OGH 15Os66/06d

OGH15Os66/06d7.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. September 2006 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Schroll, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schreuer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hamsa Jabr Mohammad A***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des genannten Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 17. Februar 2006, GZ 40 Hv 96/04b-36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem - im zweiten Rechtsgang ergangenen - angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch des Beschwerdeführers und einen Freispruch des Zweitangeklagten Djamel H***** enthält, wurde Hamsa Jabr Mohammad A***** (zu I./) des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und (zu II./) der Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er

I./ von 1. April 1998 bis 28. Februar 2001 in Neunkirchen mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte des Sozialamtes der Stadtgemeinde Neunkirchen dadurch, dass er ihnen gegenüber in zumindest elf Angriffen bei der Beantragung von Sozialhilfeleistungen in Form von Geldzuwendungen wahrheitswidrig behauptete, einkommens- und vermögenslos zu sein, und es unterließ, auf seine Anstellung und auch andere Vermögenszuwendungen durch Dritte hinzuweisen, zu Sozialhilfeauszahlungen und Leistungen im jeweiligen Ausmaß von mehr als 3.000 Euro verleitet, die das Land Niederösterreich mit insgesamt zumindest 200.000 Euro am Vermögen schädigten, wobei er durch die Taten einen 50.000 Euro Schaden herbeiführte und die schweren Betrugshandlungen in der Absicht beging, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen; II./ am 11. August 2003 in Wien als Lenker des Kleinkraftwagens ***** durch Außerachtlassung der im Straßenverkehr gebotenen Vorsicht und Aufmerksamkeit, insbesondere dadurch, dass er ungeachtet des Rotlichtes in eine Kreuzung einfuhr, sodass er gegen den bevorrangt entgegenkommenden Pkw des Markus P***** stieß, den Genannten, der eine Rissquetschwunde an der Stirn, sowie Michele P*****, die eine Zerrung der Halswirbelsäule und eine Prellung der Brustlendenregion erlitt, fahrlässig am Körper verletzt.

Gegen das Urteil richtet die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit b und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie schlägt fehl.

Rechtliche Beurteilung

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers durch die Ablehnung seiner in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge (S 547 ff/II) nicht verletzt. Der Antrag auf Einholung eines Buchsachverständigengutachtens zielte auf den Nachweis einer Minderung des Gewinnes des Beschwerdeführers aus seiner Tätigkeit für die Firma M***** durch Berücksichtigung bestimmter Betriebsausgaben ab. Ein solches Gutachten setzt jedoch das Vorliegen der für eine Befunderstellung notwendigen buchhalterischen Unterlagen voraus, für deren Existenz aber im konkreten Fall keine Verfahrensergebnisse vorliegen, zumal sich nicht einmal der Angeklagte selbst auf solche Unterlagen berufen hat. Soweit der Beschwerdeführer die Berücksichtigung nicht bezahlter Steuern und Sozialversicherungsbeiträge bei der Einkommensberechnung anstrebt, handelt es sich um eine Rechtsfrage, über die keine Beweisaufnahme stattzufinden hat (vgl Kirchbacher, WK-StPO § 246 Rz 44).

Die Zeugen Naddal A*****, Mohammed Ben Y***** und Chaled H***** sollten den Beweis erbringen, dass sie für den Beschwerdeführer als Zeitungskolporteuere gearbeitet und dafür ein monatliches Entgelt von jeweils 6.000 S bezogen hätten, um welche Zahlungen der Gewinn des Angeklagten aus seiner Tätigkeit für die Firma M***** zu mindern sei. Weil dem Gericht ein Beweisergebnis dahin vorlag, dass dem Konto des Beschwerdeführers keine den behaupteten Zahlungen korrespondierenden Überweisungen oder Abhebungen zu entnehmen waren (US 13, 21 f), wäre jedoch bei Antragstellung darzutun gewesen, warum die beantragte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327). Denn die behaupteten Lohnzahlungen hätten somit eine weitere, bisher nicht bekannte Einkunftsquelle des Beschwerdeführers vorausgesetzt und daher nicht das gegenüber den Sozialbehörden verschwiegene Einkommen gemindert.

