Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Angela E***** wurde von der Anklage, sie habe im Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes F***** vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur fristgerechten Abgabe richtiger Umsatzsteuervoranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, und zwar
1. als Abgabepflichtige für August bis November 2002 in der Höhe von 20.741 Euro und
2. als persönlich haftende Gesellschafterin der Fa. E***** KEG für Jänner und Mai 2004 in der Höhe von 69.791,71 Euro, und hiedurch Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG begangen, nach § 214 Abs 1 FinStrG freigesprochen. Der mit dem Ziel eines Freispruchs „nach § 259 Z 3 StPO" unter Berufung auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Nichtig nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO ist ein Urteil nur, „wenn durch den Ausspruch über die Frage, ob die dem Angeklagten zur Last fallende Tat eine zur Zuständigkeit der Gerichte gehörige strafbare Handlung begründe, ein Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet wurde." Da die Angeklagte die rechtsrichtige Verneinung dieser Frage nicht in Abrede stellt, macht sie den angeführten Nichtigkeitsgrund inhaltlich gar nicht geltend (§ 285a Z 2 StPO). Die in § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO angesprochene Problematik wird vom Unterschied zwischen einem Freispruch nach § 214 FinStrG und einem solchen nach § 259 Z 3 StPO nicht berührt (13 Os 72/00, EvBl 2000/66; 14 Os 116/05y, EvBl 2006/24; aM RIS-Justiz RS0086761; zuletzt auch VwGH 29. September 2004, 2002/13/0222; unklar Ch. Huber JSt 2006, 95 [Anm zu JSt 2006/23, wo 14 Os 116/05y mit sinnverkehrtem Leitsatz wiedergegeben wird], der einerseits meint, wenn „lediglich aus den Entscheidungsgründen ersichtlich" sei, dass „ein Unzuständigkeitsfreispruch gefällt wurde", führe „die mangelnde Aufnahme" des § 214 FinStrG „in den Urteilsspruch noch nicht zu einer Nichtigkeit des Ersturteils", andererseits in einem solchen Fall gar wohl Nichtigkeit aus Z 9 lit a verwirklicht sieht). Einer anderen Auslegung steht die Wortlautgrenze der Vorschrift entgegen. Für eine gesetzesimmanente Rechtsfortbildung fehlt es an einer planwidrigen Lücke (vgl Jabloner, JBl 2006, 409 [412]). Das FinStrG kennt ohnehin keine andere Art des Freispruchs durch die Gerichte als jenen nach § 214 FinStrG, sodass nach Maßgabe des Gesetzeswortlauts jeder Freispruch vom Vorwurf eines Finanzvergehens als ein solcher nach § 214 FinStrG aufzufassen ist. Demnach wird iS des § 54 Abs 6 erster Satz FinStrG „ein gerichtliches Verfahren" nur im Fall eines Schuldspruchs „anders als durch Unzuständigkeitsentscheidung beendet". Der hinsichtlich strafbarer Handlungen nach dem FinStrG bestehende - nach den Denkgesetzen eine dritte Möglichkeit ausschließende - kontradiktorische Gegensatz von Schuldspruch einerseits und Freispruch wegen Unzuständigkeit andererseits wird von § 214 Abs 2 FinStrG ausdrücklich hervorgehoben. Die § 259 StPO ergänzende Sonderbestimmung des § 214 FinStrG hat nach der Gesetzessystematik den Zweck, einen - sonst unzulässigen (vgl Ratz, JBl 2006, 291) - Subsumtionsfreispruch in Betreff einer möglicherweise echt idealkonkurrierend begründeten, jedoch in die Zuständigkeit der Finanzstrafbehörde fallenden strafbaren Handlung und damit eine Fortsetzung des Finanzstrafverfahrens durch diese zu ermöglichen (§ 54 Abs 5 erster Satz FinStrG), indem klargestellt wird, dass der Angeklagte wegen dieses Aspekts ein- und derselben Tat iS des Art 4 des 7. ZPMRK weder verurteilt noch freigesprochen