OGH 15Os88/06i

OGH15Os88/06i9.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. November 2006 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bussek als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Werner K***** und eine Angeklagte wegen des im Versuchsstadium verbliebenen Verbrechens nach §§ 15 StGB, 28 Abs 2 vierter Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Werner K***** und Alexandra Ki***** gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 7. März 2006, GZ 15 Hv 94/05h-26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das hinsichtlich Alexandra Ki***** auch einen Ausspruch über die Abschöpfung der Bereicherung und hinsichtlich beider Angeklagter rechtskräftige Teilfreisprüche enthält, wurden Werner K***** und Alexandra Ki***** (richtig:) der in der Entwicklungsstufe des Versuches verbliebenen Verbrechen nach §§ 15 StGB, 28 Abs 2 vierter Fall SMG (I 1), Werner K***** (richtig:) der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (I 2), Alexandra Ki***** der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 Z 2 erster Fall SMG (I 3) sowie (richtig:) der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster, zweiter und sechster Fall, Abs 2 Z 2 erster Fall SMG (I 4) und Werner K***** des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 (§ 17 Abs 1 Z 3) WaffG (I 5) schuldig erkannt.

Danach haben sie - soweit für das Rechtsmittelverfahren von Relevanz - in Neulengbach den bestehenden Vorschriften zuwider im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) (I 1) am 21. November 2004 ein Suchtgift in großen Mengen in Verkehr zu setzen versucht, indem sie 580 Stück Ecstasy-Tabletten und ca 150 Gramm Speed (Amphetamin) um 6.970 Euro einem verdeckten Ermittler der Sicherheitsbehörde zum Kauf anboten;

(I 2 und 3) zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten im Jahr 2004 Suchtgift, nämlich 327,5 Stück Ecstasy-Tabletten, 75 Gramm Metamphetamin, ca 65 Gramm Marihuana und 2,77 Gramm Kokain, erworben und bis zum 21. November 2004 besessen, wobei Alexandra Ki***** diese Taten gewerbsmäßig beging;

(I 4) Alexandra Ki***** allein bis 21. November 2004 Amphetamin, Ecstasy-Tabletten und Marihuana erworben und in wiederholten Angriffen unbekannten Suchtgiftkonsumenten durch gewinnbringenden Verkauf in nicht mehr feststellbaren Mengen gewerbsmäßig überlassen. Dagegen richten sich die von Werner K***** aus Z 5 und von Alexandra Ki***** aus Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden beider Angeklagter; sie gehen fehl.

Rechtliche Beurteilung

Zu der ausschließlich gegen den Schuldspruch I 1 gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Werner K*****:

Von den vorwiegend in der Wohnung des Erstangeklagten sichergestellten Tabletten wurde lediglich ein geringer Teil an die Kriminaltechnik Österreich weitergeleitet (S 115 bis 119, 123/I). Jene 580 Stück Ecstasy, die nach dem versuchten Verkauf am 21. November 2004 beschlagnahmt wurden (S 101 oben/I), weichen lediglich im Umfang von einem Stück (Probe 2) von den in der Folge untersuchten Proben 1 bis 6 (S 109, vgl auch 123/I) ab. Schließlich konnte der im Aktenvermerk der Bundespolizeidirektion St. Pölten vom 23. November 2004 dokumentierte Fehler bei der Erstellung der Niederschrift über die beschlagnahmten Gegenstände (S 107/I) nicht auch die bereits verzeichneten, unter anderem nach dem versuchten Verkauf an den verdeckten Ermittler sichergestellten Suchtgifte umfassen. Demgegenüber legt die eine Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) behauptende Mängelrüge nicht dar, weshalb die von ihr ins Treffen geführte, mehr als 20-fache Qualitätsdifferenz zwischen den anlässlich des versuchten Verkaufs an den verdeckten Ermittler sichergestellten und den weiteren bei den Angeklagten vorgefundenen Ecstasy-Tabletten die behauptete Unmöglichkeit der Zuordnung der Asservate mangels durchgehender Nummerierung, Divergenzen zwischen dem Verzeichnis der vorläufig beschlagnahmten Gegenstände und dem Untersuchungsbericht der Bundespolizeidirektion St. Pölten sowie der Aktenvermerk dieser Dienststelle, wonach die ersten Aufstellungen nicht vollständig gewesen seien, erörterungsbedürftig gewesen sein sollten.

