OGH 12Os134/06g

OGH12Os134/06g25.1.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Jänner 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hinterleitner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Mgr. Petr N***** wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB über die vom Generalprokurator gegen den Beschluss der Ratskammer des Landesgerichtes Linz vom 10. Juli 2006, GZ 23 Rk 56/06m-7, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Aicher, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluss der Ratskammer des Landesgerichtes Linz vom 10. Juli 2006, GZ 23 Rk 56/06m-7, verletzt das Gesetz in den Bestimmungen des § 48 Abs 1 Z 1 iVm § 91 Abs 2 StPO.

Text

Gründe:

Gegen den Rechtsanwalt und nunmehrigen Richter in Tschechien Mgr. Petr N***** langte am 10. Mai 2006 bei der Staatsanwaltschaft Linz eine Sachverhaltsdarstellung wegen des Verdachtes strafbarer Handlungen ein. Franz P***** und die G***** AG zeigten an, dass Mgr. N***** als damals praktizierender Rechtsanwalt gegenüber den Anwälten der Geschädigten „vom 18. Juli 2001 bis zum 20. Juli 2005" behauptet habe, bereits am 18. Juli 2001 eine Klage gegen die Hotelbesitzerin Libuse Z***** auf Schadenersatz in der Höhe von 120.000 S wegen des Diebstahls des Fahrzeuges des Franz P***** von einem bewachten Parkplatz eingebracht zu haben. Mit dieser Behauptung habe er Verantwortliche der G***** AG zur Zahlung eines Kostenvorschusses von 16.500 S verleitet, das Geld habe er persönlich am 31. August 2001 in Linz in Empfang genommen. In Wahrheit sei diese Klage jedoch niemals bei Gericht eingebracht worden. Telefonisch habe Mgr. Petr N***** in Abständen von mehreren Monaten wiederholt behauptet, das Verfahren wäre „im Laufen", würde sich allerdings „hinziehen". Mgr. N***** sei dann Richter geworden und habe im März oder April 2003 Dr. Herbert M***** von der G***** AG erklärt, er habe die Anwaltskanzlei an einen (der deutschen Sprache nicht mächtigen) Nachfolger übergeben, er stehe jedoch weiterhin als Ansprechpartner zur Verfügung und werde über den Verfahrensfortgang berichten. Als dies bis Ende 2004 nicht erfolgte, sei er schriftlich ersucht worden, über das Verfahren zu berichten. Nach langwieriger Korrespondenz behauptete er in einem Schreiben vom Juli 2005, dem eine Ablichtung der Klage angeschlossen war, erneut, das Verfahren sei im Laufen, verzögere sich aber, zumal die Beklagte verzogen sei.

Mit Schreiben vom 10. Oktober 2005 wurde schließlich mitgeteilt, dass niemals eine Klage eingebracht worden sei, sodass der Anspruch mittlerweile verjährt sei, weil nach tschechischem Recht die Verjährungsfrist vier Jahre betrage.

Zum Beweis des Vorbringens wurde umfangreiche Korrespondenz vorgelegt und die Einvernahme Dris. Herbert M***** als Zeuge begehrt. Die Einschreiter schlossen sich dem Verfahren als Privatbeteiligte mit dem Vorbehalt einer näheren Schadensbezifferung an (ON 1). Diese Anzeige legte die Staatsanwaltschaft Linz am 15. Mai 2006 gemäß § 90 Abs 1 StPO zurück (GZ 42 BAZ 398/06z-2). Daraufhin brachten Franz P***** und die G***** AG am 7. Juni 2006 einen Subsidiarstrafantrag wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB beim Bezirksgericht Linz ein (§ 449 StPO) und beantragten eventualiter gemäß § 48 Z 1 StPO die Einleitung der Voruntersuchung gegen Mgr. Petr N*****. Sie bezifferten den Schaden mit rund 1.500 Euro für die G***** AG und zumindest 8.720 Euro für Franz P***** (ON 5).

Das Bezirksgericht Linz forderte den Privatbeteiligtenvertreter mit Note vom 12. Juni 2006 auf, „binnen einer Woche Strafantrag zu erheben und darzulegen, ob Strafantrag nach § 146 StGB oder nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB erhoben wird" (S 1). In einem ergänzenden Schriftsatz erklärten die Privatbeteiligten, dass „ausdrücklich die Bestrafung des Beschuldigten Mgr. Petr N***** gemäß §§ 146, 147 Abs 2 StGB beantragt" werde und verwiesen auf den Subsidiarstrafantrag (ON 6). Daraufhin wurde die Abtretung des Verfahrens an das Landesgericht Linz gemäß §§ 10 Z 2, 51 Abs 1 StPO beschlossen (S 2) und der Akt dem Landesgericht Linz übermittelt.

Mit Beschluss vom 10. Juli 2006 wies die Ratskammer des Landesgerichtes Linz den Subsidiarantrag als unzulässig zurück, weil ein „konkreter Verdacht", Mgr. Petr N***** habe über den Bezug des Honorars von 16.500 S hinaus betrügerisch dadurch gehandelt, dass er sich oder die Hotelbesitzerin Libuse Z***** ungerechtfertigt bereichern wollte, nicht vorliege. Die Subsidiarwerber hätten selbst keine konkreten Anhaltspunkte dafür angeführt, dass zwischen Mgr. Petr N***** und einem wegen des PKW-Diebstahls möglicherweise haftenden Dritten (Hotelbesitzerin) ein Naheverhältnis bestand und Mgr. Petr N***** deshalb „in Bereicherungsabsicht" nicht zeitgerecht Klage eingebracht habe. Im Hinblick auf das Honorar bestehe der Verdacht des Betruges nach § 146 StGB, diese Tat sei jedoch bereits verjährt.

Am selben Tag wurde die Übermittlung des Aktes an den Einzelrichter angeordnet (S 3a), welcher die Zustellung der Entscheidung verfügte (S 39).

Rechtliche Beurteilung

Dieser Beschluss der Ratskammer des Landesgerichtes Linz steht - wie der Generalprokurator im Ergebnis zu Recht aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Nach Anzeigezurücklegung gemäß § 90 Abs 1 StPO ist der Privatbeteiligte berechtigt, die Einleitung der Voruntersuchung zu beantragen (§ 48 Abs 1 Z 1 StPO). Da dieses Korrektiv gegen das Anklagemonopol nicht „zur Schikane ausarten soll" (Fabrizy StPO9 § 48 Rz 1), ist die Verfolgung durch den Privatbeteiligten gegenüber dem Staatsanwalt erschwert und der Rechtszug beschränkt.

§ 90 StPO spricht von „genügenden Gründen", die den Staatsanwalt zu einem Antrag auf Voruntersuchung oder dem Einbringen eines strafverfolgenden Antrages (Strafantrag, Anklageschrift) veranlassen, „im entgegengesetzten Fall legt er die an ihn gelangte Anzeige mit kurzen Aufzeichnungen der ihn dazu bestimmenden Erwägungen zurück". Damit wird dem Staatsanwalt eine Abwägung dahingehend ermöglicht, ob er mangels (hinreichender) Beweise einen Schuldspruch für unwahrscheinlich hält. Insofern hat zwar auch die Ratskammer bei der Prüfung des Subsidiarantrages in eine beweiswürdigende Wertung einzutreten, doch entscheidet sie nicht über die Anklageerhebung, sondern die Einleitung einer Voruntersuchung, welcher - nach der derzeitigen Rechtslage - abklärende Funktion zukommt (§§ 91 Abs 2, 96 StPO).

Zu den Voraussetzungen der Voruntersuchung gehört ein konkreter, nicht notwendig dringender Tatverdacht (Lambauer, WK-StPO § 92 Rz 7). Ermessensentscheidungen zur Beurteilung dieses Verdachtes sind mit Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nicht zu bekämpfen, wohl aber Fehler der Begründung, die einem Nichtigkeitsgrund gleichstehen (vgl Mayerhofer StPO5 § 292 E 18).

Vorliegend wurde von den Subsidiarantragstellern die Ladung (und die Vernehmung) des Dr. Herbert M***** sowie des Verdächtigen beantragt. Diese Beweismittel sollten jedenfalls auch dazu dienen, die subjektive Tatseite abzuklären. Auf diese Beweisanbote hat die Ratskammer keine Rücksicht genommen, sondern in vorgreifender Beweiswürdigung eine „Bereicherungsabsicht" verneint, obwohl zur Verwirklichung des Tatbestandes diesbezüglich bedingter Vorsatz ausreicht. Da sie keine Untersuchung oder zumindest Erhebungen iSd § 48 Abs 1 Z 1 letzter Halbsatz StPO anordnete und die Beweismittel unbeachtet ließ, wurde durch Anlegen eines rechtlich verfehlten Prüfungsmaßstabes das Gesetz verletzt.

Darüber hinaus hätte die Ratskammer zu beachten gehabt, dass durch das vorgeworfene, von ihr in objektiver Hinsicht nicht in Zweifel gezogene Verhalten des Mgr. Petr N***** nicht nur ein Akonto für Kosten von 16.500 S betrügerisch herausgelockt, sondern durch pflichtwidrigen Nichtgebrauch einer Vollmacht - jedenfalls objektiv - eine (noch nicht verjährte) Untreue durch Unterlassung mit einem 3.000 Euro übersteigenden - in Österreich (§ 67 Abs 2 StGB) eingetretenen - Schaden nach § 153 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB verübt worden sein könnte. Zu dieser geänderten rechtlichen Beurteilung bedurfte es im Subsidiarantrag keines ausdrücklichen Vorbringens, sodass dieser auch aus den zuletzt angeführten Gründen nicht hätte zurückgewiesen werden dürfen.

Da sich die gegenständlichen Gesetzesverletzungen zum Vorteil des Beschuldigten auswirken, waren sie lediglich festzustellen.

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