OGH 13Os59/06k

OGH13Os59/06k13.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. September 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll, Mag. Hetlinger und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bussek als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Olaf P***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 10. April 2006, GZ 10 Hv 34/05m-118, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen - ebenso wie die zugleich ergangenen Beschlüsse auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsicht - unberührt bleibt, in der Subsumtion der Taten nach §§ 147 Abs 1 Z 1, 148 zweiter Fall StGB aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die auf seine Nichtigkeitsbeschwerde entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der (im Urteil unter Berufung auf eine Eintragung im Melderegister, nicht aber auf eine erfolgte Namensänderung erneut mit dem Familiennamen P***** bezeichnete, nach den Urteilsfeststellungen als P***** geborene) Angeklagte wurde im zweiten Rechtsgang erneut des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Dem Urteilsspruch zufolge hat er

„in Graz und anderen Orten seit Jänner 2003 in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrugshandlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen und mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, nachgenannte Personen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe des Verkaufs von akademischen Graden und der Ehrendoktorwürde in den Vereinigten Staaten sowie eines nicht vorhandenen Adelstitels durch Adoption bzw durch Heirat auf den Internetseiten www.adelstitel-adoption.de , www.status4sale.com/nobility.html und www.8ung.at/ deniaweb/Inhalte/Ausland/Aristokratie/aristo-01.htm unter gleichzeitiger Aufnahme in den „Souveränen Ritter- und Hospitalorden vom Hl. Johannes zu Jerusalem, genannt von Rhodos, genannt von Malta" (kurz Souveräner Malteser-Ritter-Orden), zu Dienstleistungen sowie zur Entgeltzahlung in einem 3.000 Euro nicht jedoch 50.000 Euro übersteigenden Betrag verleitet bzw zu verleiten versucht und zwar:

1.) im Juni 2002 Prof. Mag. Brigitte V***** zur Zahlung von 1.744 Euro;

  1. 2.) im Juli 2003 Dr. Dieter K***** zur Zahlung von 2.480 Euro;
  2. 3.) Mitte August 2003 Dr. Dieter K***** zur Zahlung von 1.250 Euro, wobei es beim Versuch blieb;
  3. 4.) am 25. August 2004 Dr. Erhard M***** zur Zahlung von 680 Euro;
  4. 5.) im Sommer 2004 Roland Pf***** zur Zahlung von 1.600 Euro;
  5. 6.) in Graz und in der Bundesrepublik Deutschland zu nicht näher bekannten Zeitpunkten seit Jänner 2002 in mehrfachen Angriffen unbekannte Geschädigte und Hans Kn*****, durch die Vorgabe, die Vermittlung von international gültigen Führerscheinen vorzunehmen, zur Bezahlung von zumindest 8.000 US-Dollar (10 Fälle mit einem Schadensbetrag von je 800 US-Dollar) verleitet, wobei er sich abermals hinter der Identität des „Prof. DDr. O. H. F. Graf-P*****" verbarg;

    7.) am 27. April 2005 auf der Autobahnraststätte „Packerhöhe" Raimund F***** durch die Vorgabe, er könne einen internationalen Führerschein beschaffen, zur Vorauszahlung von 400 Euro."

    Der aus Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu (§ 285d Abs 1 StPO).

Rechtliche Beurteilung

Der Antrag auf Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Ahnenforschung enthielt keinerlei Hinweis darauf, weshalb dessen Expertise zum Schluss kommen könnte, dass der Angeklagte zu Recht den „Titel DDr. h.v. Olaf Heinz Franz Graf de S*****" führte. Von für das Erstgericht offen zutage liegenden Indizien in dieser Richtung kann ebenfalls keine Rede sein, sodass das Begehren nur auf in der Hauptverhandlung unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet war. Das weitwendige Rechtsmittelvorbringen dazu ist verspätet, weil sich die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes stets auf den Antragszeitpunkt bezieht. Es enthält zudem nur Erwägungen zu ohnehin aufgenommenen Beweisen, nicht aber den erforderlichen Hinweis zur Plausibilität der Beweisführung (§ 232 Abs 2 StGB; vgl instruktiv Lässig, Das Rechtsschutzssystem der StPO und dessen Effektuierung durch den OGH, ÖJZ 2006, 406). Dazu kommt, dass der Konnex zur Schuldfrage offen geblieben ist, weil nicht ersichtlich gemacht wurde, weshalb die angebliche Berechtigung zur Führung des vorstehend angeführten Namens mit derjenigen zur Verleihung der Mitgliedschaft beim Souveränen Malteser-Ritter-Orden oder einem legitimen Zweigs dieses Ordens oder zur Vergabe eines internationalen Führerscheins verbunden gewesen sein sollte.

Der Antrag auf „Einholung einer Anfrage an die Cosmopolitan University zum Beweis dafür, dass diese Universität existiert und der Angeklagte Professor dieser Universität ist", wurde in der Hauptverhandlung des zweiten Rechtsganges nicht gestellt, womit ein aus Z 4 relevanter Verfahrensmangel von vornherein ausscheidet. Zudem wurde die „Existenz" einer „Internet-Universität" dieses Namens ohnehin als erwiesen angenommen und dem Angeklagten nicht vorgeworfen, sich als Professor dieser Universität ausgegeben zu haben (US 19). Auch wäre durch die angesprochenen Umstände für die entscheidende Frage, ob der Angeklagte in der Lage war, Dr. Dieter K***** oder Roland P***** die Berechtigung zu verschaffen, einen in den USA anerkannten Doktortitel zu führen, nichts zu gewinnen gewesen.

Wie ein „Sachverständiger aus dem Gebiet des Kfz-Bereiches" zum Schluss hätte kommen sollen, dass „die vom Angeklagten vermittelten internationalen Führerscheine Gültigkeit haben", blieb gleichermaßen offen, schon weil dieser die Papiere nicht von einer tatsächlichen Lenkerberechtigung der Zeugen Kn***** und F***** abhängig machte (US 21), andere Geschädigte indes unbekannt geblieben sind. Die wortreich geäußerten Zweifel an den Ausführungen der Entscheidungsgründe sind nicht an den Kriterien des nominell geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes der Z 5 ausgerichtet und entziehen sich solcherart einer sachbezogenen Erörterung. Soweit nicht die Feststellung entscheidender Tatsachen, sondern einzelne Erwägungen kritisiert werden, handelt es sich in keinem Fall um eine notwendige Bedingung für die Feststellung einer entscheidenden Tatsache (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 410), sodass die Beschwerde auch dabei ins Leere geht. Die mehrfache Rüge angeblicher Aktenwidrigkeit verkennt, dass aus Z 5 letzter Fall nur das unrichtige Referat einer bei den Akten befindlichen Urkunde oder der gerichtlichen Aussage eines Zeugen geltend gemacht werden kann.

Mit der Frage, ob sich Mag. V***** nachträglich „geschädigt gefühlt" hat, spricht die Mängelrüge keine entscheidende Tatsache an. Deren Bemerkung, die angebliche Aufnahmezeremonie habe in einem „kleinen Palais" stattgefunden, stellt keine entscheidende Tatsache in Frage und bedurfte daher keiner gesonderten Erörterung.

Ob Dr. K***** adelig war oder als Voraussetzung seiner Mitgliedschaft im Souveränen Malteser-Ritter-Orden in den Adelsstand hätte erhoben werden sollen, ist für die Schuldfrage (zu 2.) ebenso wenig entscheidend (vgl US 14 f). Dass zu den Tatzeitpunkten ein „vom Angeklagten vertretener Malteser-Ritter-Orden ökumenischer Obedienz lediglich ein von ihm gegründeter privater Verein und vom richtigen Malteser-Ritter-Orden nicht anerkannt war" (US 16) aber wurde formal einwandfrei begründet (vgl US 7, 9 f, 25 f).

Undeutlich (Z 5 erster Fall) sind die Feststellungen zu 3. nicht. Angeblich unvollständige Beweiserhebung (auch zu 5.) sind jedoch nicht Gegenstand einer Mängelrüge.

Dass Roland P***** die Berechtigung, einen in den USA anerkannten Doktortitel zu führen, nicht erlangt hat, wurde nicht offenbar unzureichend begründet (vgl US 11 f, 19, 27).

Gleiches gilt in Betreff der zu 6. und 7. ergangenen Schuldsprüche (vgl US 20-22, 26, 27 f). Die Führung des Namens Professor DDr. O.H.F. Graf P***** bei diesen Taten ist als nicht entscheidend kein Gegenstand der Mängelrüge.

Welche Vorstellungen mit einem internationalen Führerschein bei den Tatopfern verbunden waren, ist den Entscheidungsgründen durchaus zu entnehmen (Z 5 erster Fall; vgl US 20). Mit der Schadenshöhe (bloß) hinsichtlich des Zeugen Kn***** wird keine entscheidende Tatsache angesprochen. Im Übrigen wird nicht klar, welchen der in der Z 5 zusammengefassten Nichtigkeitsgründe der Beschwerdeführer geltend machen will. Die Anzahl der zu 6. zusammengefassten Taten wird jedenfalls nicht deutlich und bestimmt als offenbar unzureichend begründet in Frage gestellt. Die Äußerung von Zweifeln an der Glaubwürdigkeit der Zeugen Kn***** und F***** (vgl US 26, 28) ist aus Z 5 unbeachtlich. Welche „objektiven Unterlagen" zu 6. und 7. übergangen worden sein sollen (Z 5 zweiter Fall), ist dem Vorbringen schließlich nicht zu entnehmen.

Mit der Behauptung, das Nichtvorliegen einzelner den Schuldspruch tragender Umstände könne „nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden", verkennt der Beschwerdeführer die für Nichtigkeit aus Z 5a normierte Erheblichkeitsschwelle geltend gemachter Bedenken. Welche erheblichen Bedenken sich aus zu 6. und 7. vorgelegten Unterlagen (ON 75) und den Aussagen der Zeugen Dr. M***** und Mag. V***** ergeben sollen, lässt die Tatsachenrüge offen. Den Angeklagten angeblich entlastende (gemeint wohl: weitere) „vorliegende Urkunden" benennt sie nicht deutlich und bestimmt.

Daraus folgt die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285d Abs 1 StPO). Da das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) wörtlich aus dem aufgehobenen Urteil des ersten Rechtsgangs übernommen wurde, ist daraus nicht zu ersehen, welche der zu 1. bis 5. genannten Personen über welche Umstände getäuscht wurden, auf welchen Tatsachen die Annahme schweren Betrugs gründet und weshalb die vom Angeklagten zur Erzielung einer fortlaufenden Einnahme beabsichtigten wiederholten Betrügereien als schwer einzustufen wären. Zudem ist von keiner der getäuschten Personen eine Dienstleistung erbracht worden. Unter dem Aspekt allfälliger Nichtigkeit aus Z 3 haben diese Nachlässigkeiten als ungerügt außer Betracht zu bleiben (§ 290 Abs 1 erster Satz StPO). Anlass für amtswegiges Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO besteht insoweit nicht, als den - Feststellungen und Beweiswürdigung vermengenden - Entscheidungsgründen in ihrer Gesamtheit als Gegenstand der Täuschung zu 1., 2. und 4. die Mitgliedschaft zum Souveränen Malteser-Ritter-Orden, zu 3. und 4. aber der Doktorgrad einer Universität in den USA entnommen werden kann (vgl US 13-19).

Weitere, vom Beschwerdeführer gleichfalls nicht aufgezeigte Mängel des angefochtenen Urteils waren von Amts wegen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO aufzugreifen.

