OGH 6Ob188/06z

OGH6Ob188/06z31.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****-KG, *****, vertreten durch Dr. Daniel Charim und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Michael D*****, vertreten durch Draxler & Partner, Rechtsanwälte, Wien, wegen Unterlassung, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 20. April 2006, GZ 2 R 59/06w-50, womit der Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 1. Februar 2006, GZ 34 Cg 124/03x-46, zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs und die Revisionsrekursbeantwortung werden zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Unterlassung von Äußerungen, die ihren Ruf schädigten.

Der Beklagte erhob in der Klagebeantwortung die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit, weil er seinen allgemeinen Gerichtsstand nicht im Sprengel des Erstgerichts, sondern im Sprengel des Landesgerichts Wels habe.

Das Erstgericht beraumte für den 2. 2. 2005 eine Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung an und teilte den Parteien mit, diese diene „der Unzuständigkeitseinrede und bereits der Beweisaufnahme". In der Tagsatzung vom 2. 2. 2005 führten die Parteien Vergleichsgespräche und trugen ihre wechselseitigen Standpunkte vor. Nachdem Beweise sowohl zur Hauptsache als auch zur Zuständigkeitsfrage aufgenommen worden waren, verkündete die Erstrichterin den Beschluss, die Tagsatzung werde „auf unbestimmte Zeit zur Entscheidung über die Einrede der Unzuständigkeit erstreckt". Es war nicht erörtert worden, ob die Klägerin einen Überweisungsantrag stelle.

Mit Beschluss vom 23. 3. 2005 wies das Erstgericht die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück. Dagegen erhob die Klägerin fristgerecht Rekurs. Unter einem beantragte sie erstmals, die Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht Wels zu überweisen. Das Rekursgericht wies den Rekurs zurück. Dieser Beschluss erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

Mit Beschluss vom 1. 2. 2006 hob das Erstgericht den Zurückweisungsbeschluss vom 23. 3. 2005 auf und überwies die Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht Wels. Die Klägerin habe keine (ausreichende) Gelegenheit gehabt, einen Überweisungsantrag gemäß § 261 Abs 6 ZPO zu stellen. Die Verhandlung sei nicht auf die Zuständigkeitsfrage eingeschränkt und auch nicht geschlossen, sondern zur Entscheidung über die Zuständigkeit auf unbestimmte Zeit erstreckt worden. In dieser Vorgangsweise sei offenkundig für beide Parteien ein überraschendes Element gelegen, begründe doch auch der Beklagte seinen nachträglichen Kostenbestimmungsantrag mit einem überraschenden Vorgehen des Gerichts. Habe der Beklagte daher nicht annehmen müssen, das Verfahren könnte durch die Entscheidung über die Unzuständigkeitseinrede beendet werden, gelte dies gleichermaßen für die Klägerin.

Das Rekursgericht wies den dagegen erhobenen Rekurs des Beklagten zurück, weil das Rechtsmittel gemäß § 230a 2. Satz ZPO unzulässig sei. Zentraler Aspekt sei gewesen, ob der erstmals mit dem Rekurs gestellte Überweisungsantrag im Sinn einer zu § 182 Abs 2 3. Satz ZPO bestehenden Rechtsprechungslinie noch beachtlich sei. Das Erstgericht habe diese Frage letztlich bejaht und sinngemäß die Überweisung ausgesprochen, sodass der Rechtsmittelausschluss zum Tragen komme. Der Revisionsrekurs des Beklagten ist - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden nachträglichen Ausspruch des Rekursgerichtes - nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Beschlüsse, mit denen das Rekursgericht einen Rekurs gegen eine erstinstanzliche Entscheidung zurückgewiesen hat, sind nach ständiger Rechtsprechung nur unter den Voraussetzungen des § 528 ZPO anfechtbar (4 Ob 53/05f mwN). Eine Rechtsfrage der in § 528 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung liegt hier nicht vor:

