OGH 1Ob122/06g

OGH1Ob122/06g12.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl-Heinz J*****, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel, Dr. Herwig Mayrhofer, Dr. Manuela Schipflinger und Mag. Stefan Ganahl, Rechtsanwälte in Dornbirn, wider die beklagte Partei Stadt H*****, vertreten durch Dr. Karl Rümmele und Dr. Birgitt Breinbauer, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen EUR 2.180 sA und Wiederherstellung (Streitwert EUR 4.360), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 21. Februar 2006, GZ 3 R 24/06m-38, womit das Urteil des Bezirksgerichts Dornbirn vom 21. November 2005, GZ 2 C 2394/03k-34, teilweise abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss (Punkt III. der Entscheidung) wird aufgehoben und dem Berufungsgericht insoweit die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Der Kläger ist bücherlicher Eigentümer einer Liegenschaft, auf der sich ein Wohnhaus befindet. Zu dieser Liegenschaft gehört u.a. ein Waldgrundstück. Weiters ist der Kläger Miteigentümer des Grundstücks 7269 (Weg) einer anderen Liegenschaft, welches der Erschließung des vorgenannten Waldes dient. Die Beklagte ist bücherliche Eigentümerin des Grundstücks 7245/1 (Straße/Weg - im Folgenden „Weg" genannt). Darüber hinaus hält sie Miteigentumsanteile am Grundstück 7269 (Weg). Am 6. 8. 2000 kam es im Umkreis eines Baches zu einem durch starke Regenfälle verursachten Murenabgang. Der Bach trat aus den Ufern, Wasser und Schlamm drang in das Wohngebäude und den Schuppen des Klägers, mehrere Häuser mussten evakuiert werden. Durch die Mure wurde u.a. der Weg 7245/1 dermaßen verschüttet, dass er in der Natur nicht mehr erkennbar war. Bereits im Zuge der Sofortmaßnahmen wurde der Weg 7269 in jenem Bereich, in dem er an den Bach angrenzt, auf eine Länge von ca. 5 m und bis in eine Tiefe von ca. 1,5 m abgetragen. An dieser Stelle fällt er nunmehr wesentlich steiler als bisher zum Bachbett ab. Nach dem Murenabgang wurde im Zuge eines Projekts zur Verbauung des Baches auch der Weg 7245/1 abgegraben, um ein bereits bestehendes Rückhaltebecken zu vergrößern bzw dieses in der geplanten Form errichten zu können. Im Zuge dieses Projekts wurde im Bereich des Rückhaltebeckens ein Stahltor errichtet, um eine Zufahrt zum Geschiebebecken zu gewährleisten.

Der Kläger begehrte u.a. die Beklagte zur Wiederherstellung des Weges 7245/1 über eine Länge von ca. 40 Metern in den vor dem 6. 8. 2000 bestandenen Zustand zu verpflichten. Sowohl er als auch seine Rechtsvorgänger hätten seit mehr als 120 Jahren diesen Weg zum Zwecke der Holzbringung benützt, indem sie mit Fahrzeugen regelmäßig Holz aus ihrem Wald über den Weg 7269 befördert, anschließend den Bach überquert und in weiterer Folge den Transport über den Weg 7245/1 fortgesetzt hätten. Die Beklagte habe dieser Benützung ihres Weges niemals widersprochen, sodass ein Dienstbarkeitsrecht in Gestalt eines uneingeschränkten Geh- und Fahrrechts über den Weg zum Zwecke der Holzbringung ersessen worden sei. Seitdem nach dem 6. 8. 2000 im Zuge des Verbauungsprojekts des Baches das bereits bestehende Rückstaubecken vergrößert und zu diesem Zweck der Weg 7245/1 über eine Länge von 40 Metern abgegraben worden sei, sei er in der Natur nicht mehr vorhanden. Ohne diesen Weg sei es aber unmöglich, so wie früher - das Bachbett querend - auf den Weg 7269 zu gelangen. Darüber hinaus sei auch das Grundstück 7269 in jenem Bereich, in dem es an das Ufer des Baches angrenze, auf eine Länge von ca. 5 m abgetragen worden. Diese Veränderungen hätten bewirkt, dass die Holzbringung vom Weg 7269 kommend, das Bachbett querend und weiter auf dem Weg 7245/1 unmöglich geworden sei.

Die Beklagte wendete ein, der Weg 7245/1 sei öffentliches Gut; dem Kläger stünden daran keine subjektiven Rechte zu. Es existiere keine Rechtsgrundlage dafür, dass öffentliches Gut so zu bleiben habe, wie es gewesen sei, sondern sei die Beklagte berechtigt, mit ihren Grundstücken so zu verfahren, wie es das Verbauungsprojekt des Bachs erfordere. Eine Wegverbindung über den Bach zum Grundstück 7269 habe niemals bestanden. Wenngleich bei Niedrigwasser ein Übergang über den Bach möglich gewesen sein mag, habe der Kläger ein Recht, den Bach an dieser Stelle zu überqueren, weder ersessen, noch sei ihm ein solches vertraglich eingeräumt worden.