Es wurden nämlich keine Feststellungen getroffen, welche die rechtliche Unterstellung der nach § 29 StGB gebildeten Subsumtionseinheit nach § 147 Abs 1 Z 1 (gemeint:) erster oder vierter Fall StGB tragen könnten. Zudem fehlt es an einem für die Annahme gewerbsmäßig schweren Betrugs nach § 148 zweiter Fall StGB erforderlichen Tatsachensubstrat.

Zwar ist in US 13 die Rede davon, dass der Angeklagte „mit Bildern des richtigen Malteser-Ordens" warb, Kirchen des Malteser-Ordens fotografierte, „diese mit Texten" versah, „worin er angibt, diese Kirchen seien seiner Organisation zugehörig" und „immer wieder Insignien des Souveränen Malteser-Ritter-Ordens" verwendete (vgl auch die nahezu wortgleiche Wiederholung unter der Überschrift „Beweiswürdigung" in US 26); die Zuordnung konkreter Beweismittel eines konkreten Bedeutungsinhalts zu einer der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Betrugstaten ist aber nicht erfolgt. Die Dr. K***** am 31. August 2003 übermittelte gefälschte Strafregisterauskunft (vgl US 16) war angesichts der Tatzeitpunkte ersichtlich nicht schadenskausal. Hinsichtlich der in US 17 genannten Urkunden fehlt eine Feststellung, dass diese beim Betrug gegenüber Dr. K***** benützt wurden. Auch blieb offen, welche konkrete „Literatur" der Angeklagte zur Täuschung des Dr. M***** eingesetzt hatte (US 18). Weiters wurde keine Feststellung dazu getroffen, welchen Bedeutungsinhalt die in US 14 f beschriebene Broschüre (gemeint offenbar: ON 11) Dr. K***** vermitteln sollte. Nur aufgrund dieses Bedeutungsinhalts aber kann eine Aussage darüber getroffen werden, ob die Broschüre dazu dienen konnte, Dr. K***** von der Wahrheit oder Unwahrheit just dieses Bedeutungsinhalts zu überzeugen (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 147 Rz 31). Schließlich wäre angesichts der über den Zeitpunkt der Vermögensschädigung hinausgehenden Korrespondenz mit diesem Zeugen eindeutig klarzustellen gewesen, ob die Broschüre bei einer vermögensschädigenden Täuschung verwendet wurde.

Zu allem hin lassen die Entscheidungsgründe offen, auf welche als schwer zu beurteilenden wiederholten Betrugstaten sich die Absicht des Angeklagten zur Erzielung einer fortlaufenden Einnahme erstreckte, sodass sich nun schon zum zweiten Mal bereits bei der nichtöffentlichen Beratung das Erfordernis einer neuen Hauptverhandlung zeigt (Z 10; §§ 285e erster Satz, 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO).

Im Fall der Annahme von nach § 147 Abs 1 Z 1 vierter Fall StGB qualifiziertem Betrug wird unbedingt exakt klarzustellen sein, welches konkret (im Fall der Aktenkundigkeit vorzugsweise auch mit Seitenzahl oder Beilagennummer) zu benennende Beweismittel dieser rechtlichen Annahme zugrunde liegt, welchen Bedeutungsinhalt es dem jeweiligen Tatopfer nach dem Plan des Angeklagten konkret vermitteln sollte und weshalb es in Relation zu diesem Bedeutungsinhalt als falsch anzusehen, also geeignet war, die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen des jeweiligen Tatopfers in eine von den tatsächlichen Gegebenheiten abweichende Richtung zu lenken (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 147 Rz 38). Diese Tatumstände werden - bei sonstiger Nichtigkeit aus Z 3 - gegebenenfalls auch im Spruch der Entscheidung ausdrücklich klarzustellen sein (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO).

Die Berufung des Angeklagten ist angesichts der damit erforderlich gewordenen Aufhebung des Strafausspruchs gegenstandslos. Dessen - auf die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde beschränkte (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12) - Kostenersatzpflicht gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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