Die weiters aufgezeigte Gewichtsdifferenz zwischen den sichergestellten 150 Gramm Amphetamin (S 101/I oben) und den bei der kriminaltechnischen Untersuchungsstelle der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich eingelangten 132,26 Gramm dieses Suchtmittels (S 109/I; Probe 7) betrifft angesichts des tatsächlich ermittelten Wirkstoffgehalts der Probe 7 (vgl US 9 iVm S 451/I) keine entscheidende Tatsache. Mit der weiteren eigenständigen Beweiswerterwägung, „dass eine Preis- und Mengendifferenz von 12 % jedenfalls nicht unerheblich ist und von den Geschäftsteilnehmern nach der Lebenserfahrung nicht akzeptiert würde", wird ein formeller Begründungsmangel iSd Z 5 nicht aufgezeigt, sondern lediglich nach Art einer Schuldberufung unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung kritisiert. Weshalb die Beschlagnahme nicht näher bezeichneter, von der Sicherstellung umfasster „weißer Pulver" annähernd gleichen Gewichts (ersichtlich gemeint die Proben 39, 60, 63, vor allem 54; vgl S 111, 113/I) angesichts einer möglichen Verwechslung mit den 150 Gramm Speed trotz eines in diesen Fällen zur Gänze negativen Untersuchungsergebnisses (S 115/I) und der - selbst in der Beschwerde zitierten - Verantwortung des Angeklagten K*****, immerhin 10 Gramm Speed mit 140 Gramm Kreatin gemischt zu haben, erörterungsbedürftig gewesen sein soll, sagt die Beschwerde ebenfalls nicht.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Alexandra Ki*****:

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet bei allen Fakten ein Fehlen von Feststellungen zu einem Handeln den bestehenden Vorschriften zuwider und des auf dieses normative Tatbestandsmerkmal gerichteten Vorsatzes der Angeklagten Ki*****. Sie übergeht jedoch, dass die konstatierte Absicht der Angeklagten, Drogen - mithin verbotene Substanzen - in Verkehr zu setzen, zu erwerben und zu besitzen (US 8), sowie ihre disloziert im Rahmen der Strafzumessung festgestellte, in Bezug auf den Verkauf und den Besitz von Suchtgift mit den rechtlich geschützten Werten in eklatantem Widerspruch stehende Einstellung (US 12) im Zusammenhalt mit der im Urteilstenor ausdrücklich angenommenen Tatbegehung den bestehenden Vorschriften zuwider, fallbezogen unmissverständlich den Willen des Erstgerichtes zur Konstatierung eines tatbestandsessentiellen, vom Wissen und Willen iSd § 5 Abs 1 StGB getragenen Handelns erkennen lässt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19, RIS-Justiz RS0116759). Damit orientiert sich die Beschwerde der Prozessordnung zuwider ebenso wenig am gesamten Urteilssubstrat wie mit ihrem weiteren Einwand fehlender Feststellungen zu einem auf eine große Menge gerichteten Vorsatz, wurde - wenngleich im Rahmen der rechtlichen Beurteilung - doch ausdrücklich festgestellt, dass die Angeklagten dem verdeckten Ermittler Ecstasy-Tabletten mit einer Reinsubstanz von 51,4 +/- 5,3 Gramm MDMA und Speed mit einer Reinsubstanz von 11,9 +/- 0,62 Gramm Amphetamin verkaufen wollten (US 10).

Die Nichtigkeitsbeschwerden beider Angeklagter waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, zumal sich - entgegen der Ansicht der Verteidigung der Angeklagten Ki***** in ihrer gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung - nur prozessordnungsgemäß ausgeführte Rechtsrügen zu einer Behandlung in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung eignen. Demnach kommt die Entscheidung über die Berufungen dem Gerichtshof zweiter Instanz zu (§ 285i StPO).

Obwohl die Tatrichter davon ausgegangen sind, dass von dem in der Wohnung des Angeklagten K***** sichergestellten Suchtgift nur ein Teil, nämlich eine Ecstasy-Tabletten-Sammlung, ihm, das restliche im Kühlschrank aufbewahrte Suchtgift jedoch der Angeklagten Ki***** gehörte (US 7, 9 f), wurden beide schuldig erkannt, die gesamte Suchtgiftmenge im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten im Jahre 2004 erworben zu haben. In Ansehung des daran anschließenden gemeinsamen Besitzes der Gesamtmenge bis zum 21. November 2004 lässt das Urteil bei beiden Angeklagten die Konstatierung eines entsprechenden, auf Aufrechterhaltung des Gewahrsams am jeweils fremden Suchtgift gerichteten Herrschaftswillens und bei Alexandra Ki***** die Feststellung dessen auch bloß (tatsächlicher) Innehabung vermissen (vgl Foregger/Litzka/Matzka, SMG Erl IV 1 zu § 27 mwN). Bei Werner K***** ist das zuletzt genannte Erfordernis hingegen anzunehmen, weil Ki***** ihr Suchtgift mit seinem Wissen und seiner Duldung in seinem Kühlschrank aufbewahrte. Die aufgezeigten, die rechtliche Beurteilung nicht tangierenden und daher kein Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO erfordernden Mängel werden vom Oberlandesgericht Wien im Rahmen der Entscheidung über die Berufungen zu berücksichtigen sein. Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte