Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet. Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil im Ausspruch über die Einziehung der sichergestellten SIM-Karten aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen. Dem Angeklagten fallen auch die auf sein Rechtsmittel entfallenden Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Braima Z***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG (A./) sowie des Vergehens nach § 28 Abs 1 SMG (B./) schuldig erkannt. Danach hat er in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG),
A./ nämlich Heroin und Kokain mit jeweils zumindest durchschnittlichem Wirkstoffgehalt überwiegend gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt, indem er von November 2003 bis 20. August 2005 insgesamt zumindest 2819,1 Gramm Heroin und 14 Gramm Kokain den im Urteil genannten und weiteren unbekannten Abnehmern verkaufte und überließ, wobei er die Taten in Beziehung auf ein Suchtgift beging, dessen Menge mehr als das 25-fache der Grenzmenge ausmacht (US 18); B./ nämlich ca 78,7 Gramm Heroin netto mit einer Reinsubstanz von 6,2 +/- 0,5 Gramm Heroinbase und ca 0,4 Gramm Monoazethylmorphinbase am 20. August 2005 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Ibra G***** und Saico B***** mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Sie verfehlt ihr Ziel.
Ausgehend von der Verantwortung des Angeklagten, er habe erst ab 18. Mai 2005 Suchtgift in Verkehr gesetzt, davor sei er über einen längeren Zeitraum nicht in Wien gewesen, bekämpft die Rüge im Wesentlichen die Feststellungen des Erstgerichtes betreffend Suchtgiftverkäufe bis zu diesem Zeitpunkt, ohne jedoch Widersprüche, eine Unvollständigkeit oder eine offenbar unzureichende Begründung aufzeigen zu können (Z 5).
Das Erstgericht hat sich nämlich mit der Verantwortung des Angeklagten eingehend auseinandergesetzt und unter Bezugnahme auf dessen Einlassung vor dem Untersuchungsrichter (S 7/II) und die Aussagen der Zeugen K*****, B*****, L*****, W*****, P***** und M***** begründet dargelegt, warum es zwar davon ausging, der Angeklagte sei eine Zeit lang für seine Käufer nicht erreichbar gewesen (US 14), aber keine Abwesenheit in der von ihm angegebenen Dauer annahm (US 12 ff). Es ging dabei auch auf Unsicherheiten und Ungenauigkeiten in den Zeitangaben der vernommenen Zeugen ein (US 13).
Im Einzelnen: Der zu Urteilsfaktum A. 1. festgestellte Tatzeitpunkt November/Dezember 2003 steht weder zur Tatsache, dass sich der Angeklagte bis 3. November 2003 in Haft befand, noch zur Aussage des Zeugen W*****, er habe diesen im Herbst 2003 kennengelernt (S 211/X), in Widerspruch.
Die hinsichtlich der Zeugen K***** und F***** angenommenen Übergabezeiträume (A. 2. und A. 3.) finden - entgegen der bloß Teile der Aussagen zitierenden Beschwerde - in den Angaben dieser Zeugen Deckung, gaben diese doch nur ungefähre Zeiträume an (S 95, 99/X). Dem weiteren Vorbringen zuwider hat der Zeuge M***** einen Beginn der Suchtgiftkäufe im Jänner 2004 in der Hauptverhandlung dezidiert ausgeschlossen (S 123/X).
Die Unsicherheiten des Zeugen M***** bezüglich des Erwerbszeitraumes wurden im Urteil gar wohl erörtert (US 14 f), wobei die Tatrichter darlegten, weshalb sie von einem diesbezüglichen Irrtum des Zeugen ausgingen. Dasselbe trifft für die Angaben der Zeugen F***** und A***** zu (US 14). Die diesen von der Beschwerde zugeschriebene Äußerung, sie hätten den Angeklagten im Jahr 2004 nicht gesehen, findet überdies im Akt keine Deckung (S 103, 107/X). Zwischen den Angaben des Zeugen W*****, er habe vom Angeklagten im November 2003 drei Gramm Heroin und ab Februar 2005 80 Gramm Heroin gekauft, besteht kein Widerspruch.
Die von den Tatrichtern den Feststellungen zugrundegelegten Angaben des Zeugen B***** über seinen Suchtgiftkonsum, wonach er zwei „Kugeln" pro Tag beim Angeklagten gekauft, aber auch von anderen Lieferanten Suchtgift bezogen habe, sind - der Beschwerde zuwider - sehr wohl mit den Denkgesetzen in Einklang zu bringen. Soweit die Beschwerde schließlich vorbringt, bei den Feststellungen zum Urteilsfaktum B./ wäre von der Aussage des Angeklagten auszugehen gewesen, wird damit ein formeller Begründungsmangel nicht dargestellt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde folgt (§ 285i StPO).
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof allerdings davon überzeugt, dass das Gesetz bei der Einziehung der sichergestellter SIM-Karten unrichtig angewendet worden ist (§§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall, 285e erster Satz, 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).
Einziehung setzt nämlich nach § 26 Abs 1 StGB voraus, dass diese vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit der betroffenen Gegenstände geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen durch den Täter selbst oder durch andere Personen entgegenzuwirken. Dabei spricht das Wort „geboten" die Deliktstauglichkeit des Gegenstandes an (Ratz in WK2 § 26 Rz 6, 12). Von einer besonderen Deliktstauglichkeit von SIM-Karten kann in aller Regel nicht die Rede sein. Eine Ausnahme ist für den Fall denkbar, dass darauf gefährliche Daten, etwa sonst nicht zugängliche Adressen von Suchtgiftabnehmern oder -lieferanten, gespeichert sind oder die Erreichbarkeit des Täters für diese Personengruppen von der mit der SIM-Karte untrennbar verbundenen Telefonnummer abhängt. Feststellungen dazu wurden aber nicht getroffen (Ratz, WK-StPO § 285i Rz 4).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO. Kosten für das amtswegige Einschreiten des Obersten Gerichtshofes fallen dem Angeklagten nicht zur Last.
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