OGH 13Os99/06t

OGH13Os99/06t8.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. November 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll, Mag. Hetlinger und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Roland als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Raimund H***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Raimund H***** und Anton S***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. Mai 2006, GZ 121 Hv 190/05f-73, nach Anhörung der Generalprokuratur und Äußerung der Verteidiger (§ 35 Abs 2 StPO) in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufung des Angeklagten Raimund H***** wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen. Zur Entscheidung über die gegen den Strafausspruch ergriffenen Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet. Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Raimund H***** wurde des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB (A), des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB (B/I) und des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (C), Anton S***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB (A/I) und des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB (B) schuldig erkannt.

Danach haben in Wien

A. mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch wiederkehrenden Diebstahl eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, weggenommen

I. Raimund H***** und Anton S***** als Mittäter

1. der Stefanie B*****

  1. a) am 4. Februar 2005 eine Geldbörse und 115 Euro;
  2. b) am 19. August 2005 330 Euro;

    2. am 27. August 2005 der Erika M***** 500 Euro;

    II. Raimund H*****

    1. am 5. Oktober 2004 der Theresia Sch***** eine schwarze Lederhandtasche und 250 Euro;

    2. im Mai 2005 der Erika M***** eine Geldbörse und 400 Euro;

    B. mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen zur vermögensschädigenden Übergabe von Geld oder Waren verleitet,

    I. Raimund H***** und Anton S***** als Mittäter am 27. August 2005 Erika M***** durch die Behauptung, im Auftrag der Hausverwaltung Fenster auszumessen und inkassoberechtigt für diese Arbeit zu sein, zur Übergabe von 51 Euro;

    II. Anton S***** im Sommer 2004 zwei Mal Angestellte der Fa. Qu***** durch die Vorspiegelung seiner Zahlungsfähigkeit und -willigkeit zur Übersendung einer Spüle und eines Standardherdes (gemeint: Standherdes) im Wert von 534,79 Euro;

    C. Raimund H***** am 12. März 2005 Johann T***** mit Gewalt gegen seine Person, nämlich durch einen Schlag gegen dessen Kopf, eine Brieftasche und 180 Euro mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen.

Rechtliche Beurteilung

Da im schöffengerichtlichen Verfahren nach § 283 Abs 1 StPO Berufung nur gegen den Ausspruch über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche ergriffen werden kann, war die gegen den Ausspruch über die Schuld gerichtete Berufung des Angeklagten Raimund H***** zurückzuweisen.

Den aus Z 5a und 9 lit a - von Anton S***** auch aus Z 5 und 9 lit b - des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Raimund H*****:

Die Behauptung der Tatsachenrüge (Z 5a), wonach Raimund H***** „einzig und allein aufgrund von Zeugenaussagen, die keine persönlichen Wahrnehmungen, sondern nur Wahrnehmungen vom Hörensagen gemacht haben", des Raubes überführt worden sei (C), übergeht sowohl die am Tatort sichergestellten Blutspuren des Angeklagten, als auch die Aussage des Tatopfers. Dessen von Polizeibeamten erwähnte Widersprüche „bezüglich des chronologischen Verlaufes des Tatherganges" (vgl S 9/I) wurden vom Schöffengericht eingehend erwogen und als unerheblich erkannt (vgl US 21). Weder durch den Hinweis darauf, noch mit den Angaben des Angeklagten oder den Aussagen der Zeugen Z***** (S 23 bis 25/II), T***** (S 11 bis 13/II), D***** (S 17 bis 23/II) und K***** (S 15 bis 17/II), noch durch spekulative Überlegungen, die substratlose Verdächtigung des vom Opfer nach der Tat zur Hilfeleistung herbeigerufenen Zeugen Z***** (dessen Vernehmung ohne vorangehende Belehrung über ein - in keiner Weise indiziertes - Entschlagungsrecht wegen Selbstbezichtigungsgefahr erwähnt, aber nicht deutlich und bestimmt aus Z 3 gerügt wird) und die Behauptung, dass der Angeklagte „zwar 26 Vorstrafen" aufweise (richtig: 23, wovon eine Reihe auf strafbaren Handlungen gegen fremdes Vermögen und gegen Leib und Leben fußt), aber „keine einzige wegen Raubes" verhängt worden sei, gelingt es der - sprachlich zuweilen unverständlichen - Tatsachenrüge, erhebliche Bedenken an den dem Schuldspruch zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken. Ob, in welcher Anzahl und von wem der Angeklagte „Parfumgarnituren um zehn Euro zwecks Weiterverkauf besorgt hat", ist nicht entscheidend.