Es entspricht der mit dem Wortlaut des § 230a ZPO korrespondierenden herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Lehre, dass der Kläger, wenn ihm entgegen § 182 Abs 2 ZPO keine Gelegenheit zur Stellung eines Überweisungsantrages gemäß § 261 Abs 6 ZPO eingeräumt wurde, einen nachträglichen Überweisungsantrag (auch kumuliert mit einem Rekurs) gemäß § 230a ZPO stellen kann (8 Ob 45/05h mwN; G. Kodek in Fasching/Konecny2 § 261 ZPO Rz 133 mwN). Es entspricht ebenfalls herrschender Meinung, dass der in § 230a 2. Satz ZPO verfügte Rechtsmittelausschluss ebenso wie jener des § 261 Abs 6 4. Satz ZPO nur dann nicht gilt, wenn die Überweisung den einschlägigen Bestimmungen in einem solchen Maß widerspricht, dass der Sinn des Rechtsmittelausschlusses nicht mehr gegeben ist (8 Ob 45/05h mwN). Das ist etwa dann der Fall, wenn der Kläger keinen Überweisungsantrag stellte.

Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses bejahte das Rekursgericht mit dem Vorliegen uneinheitlicher Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Nach der Entscheidung 8 Ob 45/05h, auf die sich das Rekursgericht gestützt habe, könne selbst eine zu Unrecht erfolgte Bejahung der Frage, ob dem Kläger keine Gelegenheit zur Stellung eines Überweisungsantrages gegeben worden sei, nicht als derart gravierender Verstoß angesehen werden, dass ein gegen den Überweisungsbeschluss erhobenes Rechtsmittel ausnahmsweise zulässig wäre. In der Entscheidung 3 Ob 164/00i vertrete der Oberste Gerichtshof jedoch die gegenteilige Auffassung, sei doch in diesem Fall geprüft worden, ob dem Erstgericht eine Verletzung des § 182 Abs 2 ZPO vorzuwerfen sei, eine derartige Verletzung verneint und der Zurückweisungsbeschluss aufgehoben worden, weil der Rechtsmittelausschluss nicht zum Tragen gekommen sei, habe doch die klagende Partei gar keinen wirksamen Überweisungsantrag gestellt, weil sie vor dem Zurückweisungsbeschluss des Erstgerichtes Gelegenheit zur Stellung eines Überweisungsantrags gehabt habe. Diese unterschiedlichen Auffassungen sind für die Entscheidung im vorliegenden Fall nicht präjudiziell, sodass eine Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO nicht vorliegt. Auch die Entscheidung 3 Ob 164/00i führt aus, werde dem Kläger die Stellung eines Überweisungsantrags nach § 261 Abs 6 ZPO durch überraschende Aktionen des Gerichts abgeschnitten, so habe dieser keine Gelegenheit zu einem Überweisungsantrag gehabt. Der vorliegende Fall unterscheidet sich von jenem der genannten Entscheidung dadurch, dass in letzterem die Parteien keinen Zweifel über die Vorgangsweise des Erstgerichtes haben konnten. Dieses gab nämlich am Ende der Verhandlung bekannt, die Entscheidung über die Unzuständigkeitseinrede bleibe der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten. Deshalb hätte - wie die Entscheidung festhält - die Unzuständigkeitsentscheidung die klagende Partei keinesfalls in gleicher Weise überraschen können, wie wenn die Tagsatzung zur Fassung eines Beweisbeschlusses auf unbestimmte Zeit erstreckt worden wäre.

Auch nach dem Maßstab dieser Entscheidung ist im vorliegenden Fall nach dessen besonderen Umständen die Beurteilung, der Klägerin sei durch eine überraschende Aktion des Erstgerichtes die Stellung eines Überweisungsantrags abgeschnitten worden, jedenfalls vertretbar, sodass das Rekursgericht jedenfalls im Ergebnis zutreffend den Rekurs des Beklagten gegen den Überweisungsbeschluss zurückwies. Die Revisionsrekursbeantwortung war zurückzuweisen, weil der Revisionsrekurs, der die Zurückweisung eines Rekurses gegen einen Überweisungsbeschluss durch das Rekursgericht zum Gegenstand hat, einseitig ist (8 Ob 45/05h).

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