wurde (vgl § 214 Abs 1 FinStrG; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 639). Für andere Fälle eines Freispruchs im gerichtlichen Finanzstrafverfahren wurde in der Rechtsprechung auch zuletzt noch die Ansicht vertreten, dass eine zweimalige Sachverhaltsprüfung dann hintangehalten und „das gerichtliche Verfahren anders als durch Unzuständigkeitsentscheidung" mit der Rechtswirkung beendet wird, dass „die Finanzstrafbehörde ihr Verfahren und den Strafvollzug endgültig einzustellen und eine bereits ergangene Entscheidung außer Kraft zu setzen" hat (§ 54 Abs 6 erster Satz FinStrG), wenn das Gericht nach Prüfung des dem Angeklagten zur Last gelegten Verhaltens nicht bloß die Frage, ob dadurch eine gerichtlich strafbare Handlung begründet wird (vgl § 260 Abs 1 Z 2 StPO), vielmehr in sachverhaltsmäßiger Hinsicht schon die „Möglichkeit" eines finanzstrafbehördlich zu ahndenden Verhaltens verneint. Eine derartige Einschätzung der eigenen Sachverhaltsannahmen sei im Erkenntnis dadurch hervorzuheben, dass der Freispruch „nach § 259 Z 3 StPO" zu erfolgen habe, ohne dass jedoch aus der Anführung dieser Gesetzesbestimmung eine Bindung für die Verwaltungsbehörde abgeleitet wurde. Denn Art 4 des 7. ZPMRK gewährt zwar ein subjektives Recht, nicht erneut vor Gericht gestellt zu werden, nicht aber ein Informationsrecht darüber, ob im Anschluss an eine gerichtliche Unzuständigkeitsentscheidung mit einer Fortsetzung des Finanzstrafverfahrens durch die - als Gericht iS dieser Verfassungsbestimmung einzustufende - Finanzstrafbehörde gerechnet werden muss (aM VwGH 29. September 2004, 2002/13/0222). Diese sei nur - aber immerhin - insoweit an die gerichtliche Entscheidung gebunden, als ein Sachverhalt, der einem in die finanzstrafbehördliche Zuständigkeit fallenden Tatbestand subsumierbar wäre, vom Gericht ausgeschlossen wurde. Umgekehrt sah der Oberste Gerichtshof (außerhalb des von der Gesetzessystematik angesprochenen Falles echter Idealkonkurrenz) in der Anführung des § 214 FinStrG im Erkenntnis eine besondere Art von Anzeige, in welcher die für die Finanzstrafbehörde unverbindliche Rechtsauffassung des Gerichtes zum Ausdruck kam, dass ein in den Entscheidungsgründen in tatsächlicher Hinsicht für möglich gehaltenes Verhalten des Freigesprochenen einem der Beurteilung durch die Finanzstrafbehörde vorbehaltenen Tatbestand subsumierbar sein könnte, um solcherart die Verwaltungsbehörde zur Wahrnehmung ihrer Kompetenz zu veranlassen (§ 54 Abs 5 erster Satz FinStrG; vgl 13 Os 72/00, EvBl 2001/66; 14 Os 116/05y, EvBl 2006/24; Seiler/Seiler FinStrG § 214 Rz 3, 7, 10, 12; Dorazil/Harbich FinStrG § 214 Anm 7, E 6, 9, 10, 21 f; Fellner FinStrG § 214 Rz 1 f; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 627 ff und ÖJZ 2006, 318 [321]).
Schließlich hat der Oberste Gerichtshof unter Berufung auf das gewaltentrennende Organisationsprinzip des Art 94 B-VG ausgesprochen, dass das Gericht Feststellungen nur zur Beurteilung der Frage zu treffen hat, ob gerichtlich strafbare Handlungen vorliegen, nicht aber darüber hinausgehende (Negativ-)Feststellungen zu den Voraussetzungen eines finanzstrafbehördlich zu ahndenden Verhaltens (15 Os 5/06h, EvBl 2006/104).
Die Beschwerde bezeichnet daher keinen gesetzlichen Nichtigkeitsgrund und konnte bereits bei der nichtöffentlichen Beratung als unzulässig zurückgewiesen werden (§ 285d Abs 1 Z 1 StPO).
Da die Angeklagte keine Kostenersatzpflicht nach § 389 StPO trifft, fallen ihr auch keine Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 3).
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