OGH 13Os105/06z

OGH13Os105/06z24.1.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Jänner 2007 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Dr. Schwab, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Mag. Lendl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Brandstetter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Chidi A***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Schöffengericht vom 22. März 2006, GZ 11 Hv 137/05v-28, nach Anhörung der Generalprokuratur und Einholung einer Äußerung (§ 35 Abs 2 StPO) in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Chidi A***** des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in der Nacht vom 5. auf den 6. Juni 2003 in Attnang-Puchheim mit einer unmündigen Person, nämlich der am 16. Juni 1990 geborenen Hanna M*****, den Beischlaf und eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, „indem er zunächst mit einem Finger und in weiterer Folge teilweise mit seinem Penis in die Scheide der Unmündigen eingedrungen ist".

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Nichtaufnahme der beantragten Beweise Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verkürzt. Der in der Hauptverhandlung vom 30. November 2005 gestellte (und in derselben Hauptverhandlung abgewiesene; S 141) Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Glaubwürdigkeit der Zeugin Hanna M***** (S 139) wurde in der gemäß § 276a StPO neu durchgeführten Hauptverhandlung vom 22. März 2006 nicht neuerlich gestellt und war somit unbeachtlich (Danek, WK-StPO § 238 Rz 4; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 310). Im Übrigen kommt die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Glaubwürdigkeit eines Zeugen nur ausnahmsweise, etwa bei - hier nicht vorliegenden - Entwicklungsstörungen oder geistigen Defekten unmündiger oder jugendlicher Zeugen in Betracht (15 Os 8/06z; WK-StPO § 281 Rz 350). Der Antrag auf Durchführung eines Lokalaugenscheins im Haus *****, zum Beweis dafür, dass es wegen einer knarrenden Holzstiege nicht möglich sei, ungehört den ersten Stock des Hauses zu betreten und am ehelichen Schlafzimmer vorbeizugehen, und dass die wach im ehelichen Schlafzimmer liegende Zeugin Dr. Ursula A***** den Angeklagten jedenfalls bemerkt hätte, wenn er das Schlafzimmer der Hanna M***** betreten hätte, wurde vom Schöffengericht zu Recht - wenn auch entgegen § 238 Abs 2 StPO ohne sofortige Begründung (S 177) - abgewiesen. Abgesehen davon, dass ein Lokalaugenschein im Jahr 2006 keine verlässlichen Rückschlüsse auf den Zustand der Treppe im Jahr 2003 ermöglichen würde, waren die Tatrichter nicht verhalten, einen Beweis aufzunehmen, für dessen Erheblichkeit die Richtigkeit der vom Gerichtshof erkennbar als unglaubwürdig (US 13 f) erachteten Aussage dieser Zeugin, sie sei die ganze Nacht wach gelegen, Voraussetzung wäre (WK-StPO § 281 Rz 342; Mayerhofer/Hollaender StPO5 § 281 Z 4 E 67).

Das Vorbringen der Mängelrüge (Z 5), die Zeugen S*****, H***** und P***** seien nicht objektiver als die Zeugin Dr. Ursula A*****, diese aber habe den Angeklagten entlastet, weshalb in dubio ein Freispruch zu fällen gewesen wäre, schließlich sei es nicht nachvollziehbar, warum die Geschwister der Hanna M***** nichts gehört hätten, bekämpft mit spekulativen Beweiswerterwägungen und eigenständigen Glaubwürdigkeitseinschätzungen lediglich die Beweiswürdigung des Erstgerichtes, ohne einen formellen Begründungsmangel aufzeigen zu können.

Die weitere Argumentation, die Angaben des Angeklagten und der Zeugin A***** seien vollkommen außer Acht gelassen worden, übergeht die diesbezügliche ausführliche Beweiswürdigung der Tatrichter (US 4 ff, 13 f).

Eine Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) erblickt die Nichtigkeitsbeschwerde in dem Umstand, dass das Erstgericht als Tatzeitpunkt die Nacht vom 5. auf den 6. Juni 2003 festgestellt habe, obwohl sich aus den Aussagen der Zeuginnen Dr. Ursula A***** sowie Hanna und Regina M***** ergebe, dass die fraglichen Pfingstfeiertage im Jahre 2003 nicht auf dieses Datum fielen. Aktenwidrigkeit liegt jedoch nur vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinem wesentlichen Teil unrichtig oder unvollständig wiedergibt (WK-StPO § 281 Rz 467), nicht aber, wenn die Tatrichter aus den vorhandenen Beweismitteln dem Rechtsmittelwerber unrichtig erscheinende Schlüsse ziehen. Zudem wurde die Tat im Hinblick auf die sonstigen Tatumstände ausreichend individualisiert.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) wiederholt im Wesentlichen das zu Z 5 erstattete Vorbringen, bewertet das Verhalten der Regina M***** im Hinblick auf die von ihr behaupteten Übergriffe des Angeklagten als nicht nachvollziehbar und ergeht sich in Spekulationen über das Verhalten von „Triebtätern". Damit gelingt es ihr nicht, erhebliche Bedenken des Obersten Gerichtshofes an der Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken, zumal die Tatrichter ihre Feststellungen insbesonders auch auf die die Angaben der Regina M***** stützenden Aussagen der Zeugen S*****, H***** und P***** gründen konnten.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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