OGH 13Os137/06f

OGH13Os137/06f24.1.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Jänner 2007 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz und Dr. Schwab, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Mag. Lendl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Brandstetter als Schriftführerin, im Verfahren zur Unterbringung des Michael L***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Salzburg vom 26. September 2006, GZ 38 Hv 130/06m-56, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Ausspruch über die Begehung der zu 1. genannten Anlasstat und deren Subsumtion als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB unberührt bleibt, im Wahrspruch hinsichtlich der zu 2. genannten Anlasstat und dem darauf beruhenden Urteilsausspruch über die Begehung dieser Tat und deren Subsumtion als Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 dritter Fall StGB sowie in der Unterbringungsanordnung aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Geschworenengericht beim Landesgericht Salzburg verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Betroffene auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des Michael L***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet, weil er unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruhte, nämlich einer paranoiden Psychose, das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB (1) und das Verbrechen des schweren Raubes nach § 142 Abs 1, 143 zweiter SatzStGB begangen habe, indem er in Z*****

1. am 16. Jänner 2006 Marko B***** durch die Äußerung, er bringe ihn um, gefährlich mit dem Tod bedrohte, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen und

2. am 21. Dezember 2005 Günther D***** dadurch, dass er ihn zu Boden riss, mit den Fäusten auf den Kopf und andere Körperpartien schlug und anschließend mit den Füßen auf den am Boden liegenden Günther D***** eintrat, sohin mit gegen ihn gerichteter Gewalt, 500 Euro wegnahm, wobei die Gewaltanwendung eine schwere Körperverletzung des Günther D***** in Form eines Monokelhämatoms, multipler Rissquetschwunden und eines unverschobenen Brustbeinbruches zu Folge gehabt habe.

Rechtliche Beurteilung

Der aus Z 4, 6 und 10a des § 345 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen kommt teilweise Berechtigung zu.

Während § 430 Abs 3 StPO ausdrücklich die Anwesenheit eines Verteidigers „während der ganzen Hauptverhandlung" verlangt, begnügt sich die Vorschrift des § 430 Abs 4 StPO damit, die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Psychiatrie anzuordnen. Aus dieser Differenzierung folgt, dass die aus Z 4 gerügte Abwesenheit des Univ. Prof. Dr. M***** nach Erstattung seines Gutachtens (S 363) für sich allein Nichtigkeit aus Z 4 nicht zur Folge hat (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 260; vgl insoweit auch Medigovic, WK-StPO § 430 Rz 6). Einen Antrag, den Sachverständigen zur weiteren Anwesenheit zu veranlassen, haben der Betroffene oder sein Verteidiger nicht gestellt.

Gegenstand von Eventualfragen im Sinn des § 314 Abs 1 dritter Fall oder Abs 2 StPO ist ein von jenem der Hauptfrage(n) abweichendes Tatgeschehen, welches - rechtlich konsequent - die Subsumtion des Prozessgegenstandes unter eine oder mehrere andere als jene strafbaren Handlungen zur Folge hätte, auf die sich die Hauptfragen bezogen. Aus Z 6 prozessförmig vorgebrachte Kritik am Unterlassen von Eventualfragen muss sich demnach neben der Nennung jener strafbaren Handlungen, nach denen eventualiter gefragt hätte werden sollen, auf ein solches Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung berufen (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 43).

Der Beschwerdeführer rügt das Unterlassen einer Eventualfrage nach Diebstahl mit der Begründung, er habe stets zugestanden, Günther D***** einen 500-Euro-Schein aus der Hand gerissen und in seine Hosentasche gesteckt zu haben.

Allein damit behauptet er jedoch kein gegenüber der gestellten Hauptfrage abweichendes Tatsachensubstrat, lautete diese doch: „Ist Michael Kaspar L***** schuldig, am 21. Dezember 2005 in Z***** Günther D***** dadurch, dass er ihm einen 500-Euro-Schein so kräftig aus der Hand gerissen habe, dass das Papier einriss, und er diesen Schein dann in seine Hosentasche gesteckt habe, während Günther D***** ihn unverzüglich aufgefordert habe, das Geld zurückzugeben, der Betroffene aber - ohne zu antworten - Günther D***** mit den Händen an den Oberarmen erfasst, zu Boden gerissen, anfänglich mit den Fäusten auf den Kopf und andere Körperpartien geschlagen und anschließend mit den Füßen auf den am Boden liegenden Günther D***** eingetreten habe, somit mit Gewalt gegen eine Person, fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch Zueignung des 500-Euro-Scheines unrechtmäßig zu bereichern, wobei die Gewaltanwendung eine schwere Körperverletzung des Günther D***** in Form eines Monokelhämatoms, mehrfachen Rissquetschwunden und eines unverschobenen Brustbeinbruches zur Folge gehabt habe?"

Auf Indizien für bloßen Diebstahlsvorsatz beim Wegreissen des Geldes aber beruft sich die Fragenrüge nicht.

Deutlich genug ist der Nichtigkeitsbeschwerde jedoch auch eine Rüge des Inhalts zu entnehmen, dass eine Eventualfrage nach schwerer Körperverletzung gemäß §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB unterlassen wurde. Diese war mit Blick auf die fehlenden Bereicherungsvorsatz indizierenden Angaben sowohl des Betroffenen selbst (S 351) als auch der Zeugen K***** (S 369 ff) und D***** (S 379) erforderlich. Unter dem in §§ 313, 314 Abs 1 und 316 StPO verwendeten Begriff des „Vorbringens" von Tatsachen ist nämlich nichts anderes zu verstehen als das Vorkommen einer erheblichen Tatsache in der Hauptverhandlung, einer Tatsache also, die, wäre sie im schöffengerichtlichen Verfahren vorgekommen, bei sonstiger Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO erörterungsbedürftig gewesen wäre (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 42).

Die in der unterlassenen Fragestellung nach schwerer Körperverletzung liegende Nichtigkeit (Z 6) führt bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§§ 344, 285e erster SatzStPO) zur Aufhebung des Wahrspruchs hinsichtlich zu 2. genannten Anlasstat und des darauf beruhenden Urteilsausspruchs über die Begehung dieser Tat und deren Subsumtion als Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 dritter Fall StGB sowie zur Aufhebung der davon abhängigen Unterbringungsanordnung (Ratz, WK-StPO § 289 Rz 7) samt Rückverweisung an das Erstgericht (§ 349 Abs 1 StPO), ohne dass es eines Eingehens auf die nur gegen den Ausspruch über die zu 2. genannte Anlasstat gerichtete Tatsachenrüge (Z 10a) bedarf. Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO).

Sollte die Unterbringung des Betroffenen erneut angeordnet werden, werden bei sonstiger Nichtigkeit aus Z 13 zweiter Fall auch die erforderlichen Feststellungen zur sogenannten Prognosetat zu treffen sein (vgl dazu Ratz, WK-StPO § 281 Rz 715 ff).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte