Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Werner G***** und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen dieses Angeklagten wegen der Verbrechen des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB (A II 1 des Urteilssatzes) und der versuchten Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach §§ 15, 241e Abs 1 erster Satz und Abs 2 erster Fall StGB (A II 2) sowie in der rechtlichen Unterstellung der zu A II 3 beschriebenen Tat unter § 241e Abs 2 erster Fall StGB, demgemäß auch in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Werner G***** im Übrigen und die Nichtigkeitsbeschwerde der Anneliese S***** werden zurückgewiesen. . Zur Entscheidung über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten Anneliese S***** gegen den diese Angeklagte betreffenden Strafausspruch werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Mit ihren gegen den Strafausspruch über Werner G***** gerichteten Berufungen werden dieser Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Den beiden Angeklagten fallen auch die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch einen unangefochten gebliebenen Schuldspruch der Angeklagten Daniela G***** enthält, wurden die Angeklagten Werner G***** und Anneliese S***** jeweils des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (Punkt B des Urteilssatzes), Anneliese S***** zudem des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB (C) und Werner G***** darüber hinaus der Verbrechen des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB (A I 1), der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 erster Satz und Abs 2 erster Fall StGB (A I 2 und A II 3), der versuchten Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach §§ 15, 241e Abs 1 erster Satz und Abs 2 erster Fall StGB (A II 2) und des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB (A II 1) sowie der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (A I 3 und A II 4) und der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB (A I 4 und A II 5) schuldig erkannt.
Danach haben, soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Bedeutung, Werner G***** und Anneliese S***** am 30. Oktober 2005 in Linz, und zwar
(A II) Werner G*****
1) dadurch, dass er Gerhard W***** bedrängte, ihm mehrere Stöße mit der Hand versetzte, ihn schließlich zu Boden warf und mit ihm „rangelte", während er versuchte, die Geldbörse seines Opfers aus dessen Hosentasche zu ziehen, durch Gewalt gegen eine Person, fremde bewegliche Sachen, nämlich den von Gerhard W***** bei sich geführten Bargeldbetrag in der Höhe von etwa 90 EUR, diesem mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen versucht;
2) durch diese Tat gewerbsmäßig die in der Geldbörse befindliche Bankomatkarte Gerhard W*****s, sohin ein unbares Zahlungsmittel, über das er nicht verfügen durfte, sich mit dem Vorsatz zu verschaffen versucht, dass er durch dessen Verwendung im Rechtsverkehr, nämlich durch die Behebung von Geldbeträgen vom Konto Gerhard W*****s, unrechtmäßig bereichert werde;
3) durch die unter Punkt B geschilderte Tat gewerbsmäßig die in der Geldbörse befindliche Bankomatkarte Gerhard W*****s, sohin ein unbares Zahlungsmittel, über das er nicht verfügen durfte, sich mit dem Vorsatz verschafft, dass er durch dessen Verwendung im Rechtsverkehr, nämlich durch die Behebung von Geldbeträgen vom Konto Gerhard W*****s, unrechtmäßig bereichert werde;
4) im Anschluss an die unter Punkt B geschilderte Tat in der Geldbörse Gerhard W*****s befindliche Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, nämlich einen Staplerschein und einen Zulassungsschein des Geschädigten, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis der durch sie beurkundeten Rechte und Tatsachen gebraucht werden, indem er sie in einen Mülleimer warf;
5) im Anschluss an die unter Punkt B geschilderte Tat Gerhard W***** dadurch geschädigt, dass er fremde bewegliche Sachen, nämlich die genannte Geldbörse sowie eine darin befindliche E-Card des Geschädigten, aus dessen Gewahrsam dauernd entzog, ohne die Sachen sich oder einen Dritten zuzueignen, indem er diese Gegenstände in einen Mülleimer warf; und
(B) Werner G***** und Anneliese S***** zusammen mit der rechtskräftig verurteilten Mitangeklagten Daniela G***** im Anschluss an die unter den Punkten A II 1 und 2 geschilderten Taten dadurch, dass Werner G***** Gerhard W***** neuerlich attackierte, ihm einen Stoß und Faustschläge versetzte, ihn in den „Schwitzkasten" nahm und zu Boden warf, Anneliese S***** das Opfer festhielt und ihm einen Fußtritt versetzte sowie Daniela G***** die Gerhard W***** aus der Hosentasche gerutschte Geldbörse an sich nahm und vom Tatort verbrachte, sohin durch Gewalt gegen eine Person, fremde bewegliche Sachen, nämlich den von Gerhard W***** bei sich geführten Bargeldbetrag in der Höhe von etwa 90 EUR diesem mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil bekämpfen die Angeklagten Werner G***** und Anneliese S***** jeweils mit Nichtigkeitsbeschwerde, welche der Erstgenannte auf die Gründe der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO, Anneliese S***** auf jene der Z 5a und 10 leg cit stützt.
