OGH 13Os57/06s

OGH13Os57/06s23.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. August 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll, Mag. Hetlinger und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schreuer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christine H***** wegen Finanzvergehen nach §§ 37 Abs 1 lit b, 38 Abs 1 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 23. Februar 2006, GZ 37 Hv 31/05y-68, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthaltenden Urteil wurde Christine H***** (richtig:) der Finanzvergehen der Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit b, 38 Abs 1 lit a FinStrG schuldig erkannt.

Danach hat sie in Guntramsdorf und an anderen Orten „vorsätzlich die bislang unbekannten Täter eines Schmuggels nach der Tat dabei unterstützt, Sachen eines in § 37 Abs 1 lit a FinStrG bezeichneten Finanzvergehens, hinsichtlich welcher das Finanzvergehen begangen wurde, nämlich Zigaretten der Marke Superkings, mithin eingangsabgabepflichtige Waren, die vorsätzlich vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht wurden, zu verheimlichen oder zu verhandeln, indem sie Transportfahrten zwecks Verbringung der Waren nach Großbritannien durchführte, und zwar

a) am 25. April 2001

2,600.000 Stück (= 13.000 Stangen) Zigaretten,

b) am 2. Mai 2001

7,000.000 Stück (= 35.000 Stangen) Zigaretten,

wobei es ihr darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen" (strafbestimmender Wertbetrag: 1,305.906,41 Euro).

Gegen dieses Urteil richtet sich die von der Angeklagten aus Z 3, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde; diese verfehlt ihr Ziel.

Rechtliche Beurteilung

Mit der Verfahrensrüge (Z 3) macht die Angeklagte Verstöße gegen die Verlesungsbestimmungen des § 252 StPO geltend. Soweit die Beschwerde hiezu vorbringt, die Verlesung der vom Zeugen M***** im Vorverfahren gemachten Aussagen in der Hauptverhandlung sei mangels Vorliegens eines „Ausnahmetatbestandes nach § 252 Abs 1 bis 3 StPO" unzulässig gewesen, ist sie darauf zu verweisen, dass deren Verlesung bzw Vortrag (§ 252 Abs 2a StPO) gemäß § 252 Abs 1 Z 4 StPO ebenso einverständlich erfolgte (S 417/III), wie auch die in der Beschwerde gerügte Verlesung weiterer Aktenbestandteile (S 419/III). Eine Verletzung der Bestimmung des § 252 Abs 3 StPO schließlich ist nicht mit Nichtigkeit bedroht (RIS-Justiz RS0098459).

Als Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) moniert die Mängelrüge, die Tatrichter hätten die Aussage des Zeugen K***** bei der Beweiswürdigung völlig unberücksichtigt gelassen. Dieser könne die Verantwortung der Angeklagten bestätigen, wonach sie von Georg H***** und Lajos M***** aus Rache für ihre Zusammenarbeit mit der Sicherheitsbehörde falsch belastet worden sei und sie sich in diesem Zusammenhang auch von den ungarischen Auftraggebern bedroht gefühlt habe.

Im Hinblick darauf aber, dass der Zeuge K***** tatsächlich nur eine ungefähre Erinnerung an eine - nach seinem Bekunden - weder vereinbarte noch erfolgreiche Zusammenarbeit (S 257 ff/III) und keinerlei unmittelbare Wahrnehmungen zu einer Bedrohung oder möglichen Falschbelastung der Angeklagten hatte (S 253 ff/III), waren die Tatrichter zu einer gesonderten Erörterung der lediglich das mögliche Motiv einer allfälligen Falschbelastung betreffenden Aussage des Zeugen K***** nicht verhalten. Im Übrigen hat sich das Erstgericht eingehend mit der diesbezüglichen Einlassung der Angeklagten und den diese stützenden Angaben des Zeugen T***** sowie mit der Glaubwürdigkeit der Zeugen H***** und M***** auseinandergesetzt (US 7 ff).

Einen Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen den Konstatierungen, die Angeklagte habe einerseits im Übergabezeitpunkt von der Schmuggelware gewusst, andererseits aber die Beladung des Lastkraftwagens nicht selbst mitverfolgt, vermag die Beschwerde nicht darzulegen, hängt jenes Wissen doch nicht von der unmittelbaren Wahrnehmung des Beladevorgangs ab. Die Aussagen sind daher nach den Denkgesetzen nicht unvereinbar (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 439). Entgegen dem weiteren Vorbringen wurde die subjektive Tatseite nicht unzureichend begründet, sondern auf die Aussagen der Zeugen H***** und M***** gestützt (US 9). Indem die Beschwerde hiezu bloß aus den vorhandenen Beweisergebnissen andere, für die Angeklagte günstigere Schlussfolgerungen zieht, stellt sie keinen formellen Begründungsmangel dar. Die Höhe des Betrages, den die Angeklagte pro Stange erhalten haben soll, wiederum betrifft keine entscheidende Tatsache; sie wurde - dem Einwand zuwider - sehr wohl auf die Aussage des Zeugen M***** gegründet (S 449/I).

Soweit die Aufklärungsrüge (Z 5a) eine Vernachlässigung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung kritisiert, weil die Zeugen K***** und M***** (nominell verfehlt aus Z 3 und 5 gerügt) nicht (neuerlich) einvernommen wurden, legt sie nicht dar, wodurch die Angeklagte an einer entsprechenden Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert war (WK-StPO § 281 Rz 480).

Erhebliche Bedenken an der Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten Tatsachen werden auch durch die Wiederholung des zur Mängelrüge erstatteten Vorbringens und durch die isolierte Zitierung kontextentkleideter Passagen der Aussage des Zeugen H***** nicht geweckt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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