Das Erstgericht wies das Begehren auf Wiederherstellung des Weges 7245/1 ab. Es traf - über die eingangs wiedergegebenen Feststellungen hinaus - u.a. folgende weitere Feststellung:

„ Nicht festgestellt werden kann, ob der Kläger von der in seinem

Eigentum stehenden Waldparzelle ... Holz wiederkehrend auf die Weise

geholt hat, dass er es über den Hohlweg (GSt-Nr. 7269) und weiter den

... Bach querend, über den früher bestandenen Weg GSt-Nr. 7245/1, ...

zu seinem Haus (....) abtransportiert hat. Gleichfalls nicht

festgestellt werden kann, ob der Vater des Klägers Holz ... auf diese

Weise abtransportiert hat."

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dass dem Kläger die auf Wiederherstellung des früheren Zustands gerichtete Servitutenklage offen stehe, er jedoch den ihm obliegenden Beweis für den Erwerb der Dienstbarkeit nicht erbracht habe, weswegen das Klagebegehren abzuweisen sei.

Das Berufungsgericht wies aus Anlass der Berufung des Klägers diesen Teils des Klagebegehrens wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Es handle sich beim GSt-Nr. 7245/1 um eine im Gemeingebrauch stehende öffentliche Straße (Gemeindestraße) im Sinne des § 1 Abs 5 lit b des Vorarlberger Straßengesetzes. Diese stehe im Eigentum der Beklagten als Straßenerhalter und sei im Grundbuch als solche eingetragen. Dieser Umstand sei gemäß § 42 Abs 1 JN von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen. Störungen des Gemeingebrauchs könnten vor den ordentlichen Gerichten nicht angefochten werden; über derartige Störungen und Eingriffe sei allein die Verwaltungsbehörde zur Entscheidung befugt. Nur soweit der Gemeingebrauch nicht berührt werde, sei der Schutz des Eigentums auch beim öffentlichen Gut Sache des Gerichts. Maßgeblich sei daher, ob der Kläger Gemeingebrauch oder ein Sondergebrauchsrecht geltend mache. Die inhaltliche Überprüfung der Prozessbehauptungen des Klägers ergebe, dass er eine Benützung verlange, die „innerhalb des Gemeingebrauchs einer Straße" im Sinn des § 2 Abs 1 des VbgStrG liege. Die Benützung einer Straße zum Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr, auch wenn das Fahrzeug mit Gütern (Nutzholz) beladen sei, stelle einen Fall des Gemeingebrauchs einer Straße dar, der von keiner besonderen Bewilligung abhängig sei. Der Kläger könne daher den Anspruch auf Wiederherstellung des Weges und dessen Benützung nicht auf dem Rechtsweg erzwingen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Rekurs des Klägers ist ungeachtet des Werts des Entscheidungsgegenstands zweiter Instanz und des Vorliegens erheblicher Rechtsfragen zulässig (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO; Zechner in Fasching/Konecny2 IV/1 § 519 ZPO Rz 12 mwN); er ist auch berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagsbehauptungen) von Bedeutung. Es kommt auf die Natur und das Wesen des geltend gemachten Anspruchs an, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist. Danach ist zu beurteilen, ob ein privatrechtlicher Anspruch im Sinne des § 1 JN erhoben wurde, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (1 Ob 193/01s mwN). Unerheblich ist dabei, ob der behauptete Anspruch berechtigt ist, weil hierüber erst in der Sachentscheidung abzusprechen ist. Wenn also der behauptete privatrechtliche Anspruch dem Kläger nicht zusteht, wohl aber ein öffentlich-rechtlicher Anspruch, dann ist die Klage sachlich mit Urteil abzuweisen, kann aber niemals wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückgewiesen werden (Ballon in Fasching/Konecny2 I § 1 JN Rz 75 mwN). Im vorliegenden Fall stützt der Kläger seinen Anspruch auf die Verletzung einer nach seinen Behauptungen ersessenen Dienstbarkeit (Servitutsklage - siehe Koziol/Welser I13, 431), somit auf einen privatrechtlichen Anspruch. Für eine auf einen derartigen Anspruch gegründete, auf Abwehr von Eingriffen in eine Dienstbarkeit gerichtete Klage steht dem Beschwerten der Rechtsweg offen (1 Ob 193/01s mwN). Dies gilt auch dann, wenn die Beklagte einwendet, der Kläger berufe sich inhaltlich lediglich auf einen im öffentlichen Recht wurzelnden Gemeingebrauch. Ob dieser Einwand berechtigt ist, haben die Gerichte in einem solchen Fall als Vorfrage zu prüfen. Stellt die Handlungsweise des Klägers keine Sondernutzung dar, sondern ist sie vom Gemeingebrauch gedeckt, ist seine Klage abzuweisen (1 Ob 56/03x mwN). Die Prüfung von Vorfragen, zu deren selbstständigen Entscheidung der Zivilrichter nicht berufen wäre, schließt die Entscheidungsbefugnis des Zivilgerichts grundsätzlich nicht aus (SZ 58/156).

Davon ausgehend liegt der Zurückweisungsgrund der Unzulässigkeit des Rechtswegs nicht vor. Das Berufungsgericht wird meritorisch über die Berufung zu entscheiden haben; eine Sachentscheidung durch den Obersten Gerichtshof ist nicht möglich (Zechner aaO § 519 ZPO Rz 72). Der Kostenvorbehalt folgt aus § 52 Abs 1 ZPO.

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