OGH 11Os7/06y

OGH11Os7/06y1.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. August 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Otto W***** wegen mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 3. Oktober 2005, GZ 29 Hv 127/05k-25, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte mehrerer, teils als unmittelbarer Täter iSd § 11 erster Fall FinStrG (I), teils als Beitragstäter iSd § 11 dritter Fall FinStrG (II) begangener Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG schuldig erkannt.

Danach hat er

(I) von Dezember 1997 bis Jänner 1999 sowie von März 1999 bis August 1999 als Geschäftsführer der S***** GmbH dadurch, dass er keine oder verspätete Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben und keine oder zu niedrige Vorauszahlungen geleistet hat, eine Verkürzung an Umsatzsteuer in der Höhe von 977.255 S (ds 71.019,89 Euro) bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten sowie (II) von Dezember 2000 bis September 2003, im Dezember 2003 sowie von April 2004 bis September 2004 als faktischer Geschäftsführer des Betriebs S*****, Inhaber: H. W*****, dadurch, dass er entgegen der von ihm gegenüber der Betriebsinhaberin übernommenen Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen diese nicht oder verspätet abgegeben und innergemeinschaftliche Erwerbe als inländische verbucht hat, zu einer Verkürzung an Umsatzsteuer in der Höhe von 199.331,69 Euro beigetragen und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 9 lit a, 9 lit b und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl. Entgegen der Mängelrüge (Z 5) hat das Erstgericht die Feststellungen zur Höhe des strafbestimmenden Wertbetrags zu Recht auf die rechtskräftigen Abgabenbescheide gegründet (US 12 f), weil diesen nach ständiger Judikatur die dem Resultat eines fachspezifischen Ermittlungsverfahrens inhärente Bedeutung einer qualifizierten Vorprüfung der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des jeweils aktuellen Finanzvergehens zukommt (14 Os 127/90, EvBl 1992/26,93 [verst Senat]; zuletzt 14 Os 145/05p). Das (gegebenenfalls aus Z 5 zweiter Fall bedeutsame) Vorliegen den Abgabenbescheiden widersprechender Verfahrensergebnisse wird von der Beschwerde nicht einmal behauptet.

Der Einwand, die angefochtene Entscheidung enthalte hinsichtlich des Schuldspruchs I keine Feststellungen zum Verschulden des Beschwerdeführers (der Sache nach Z 9 lit a), übergeht die diesbezüglichen Urteilskonstatierungen (US 9 f). Soweit mit dem Vorbringen zur Verschuldensfrage die mangelnde Erörterung des allfälligen Insolvenzeintritts der S***** GmbH kritisiert wird, unterlässt die Rüge die gebotene Bezugnahme auf konkrete Ergebnisse des Erkenntnisverfahrens. Hinzu kommt, dass die steuerliche Erklärungspflicht durch den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nicht tangiert wird.

