OGH 14Os79/06h

OGH14Os79/06h29.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. August 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp, Hon. Prof. Dr. Schroll, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Denk als Schriftführer in der Strafsache gegen Joao T***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die vom Generalprokurator gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 14. März 2006, GZ 143 Hv 5/06p-60, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Mag. Bauer und des Verteidigers Dr. Alexander Philipp, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Chris O***** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Verfahren AZ 143 Hv 5/06p des Landesgerichtes für Strafsachen Wien verletzt der im Urteil vom 14. März 2006 gemäß § 26 Abs 1 StGB ergangene Ausspruch über die Einziehung der bei Chris O***** sichergestellten 39.000 Euro das Gesetz in der Bestimmung des § 26 Abs 1 StGB.

Das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Einziehungserkenntnis, soweit dieses (neben einer auf § 34 SMG iVm § 26 Abs 1 StGB gestützten Einziehung von Suchtmitteln) auch einen bei Chris O***** sichergestellten Bargeldbetrag von 39.000 Euro betrifft, aufgehoben und die Sache - nach Vorliegen der Entscheidung des Gerichtshofes zweiter Instanz über die Berufungen der Angeklagten Joao T***** und Chris O***** - in diesem Umfang an den - unter Beachtung des § 68 StPO - gemäß §§ 443 Abs 2, 445 Abs 2 StPO als Einzelrichter zuständigen Vorsitzenden des Schöffensenates des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung über den auf Abschöpfung der Bereicherung auch in Ansehung des Betrages von 39.000 Euro gerichteten Antrag der Staatsanwaltschaft (S 381/Band I) verwiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 14. März 2006, GZ 143 Hv 5/06p-60, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch des Mitangeklagten Emanuel I***** enthält, wurden die Angeklagten Joao T***** (zu A I) und Chris O***** (zu A II) jeweils der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall und Abs 3 erster Fall SMG und des Vergehens nach § 27 Abs 1 (zu ergänzen: sechster Fall) und Abs 2 Ziffer 2 erster Fall SMG, Joao T***** (zu B I 1) des Vergehens nach § 28 Abs 1 SMG und Chris O***** (zu B I 2 und B II) des teils vollendeten, teils versuchten Vergehens nach § 28 Abs 1 SMG schuldig erkannt und zu Freiheitsstrafen verurteilt.

Neben der Abschöpfung der nach den Urteilsfeststellungen aus den verurteilten Suchtgiftgeschäften unrechtmäßig erlangten Bereicherung in der Höhe von 1.800 Euro (bei T*****) und 1.510 Euro sowie 4 USD (bei O*****) und der auf §§ 34 SMG iVm 26 Abs 1 StGB gestützten Einziehung des „sichergestellte Suchtgifts" wurde ein weiterer bei Chris O***** sichergestellter Bargeldbetrag in Höhe von 39.000 Euro gemäß § 26 Abs 1 StGB eingezogen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Schuldsprüche und des Freispruchs sowie der Aussprüche über die Abschöpfung und die Einziehung in Rechtskraft erwachsen. Über die Berufungen der Angeklagten Joao T***** und Chris O***** gegen den Ausspruch über die Strafe hat das Oberlandesgericht Wien noch nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

Das angefochtene Urteil steht - wie der Generalprokurator in der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt - im Einziehungserkenntnis, soweit dieses auch einen bei Chris O***** sichergestellten Bargeldbetrag von 39.000 Euro betrifft, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Den für den Ausspruch nach § 26 Abs 1 StGB wesentlichen Urteilsannahmen zufolge war Chris O***** Mittelsmann des nicht identifizierten schwarzafrikanischen Suchtgifthändlers „Jackson", in dessen Auftrag er in Wien zwischen Februar 2005 und Oktober 2005 insgesamt rund 500 Gramm Kokain an Joao T***** verkaufte (A II), vom

9. bis zum 10. Oktober 2005 weitere 1.228 Gramm Kokain sowie 40,2 Gramm Heroin verwahrte (B I 2) und am (richtig:) 10. Oktober 2005 von Emanuel I***** Suchtgift in einer nicht mehr feststellbaren, aber jedenfalls großen Menge zu einem „Großhandelspreis" von 5.000 Euro mit dem Vorsatz zu erwerben versuchte, dass es durch nachfolgende Übergabe an „Jackson" in Verkehr gesetzt werde (B II; S 145 und 151/Band IV sowie die in der Urschrift des Urteils ON 60 fehlende, in der Ausfertigung indes vorhandene und mit Bleistift als „149a" bezeichnete Seite). Neben den zum Suchtgifterwerb übergebenen 5.000 Euro deponierte „Jackson" bei O***** auch einen Bargeldbetrag in der Höhe von 34.000 Euro zur Verwahrung, den er („Jackson") „für weitere Suchtgifteinkäufe bereithielt" (S 151/Band IV).

Um der Einziehung nach § 26 Abs 1 StGB zu unterliegen, muss ein Gegenstand mit einer Anlasstat derart in Verbindung stehen, dass er vom Täter (gleichwohl ob er unmittelbarer, Bestimmungs- oder Beitragstäter ist) zu deren Begehung tatsächlich verwendet wurde, zur Verwendung bei deren Begehung bestimmt worden war oder durch die Anlasstat hervorgebracht wurde (instrumenta et producta sceleris), wenn die Einziehung nach der besonderen Beschaffenheit geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen - durch den Täter selbst oder andere Personen - entgegenzuwirken. Weil vom Täter (§ 12 StGB) erst gesprochen werden kann, wenn die Tat ins Versuchsstadium tritt, setzt diese gegen die Gefährlichkeit von Gegenständen gerichtete vorbeugende Maßnahme (damit auch die Verwendungsbestimmung) zumindest den Versuch jenes Delikts voraus, bei dessen Begehung die Verwendung geschehen soll (vgl zum Ganzen Ratz in WK² § 26 Rz 1, 3 und 4 mwN; Leukauf/Steininger StGB3 § 26 RN 8).

„Hervorgebracht" werden Gegenstände durch eine Handlung hingegen nur dann, wenn ihre körperliche Entstehung oder gegenwärtige Beschaffenheit darauf zurückzuführen ist, was etwa bei einer erlangten Beute oder - wie hier indiziert - dem Erlös aus Suchtmittelgeschäften nicht der Fall ist (Ratz aaO Rz 5). Hinsichtlich des nach den Urteilsfeststellungen als „Einkaufsreserve" für künftige, noch nicht konkretisierte Suchtgiftgeschäfte (S 151, 175/ Band IV) bereit gehaltenen Betrages von 34.000 Euro fehlt es bereits an einer Anlasstat, weshalb der Ausspruch über die Einziehung insoweit mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO behaftet ist.

Darüber hinaus ließen die Tatrichter gänzlich ungeprüft (§ 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO), ob es der vorbeugenden Maßnahme überhaupt bedurft hätte, um der - bei echten und unverfälschten Banknoten grundsätzlich zu verneinenden - spezifischen Gefahr der Begehung weiterer mit Strafe bedrohter Handlungen entgegenzuwirken, die aufgrund der besonderen Beschaffenheit der einzuziehenden Gegenstände droht (vgl Ratz aaO Rz 3, Mayerhofer StGB5 § 26 E 4). Damit steht aber auch die Einziehung des restlichen Betrages in der Höhe von 5.000 Euro mit dem Gesetz nicht im Einklang, weil die vom Erstgericht im Hinblick auf seine Bestimmung zum unmittelbar bevorstehenden Suchtgiftankauf vorgenommene Bewertung dieses Bargeldbetrages als „instrumentum sceleris" (S 175/Band IV) nicht zur abschließenden Beurteilung der dargestellten Einziehungsvoraussetzungen hinreicht und das Erstgericht demnach rechtsfehlerhaft vom eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch gemacht haben (Markel, WK-StPO § 1 Rz 43).

Die aufgezeigten Gesetzesverletzungen wirken sich zum Nachteil des Verurteilten aus (§ 292 letzter Satz StPO), sodass das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt blieb, im Einziehungserkenntnis, soweit dieses auch einen bei Chris O***** sichergestellten Bargeldbetrag von 39.000 Euro betrifft, aufzuheben und die Sache in diesem Umfang - nach Entscheidung des Gerichtshofes zweiter Instanz über die Berufungen der Angeklagten dem - unter Beachtung des § 68 StPO gemäß §§ 443 Abs 2, 445 Abs 2 StPO als Einzelrichter zuständigen Vorsitzenden des Schöffensenates des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung über den auf Abschöpfung der Bereicherung auch in Ansehung des Betrages von 39.000 Euro gerichteten Antrag der Staatsanwaltschaft (S 381/Band I) zu verweisen war.

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