Vorab ist festzuhalten, dass den Schuldsprüchen des Angeklagten Werner G***** wegen der Verbrechen des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB (A II 1) und der versuchten Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach §§ 15, 241e Abs 1 erster Satz und Abs 2 erster Fall StGB (A II 2) die von der Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme aufgezeigten materiellen Beurteilungsfehler (Z 9 lit a) anhaften, welche, da sie von der Verteidigung nicht releviert wurden, von Amts wegen wahrzunehmen sind.
Es trifft nämlich zu, dass die Urteilsfeststellungen nicht hinreichend deutlich erkennen lassen, dass die versuchten - fehlgeschlagenen - Straftaten (A II 1 und A II 2) auf einem gegenüber den als rechtlich selbständig gewerteten vollendeten Taten (A II 3 und B) gesonderten Willensentschluss des Angeklagten beruhten, was aber für die Beurteilung als rechtlich selbständige strafbare Handlungen notwendige Voraussetzung wäre. Wäre nämlich beim Angeklagten insgesamt (nur) ein einheitlicher, auf die Vollendung der jeweiligen Delikte ausgerichteter Willensentschluss vorgelegen, käme eine Verurteilung wegen der hier in Rede stehenden Versuche nicht in Betracht, weil diese gegenüber der späteren Vollendung subsidiär wären (Ratz in WK² Vorbem zu §§ 28-31 Rz 41 ff, Mayerhofer StGB5 § 28 E 72 ff).
Bereits dieser Mangel an Feststellungen erfordert die Aufhebung der davon betroffenen Schuldsprüche und insoweit die Anordnung einer Verfahrenserneuerung (§ 288 Abs 1 Z 3 StPO), weshalb die weiters hiezu aus Z 5 vorgebrachten Beschwerdeeinwendungen auf sich beruhen können. Gleichwohl sei angemerkt, dass die Urteilsannahme, der Beschwerdeführer habe die Bankomatkarte gewerbsmäßig zu entfremden versucht, unbegründet geblieben ist (Z 5 vierter Fall) und die Aussage des für glaubwürdig befundenen Zeugen Gerhard W***** (US 12), wonach er nur einem - zur Wegnahme seiner Geldbörse führenden - Angriff ausgesetzt gewesen sei (S 275 ff), erörterungsbedürftig gewesen wäre (Z 5 zweiter Fall).
Im Recht ist der Angeklagte Werner G***** mit seiner unter dem Aspekt des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 5 StPO vorgetragenen Kritik an der für den Schuldspruch A II 3 entscheidenden Feststellung der Gewerbsmäßigkeit der Bankomatkartenentfremdung (US 9), blieb doch die konstatierte Absicht, der Beschwerdeführer habe mit dem Ziel gehandelt, sich auch in Hinkunft aus der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel eine fortlaufende Einnahmequelle zu erschließen, gänzlich unbegründet (Z 5 vierter Fall). Der Qualifikationsausspruch nach § 241e Abs 2 erster Fall StGB und die diesem Ausspruch zu Grunde liegende Feststellung waren deshalb ebenfalls aufzuheben und es war auch in diesem Umfang dem Erstgericht die neue Verhandlung und Entscheidung aufzutragen.
Der nicht gerügte Umstand, dass das der Wegnahme nachfolgende Wegwerfen von E-Cards rechtsirrig als Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB (siehe Urteilspunkte A I 4 sowie A II 5) und nicht - zufolge des Urkundencharakters solcher Karten (12 Os 42/06b) - als Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (siehe Urteilspunkte A I 3 sowie A II 4) subsumiert wurde, wirkte sich hier nicht nachteilig aus, weshalb es diesbezüglich einer Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO nicht bedarf.
Der Nichtigkeitsbeschwerde des Werner G***** kommt im Übrigen und jener der Anneliese S***** zur Gänze keine Berechtigung zu. Zum erfolglosen Teil der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Werner G*****:
Der Beschwerde (Z 5) zuwider gründete das Schöffengericht die Konstatierungen zur Mittäterschaft dieses Angeklagten beim Raub (Schuldspruch B) formal mängelfrei auf die Aussage der Mitangeklagten Daniela G***** in der Hauptverhandlung, welche es insbesondere angesichts der Übereinstimmung mit früheren Angaben für glaubwürdig hielt. Mit dem Hinweis auf mögliche Selbstschutzbehauptungen der Genannten deshalb, weil sie auch im Vorverfahren nicht als Zeugin, sondern als Beschuldigte vernommen worden sei, zeigt der Beschwerdeführer keine formellen Begründungsmängel auf, sondern kritisiert lediglich die Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit der belastenden Angaben nach Art einer im Nichtigkeitsverfahren nicht vorgesehenen und daher unzulässigen Schuldberufung. Auch das Vorbringen zur Tatsachenrüge (Z 5a) ist nicht geeignet, erhebliche Bedenken an der Richtigkeit der für die nicht aufgehobenen Schuldsprüche entscheidenden Tatsachenfeststellungen zu erwecken.
Die Behauptung, der Strafregisterauszug Werner G*****s hätte zur Strafbemessung nicht herangezogen werden dürfen, weil der Angeklagte einem Vortrag des wesentlichen Inhalts dieses Aktenstücks durch den Vorsitzenden nach § 252 Abs 2a StPO nicht zugestimmt hat (siehe jedoch das im Übrigen nicht mit einem Antrag nach § 271 Abs 7 StPO in Frage gestellte Hauptverhandlungsprotokoll S 281), spricht keine entscheidende, nämlich für die Unterstellung der Tat unter das Strafgesetz oder die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes maßgebliche, Tatsache an.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Anneliese S*****:
In der Tatsachenrüge (Z 5a) bestreitet die Angeklagte unter Hervorhebung einer aus dem Zusammenhang gelösten Passage (S 276) der Aussage des Gerhard W***** - der eine Beteiligung der Beschwerdeführerin an der Raubtat sehr wohl bekundete (S 275) - die Zuverlässigkeit der belastenden Angaben der Daniela G***** zur Mittäterschaft der Anneliese S***** am Raub und versucht solcherart ihrer - vom Schöffensenat mit plausibler Begründung abgelehnten - leugnenden Verantwortung (US 11 f) im Rechtsmittelverfahren zum Durchbruch zu verhelfen. Solcherart werden jedoch sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden Urteilsannahmen nicht dargetan. Ob dem vollendeten Raub auch ein versuchter Angriff vorausgegangen ist, ist dem weiteren Vorbringen zuwider im Fall der Angeklagten Anneliese S***** ohne Relevanz.
Die Subsumtionsrüge (Z 10) hinwieder, welche bloß die der Beurteilung erheblicher Gewaltanwendung zu Grunde liegenden Urteilsannahmen zum „ganz erheblich alkoholisierten Zustand des Opfers" (US 13 f) in Frage stellt und darauf die Forderung nach einem Schuldspruch „nur" wegen minderschweren Raubes nach § 142 Abs 2 StGB stützt, unterlässt das für eine prozessordnungskonforme Ausführung des geltend gemachten materiellen Nichtigkeitsgrundes unbedingt erforderliche strikte Festhalten am gesamten Urteilssachverhalt und den ausschließlich auf dessen Basis geführten Nachweis, dass bei der Beurteilung ein Rechtsirrtum unterlaufen ist.
Während daher in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Werner G***** und aus deren Anlass mit einer Teilaufhebung des diesen betreffenden Schuld- und Strafausspruches und der Anordnung der Verfahrenserneuerung im Umfang der Aufhebung vorzugehen war, waren seine Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen sowie jene der Angeklagten Anneliese S***** teils als nicht gesetzesgemäß ausgeführt, teils als offenbar unbegründet zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Soweit die Rechtsmittelanträge beider Angeklagter, über die konkret angeführten Beschwerdepunkte hinausgehend, jeweils auf die Aufhebung der gesamten Schuldsprüche abzielen, waren die Nichtigkeitsbeschwerden ferner mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung der angeblich Nichtigkeit bewirkenden Umstände zurückzuweisen (§ 285 Abs 1 iVm § 285a Z 2 StPO).
Mit seiner Berufung war der Angeklagte Werner G***** ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung hinsichtlich dieses Angeklagten auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen. Zur Entscheidung über die den Strafausspruch über die Angeklagte Anneliese S***** betreffenden Berufungen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft ist das Oberlandesgericht Linz zuständig (§ 285i StPO). Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.
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