Die Behauptung, die Feststellung, der Beschwerdeführer habe bezüglich des Betriebs S*****, Inhaber: H. W*****, die Verpflichtung zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen übernommen (US 10), sei aktenwidrig, verkennt das Wesen dieses Nichtigkeitsgrundes, der nur dann vorliegt, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 467), was die Rüge aber nicht vorbringt. Aus welchem Grund es einem sog faktischen Geschäftsführer eines Unternehmens nicht möglich sein soll, gegenüber der de-iure-Geschäftsleitung abgabenrechtliche Verpflichtungen zu übernehmen (und solcherart - wie hier - zu Abgabenverkürzungen beizutragen), vermag die Beschwerde nicht darzulegen. Das Erstgericht stützt die Feststellung des Umsatzsteuer-Verkürzungsbetrags für den Zeitraum Mai 2001 bis Dezember 2001 ua - aktenkonform (S 121 iVm S 21) - auf die zeugenschaftlichen Depositionen des Betriebsprüfers Robert Wi***** (US 12). Dessen Aussage, die innergemeinschaftlichen Erwerbe seien in diesem Zeitraum nach seiner Erinnerung ordnungsgemäß verbucht worden (S 121), bedurfte als nicht entscheidungswesentlich keiner Erörterung, weil es rechtlich unerheblich ist, aufgrund welcher - von mehreren, für den gesamten Tatzeitraum zutreffend festgestellten - Malversation die (mit mängelfreier Begründung konstatierte) Abgabenverkürzung in jedem einzelnen Fall bewirkt worden ist. Das Vorbringen zur Aussage des Zeugen Martin St***** (S 121 - 125) erschöpft sich darin, den diesbezüglichen Überlegungen der Tatrichter eigene, dem Beschwerdeführer günstige Beweiswerterwägungen entgegenzustellen, und bekämpft insoweit nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise die tatrichterliche Beweiswürdigung. Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) Feststellungen dazu vermisst, „welche" zu niedrigen Vorauszahlungen geleistet worden sind und wann dies geschehen ist, unterlässt sie es darzulegen, inwiefern diese Umstände schuld- oder subsumtionsrelevant sein sollen. Die Beschwerdebehauptung, die angefochtene Entscheidung lasse den Zeitpunkt der Abgabenfälligkeit nicht erkennen, übergeht die Feststellung der Verkürzungszeiträume und den damit zusammenhängenden Verweis auf § 21 UStG (US 2 f, 9 f).

Der Einwand, allein die Verbuchung innergemeinschaftlicher Erwerbe als inländische erfülle nicht den Tatbestand des § 33 (fallbezogen wohl gemeint) Abs 2 lit a FinStrG, ignoriert den Umstand, dass die diesbezüglichen Malversationen dem Beschwerdeführer als Beitragshandlungen (§ 11 dritter Fall FinStrG) angelastet worden sind (US 3).

Das Vorbringen, die angefochtene Entscheidung lasse nicht erkennen, inwieweit die Voraussetzungen der Verordnung BGBl II 2003/584 erfüllt gewesen seien, leitet nicht aus dem Gesetz ab, aus welchem Grund dies fallbezogen schuld- oder subsumtionsrelevant sein soll, und legt überdies nicht dar, aufgrund welcher Verfahrensergebnisse diesbezügliche Feststellungen indiziert gewesen seien. Die den Strafaufhebungsgrund der Verjährung reklamierende Rechtsrüge aus Z 9 lit b unterlässt die Orientierung am Wortlaut des § 31 FinStrG, wonach die Verjährungsfrist für die gegenständlichen Finanzvergehen fünf Jahre beträgt (§ 31 Abs 2 FinStrG), wobei im Fall neuerlicher Begehung von Finanzvergehen (hier von 1998 bis einschließlich September 2004 - US 2 f) während dieser Frist die Verjährung nicht eintritt, bevor auch für die Folgetaten die Verjährungsfrist abgelaufen ist (§ 31 Abs 3 FinStrG), und überdies in die Frist die Zeit nicht eingerechnet wird, während der wegen der Tat(en) gegen den Täter ein Strafverfahren (hier seit April 2005 - S 3b) anhängig ist (§ 31 Abs 4 lit b FinStrG).

Der Einwand der Sanktionsrüge (Z 11), § 33 Abs 5 FinStrG sehe die Verhängung einer Freiheitsstrafe nur neben dem Ausspruch einer Geldstrafe vor, kann auf sich beruhen, zumal der Beschwerdeführer durch das Unterbleiben der Verhängung einer Geldstrafe nicht beschwert ist.

Das Vorbringen zu den Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall (§ 41 FinStrG) geht schon im Ansatz fehl, weil das Erstgericht die Freiheitsstrafe innerhalb des durch § 33 Abs 5 FinStrG determinierten Strafrahmens ausgemessen, die Bestimmung des § 41 FinStrG also nicht angewendet hat.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Gerichtshof zweiter Instanz zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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