vorzeitigen Auflösung, indem sie die im Abs 3 des § 21 SchSpG genannte schriftliche Aufforderung nicht nur auf den Austritt, sondern auch auf den Vergütungsanspruch beziehen. Soweit überblickbar, vertritt lediglich Klemperer („Das Schauspielergesetz", Wien 1924, 23) die Auffassung, dass der Vergütungsanspruch nach § 21 Abs 2 SchSpG auch dann zusteht, wenn das Mitglied an der Aufrechterhaltung des Engagements festhält. Er meint, dass die Fassung des Abs 3 für diese Auslegung spreche, weil dort die schriftliche Nachfristsetzung nur für den Austritt verlangt werde. Dieser Autor vermag nicht zu überzeugen. Seine Rechtsmeinung würde konsequent weitergedacht zu dem Ergebnis führen, dass ein Mitglied, welches für längere Zeit engagiert ist, jedoch nur mit Unterbrechungen beschäftigt wird, mehrmals für die Zeiten der Nichtbeschäftigung eine bis zum Jahresentgelt auszumessende Vergütung begehren könnte. Ein solcher Sinn kann aber der genannten Bestimmung nicht entnommen werden. Wesentlich logischer und daher überzeugender ist die Interpretation der erstgenannten Autorengruppe. Sowohl die vom Berufungsgericht angewandte grammatikalische Auslegung des § 21 Abs 2 SchSpG als auch der Sinnzusammenhang mit der über die „Vergütung" hinausgehenden „Entschädigung" bei einem Dienstverhältnis mit mindestens 5-jähriger Restdauer lassen nur den vernünftigen Schluss zu, dass der Anspruch auf „angemessene Vergütung" nur dann zustehen soll, wenn das Mitglied gleichzeitig den Vertrag mangels angemessener Beschäftigung zur vorzeitigen Auflösung bringt. Dieser besondere Auflösungsgrund ermöglicht es dem Mitglied, möglichst rasch ein anderes Engagement eingehen zu können, um den für künstlerische Berufe notwendigen Bekanntheitsgrad aufrecht zu erhalten (Hodik, „Auswirkungen des Entwurfes eines Sozialgesetzes auf das Bühnenrecht" in ZAS 1983, 170, 171; Resch, „Anmerkungen zur arbeitsrechtlichen Beschäftigungspflicht" in DRdA 1991, 424, 431).

Auf die weiteren Erwägungen der Revision, ob § 21 SchSpG einen klagbaren Beschäftigungsanspruch gibt oder nicht, ist mangels eines unmittelbaren Zusammenhanges mit dem Anspruch auf Vergütung nicht einzugehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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