Die gegen den Schuldspruch zu I./ gerichtete Mängelrüge (Z 5) kritisiert die Urteilsfeststellungen zur Schadenshöhe, vermag jedoch Darstellungsmängel nicht aufzuzeigen. Soweit sie sich gegen tatsächliche Konstatierungen richtet, erschöpft sie sich in einer Bekämpfung der Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung. Insofern sich die Rüge aber gegen die Schadensberechnung in rechtlicher Hinsicht wendet, macht sie der Sache nach einen Rechtsfehler (Z 9 lit a und 10) geltend. Das Vorbringen, der Angeklagte habe die „Krankenhilfe" gemäß § 27 NÖ Sozialhilfegesetz 1974 und die „Hilfe bei Krankheit" gemäß § 11 NÖ Sozialhilfegesetz 2006 zu Recht bezogen, vernachlässigt die Urteilsfeststellungen zu seinem Einkommen und zur zwecks Ersparnis der Beiträge (US 9, 33) erfolgten Unterlassung der Anmeldung bei der Krankenkasse und legt nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar, aus welchen Gründen ihm dennoch ein Anspruch gegenüber dem - mit der zuständigen Gebietskrankenkasse nicht identen - Sozialhilfeträger zugestanden wäre. Des weiteren mangelt es dem Rechtsmittel an jeglicher Argumentation, warum - infolge den Abgabenbehörden nicht offengelegter Besteuerungsgrundlagen - erst nachträglich vorgeschriebene Steuern das Einkommen des Angeklagten mindern und somit seinen Sozialhilfeanspruch begründen sollten. Schließlich wird auch nicht aus dem Gesetz abgeleitet, aus welchem Grund die Urteilsfeststellung, dass die Nettoeinnahmen des Angeklagten im Deliktszeitraum die jeweiligen Richtsätze des Landes Niederösterreich für Sozialhilfe überstiegen (US 13), - im Zusammenhalt mit den weiteren Konstatierungen - für die rechtliche Beurteilung seines Handelns als Verbrechen des gewerbsmäßig schweren Betruges nicht ausreichen solle. Der gegen den Schuldspruch wegen der Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB (II./) gerichteten Mängelrüge (Z 5) zuwider hat sich das Schöffengericht mit der Aussage der Zeugin Monika R***** eingehend auseinandergesetzt (US 26 ff), sodass von einer Unvollständigkeit der Urteilsgründe nicht die Rede sein kann. Mit der auf Z 9 lit b gestützten Rechtsrüge macht der Beschwerdeführer zu I./ entschuldigenden Notstand infolge Geldbedarfes für seine krebskranke Tochter geltend, orientiert sich dabei jedoch weder an den tatsächlichen Feststellungen des Schöffengerichts, noch macht er - durch Hinweis auf in der Hauptverhandlung vorgekommene Indizien - einen Feststellungsmangel (vgl Ratz WK-StPO § 281 Rz 600 f) geltend.

Die Strafzumessungsrüge (Z 11) behauptet einen Verstoß gegen das Verbot der reformatio in peius, weil dem Beschwerdeführer im - auf eine lediglich zugunsten des Angeklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zurückzuführenden - zweiten Rechtsgang eine teilbedingte Strafnachsicht nicht mehr gewährt wurde. Sie übersieht, dass das Verschlimmerungsverbot vorliegend nicht gilt, weil ein Schuldspruch wegen einer weiteren Tat hinzugekommen ist (vgl RIS-Justiz RS0100709; Fabrizy StPO9 § 290 Rz 8). Weil sich die Entscheidung über die Gewährung einer bedingten oder teilbedingten Strafnachsicht an präventiven Bedürfnissen zu orientieren hat (Jerabek in WK² § 43 Rz 3 f), kommt eine isolierte Wertung des neu hinzugekommenen Faktums nicht in Betracht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte