OGH 15Os111/06x

OGH15Os111/06x12.12.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2006 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Brandstetter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Werner-Umut Ö***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Timur A***** sowie die Berufungen der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten Timur A*****, Kambiz D*****, Khusrow M***** und Sabaoon S***** und des Angeklagten Sabaoon S***** gegen das Urteil des Jugendgeschworenengerichts beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 10. Mai 2006, GZ 444 Hv 1/06p-174, und die Beschwerde des Angeklagten Timur A***** gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss (§ 494a Abs 1 Z 4 StPO) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Timur A***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auch Schuldsprüche anderer Angeklagter enthaltenden angefochtenen Urteil wurde Timur A***** mehrerer Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB, in einigen Fällen als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB (A.AA.I.3, B.I. und II.), sowie des Verbrechens des Raubes als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1 StGB (B.IV.) schuldig erkannt. Danach hat er in Wien

A. Nachgenannten mit Gewalt gegen eine Person oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen oder abgenötigt, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, AA. unter Verwendung einer Waffe

I. im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB), und zwar

3. mit Maiwand M***** am 12. November 2005 Verfügungsberechtigten der J***** in *****, 1.600 Euro, indem sie Rudolf P***** mit Faustfeuerwaffen bedrohten und die Übergabe von Bargeld forderten;

B. zur Ausführung einer strafbaren Handlung beigetragen, und zwar

I. mit Werner-Umut Ö***** zu der unter A.AA.I.1.b angeführten Tat, bei der Kambiz D*****, Khusrow M***** und Sabaoon S***** im bewusstem und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) am 24. November 2005 Verfügungsberechtigten eines Wettlokals 820 Euro mit Gewalt gegen eine Person oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) mit dem Vorsatz wegnahmen oder abnötigten, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie den Angestellten Sdamir B***** mit Faustfeuerwaffen bedrohten und Bargeld forderten, indem sie den Tatplan gemeinsam mit Kambiz D*****, Khusrow M***** und Saboon S***** besprachen, den Tatort aussuchten, Timur A***** drei Faustfeuerwaffen mitbrachte und sie die Fluchtfahrzeuge lenkten;

II. zu der unter A.AA.I.1.c angeführten Tat,

bei der Kambiz D*****, Khusrow M***** und Sabaoon S***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) am 25. November 2005 Verfügungsberechtigetn eines Wettlokales 5.349 Euro und dem Angestellten Ivan P***** eine Kellnerbrieftasche im Wert von 73 Euro mit Gewalt gegen eine Person oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) mit dem Vorsatz wegnahmen oder abnötigten, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie den Angestellten und den Kunden Radovan R***** mit Faustfeuerwaffen bedrohten und Bargeld forderten,

indem er den Tatplan gemeinsam mit Kambiz D*****, Khusrow M***** und Sabaoon S***** besprach, den Tatort aussuchte, die Faustfeuerwaffen mitbrachte und das Fluchtfahrzeug lenkte;

IV. mit Werner-Umut Ö***** zu der unter A.BB. angeführten Tat, bei der Eldin B***** am 27. Oktober 2005 Verfügungsberechtigten einer Filiale der Firma B***** 8.342 Euro mit Gewalt gegen eine Person oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) mit dem Vorsatz wegnahm oder abnötigte, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er den Angestellten Sascha I***** mit einer Spielzeugpistole bedrohte, indem sie den Tatplan gemeinsam mit Eldin B***** besprachen, Werner-Umut Ö***** einen Lieferanteneingang bei der Firma B***** offen ließ, während Timur A***** Eldin B***** zum Tatort führte, Aufpasserdienste leistete und anschließend das Bargeld übernahm. Die Geschworenen hatten die entsprechenden Hauptfragen bejaht.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten Timur A***** aus den Gründen der Z 6 und 13 des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel. Unter dem zuerst genannten Nichtigkeitsgrund bringt der Angeklagte vor, es fehle dem in den Fragen an die Geschworenen verwendeten Begriff „Faustfeuerwaffen" an einem „ausreichenden konkretisierenden Tatsachensubstrat".

Der Einwand ist nicht stichhältig.

Schuldfragen (§§ 312, 314 ff StPO) sind stets auf ein konkretes historisches Geschehen zu beziehen. Wären sie dem zuwider unter substratlosem Gebrauch von verba legalia formuliert worden, so würde der Wahrspruch (die an die Geschworenen gestellten Fragen und die Antworten der Geschworenen) nicht jenes Tatsachensubstrat enthalten, das für Strafbarkeit und Subsumtion entscheidend ist (RIS-Justiz RS0119082, RS0100780; vgl Ratz, WK-StPO § 345 Rz 40 f). Davon kann aber hier keine Rede sein. Der in den Fragen gebrauchte Begriff „Faustfeuerwaffe" weist, mag er auch in § 3 WaffG für eine waffenrechtliche Definition verwendet werden, nach allgemeinem Sprachgebrauch einen - die Subsumtion übrigens tragenden - Tatsachengehalt auf (vgl RIS-Justiz RS0114319), der jedoch in der Beschwerde in Abrede gestellt wird. Eine Fragestellungsrüge hat sich aber auf den gesamten in den Fragen angeführten Sachverhalt zu beziehen (RIS-Justiz RS0108727). Indem sie daran vorbeigeht, verfehlt sie den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt.

In der Sanktionsrüge (Z 13) beanstandet der Beschwerdeführer die Heranziehung der Erschwerungsgründe eines Rückfalls in offener Probezeit bei gleichzeitigem Widerruf einer bedingten Strafnachsicht sowie der bei einem Angriff gegebenen Alkoholisierung. Damit wird jedoch keine offenbar unrichtige Beurteilung für die Strafbemessung entscheidender Tatsachen aufgezeigt. Nach gefestigter jüngerer Rechtsprechung stellt die erschwerende Wertung von Delinquenz während offener Probezeit bei unter einem erfolgtem Widerruf einer bedingten Nachsicht oder bedingten Entlassung keinen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 32 Abs 2 StGB dar, weil diese Delinquenz keine die Strafdrohung mitbestimmende Tatsache ist (15 Os 129/04, 11 Os 88/05h, 12 Os 150/05h).

Indem das Geschworenengericht hinsichtlich des am 12. November 2005 begangenen Raubes (A.AA.I.3.) zum einen die Enthemmung des Angeklagten als mildernd, zum anderen den durch den Konsum „solcher Mengen" Alkohol bewirkten Vorwurf als erschwerend bei der Strafbemessung in Anschlag brachte, nahm es exakt die ihm durch § 35 StGB aufgetragene Wertung vor (grundlegend Ebner in WK2 § 35 Rz 2). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde folgt (§§ 344, 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten Timur A***** beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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