Indem die Subsumtionsrüge (nominell „Z 19", inhaltlich Z 10) den gegen den Kopf des Tatopfers geführten Schlag vor Wegnahme der Beute ignoriert, verfehlt sie den erforderlichen Bezug zu den Urteilsfeststellungen. Dass Gewalt zur Sachwegnahme angewendet wurde, haben die Tatrichter gar wohl festgestellt (vgl US 12 zweiter Absatz).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Anton S*****:

Dass der Angeklagte auch zu B/I wegen Betruges schuldig erkannt wurde, ergibt sich mit Gewissheit aus dem die erfolgte Subsumtion bei der Urteilsverkündung dokumentierenden Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls (S 117/II; vgl auch US 10 f [allerdings ist die Erwähnung des Betrugssachverhaltes in den Entscheidungsgründen einem Schuldspruch nicht gleichzuhalten; vgl RIS-Justiz RS0116266, T5; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 279]). Die nominell aus Z 5, der Sache nach aus Z 3 [§ 260 Abs 1 Z 2 StPO]), gerügte Nichtanführung der Subsumtion im Erkenntnis hat unzweifelhaft keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluss auf die Entscheidung ausgeübt (§ 281 Abs 3 erster Satz StPO). Die Tatsache der Abweichung der Urteilsausfertigung vom mündlich verkündeten Urteil wurde nicht gerügt.

Durch die - aktenwidrige (vgl S 269/I) - Behauptung, die blinde Stefanie B***** habe „nur einen Täter beschreiben können", erweckt die Tatsachenrüge (Z 5a), welche zudem die eingehende Beweiswürdigung der Tatrichter (US 13 bis 18) vollends übergeht und zu Unrecht fehlende Begründung (sachlich Z 5 vierter Fall) moniert, keine erheblichen Bedenken an den Urteilsannahmen zu A/I/1. Die Tatsache, dass das Tatopfer die Wegnahme des Geldes nicht beobachtet hat, setzt die zu A/I/2 getroffenen Feststellungen ebensowenig erheblichen Bedenken aus.

Die Behauptung des Angeklagten, zu B/II zahlungswillig gewesen zu sein, wurde gar wohl erörtert (Z 5 zweiter Fall). Von insoweit unzureichender Begründung kann gleichfalls keine Rede sein (vgl US 20). Dass der Angeklagte kein Einkommen hatte, haben die Tatrichter gar nicht unterstellt. Auch betrifft diese Problematik keinen für die Lösung der Schuld- oder Subsumtionsfrage relevanten Umstand. Indem die Rechtsrüge die zu B/II getroffenen Feststellungen zur subjektiven Tatseite (vgl US 11) missachtet, geht sie ins Leere (Z 9 lit a). Die Behauptung insoweit eingetretener Verjährung (Z 9 lit b) hinwieder vernachlässigt die Feststellungen zur Diebstahlsdelinquenz vor Ablauf der Jahresfrist (§ 58 Abs 2 StGB) und bedarf schon deshalb keiner Erörterung.

Welche Tatumstände Anhaltspunkte in Richtung tätiger Reue hinsichtlich des zu A/I/1/b gestohlenen Geldes hätten erkennen lassen, ist der Behauptung eines darauf bezogenen Feststellungsmangels nicht zu entnehmen (Z 9 lit b). Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerden bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285d Abs 1 StPO) hat die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufungen zur Folge (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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