OGH 4Ob114/06b

OGH4Ob114/06b12.7.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erika W*****, vertreten durch Mag. Johannes Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Ing. Karl W*****, vertreten durch Dr. Christian Widl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung gem § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO (Streitwert 36.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 4. April 2006, GZ 43 R 178/06d-22, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Mit dem Vorbringen, die Einvernahme einer Auskunftsperson sei zu Unrecht unterblieben, macht die Zulassungsbeschwerde einen Verfahrensmangel erster Instanz geltend, den das Rekursgericht behandelt und verneint hat. Daran ist der Oberste Gerichtshof gebunden (Kodek in Rechberger, ZPO² § 528 Rz 1 mwN; Kodek in Angst, EO, § 402 Rz 18).

2. Auch im Sicherungsverfahren ist die Überprüfung der Beweiswürdigung des erkennenden Richters durch das Rekursgericht ausgeschlossen, soweit dieser - wie hier - den Sachverhalt auf Grund vor ihm abgelegter Zeugenaussagen oder Parteienaussagen als bescheinigt angenommen hat (RIS-Justiz RS0012391). Das Rekursgericht hat deshalb frei von Rechtsirrtum eine Behandlung der Beweisrüge abgelehnt.

3. Es entspricht ständiger Judikatur, dass auch die Deckung notwendiger Prozess- und Anwaltskosten zum Unterhalt zählt (RIS-Justiz RS0005627). Reichen die laufenden Unterhaltsbeiträge zur Begleichung derartiger Kosten nicht aus, hat der Unterhaltspflichtige aus Anlass eines solchen Sonderbedarfs zusätzliche Zahlungen zu leisten, soweit ihm dies nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen zumutbar ist (RIS-Justiz RS0013486; Kodek in Angst, EO § 382 Rz 45 mwN).

Der Oberste Gerichtshof hat auch schon ausgesprochen, dass es keinen Unterschied macht, ob es sich um einen „echten" Vorschuss für die Kosten eines erst einzuleitenden Verfahrens oder um bereits entstandene Honorarverbindlichkeiten für die Vertretung in einem Gerichtsverfahren handelt, die noch nicht fällig oder zumindest noch nicht bezahlt sind. Besteht materiell ein Anspruch auf (zusätzlichen) Unterhalt wegen eines anzuerkennenden Sonderbedarfs, ist der Unterhaltsberechtigte, dem seine Verbindlichkeit (gesetzlich oder vertraglich) „gestundet" wurde, ebenso schutzwürdig wie derjenige, der das kostenverursachende Verfahren erst anhängig machen will (1 Ob 67/05t; RIS-Justiz RS0013486 [T5]; RS0119976).

Ein Geldbedarf des Unterhaltsberechtigten im aufgezeigten Sinn ist auch dann zu bejahen, wenn das auf Seiten der gefährdeten Partei im Provisorialverfahren angefallene Anwaltshonorar - etwa mangels Fälligkeit des Honoraranspruchs - bei Antragstellung noch nicht bezahlt war und die gefährdete Partei nicht in der Lage ist, die erforderlichen Geldmittel selbst aufzubringen (1 Ob 67/05t). Bescheinigt ist, dass der Klägerin im Scheidungsverfahren und auch in den von ihr weiters geführten Verfahren auf Unterhalt und auf Ersatz von Detektivkosten beträchtliche Anwaltskosten entstanden sind. Die Klägerin verfügt über kein Einkommen und erhält keine Unterhaltsleistungen vom Beklagten, der zumindest 4.000 EUR monatlich verdient und neben Lebenshaltungskosten von monatlich 1.000 EUR weitere Aufwendungen von rund 950 EUR monatlich zu tragen hat. Das Rekursgericht ist von den Grundsätzen der zuvor wiedergegebenen Rechtsprechung nicht abgewichen, wenn es bei diesen wirtschaftlichen Verhältnissen der Parteien die erstgerichtliche Entscheidung bestätigt hat, wonach der Beklagte im Rahmen seiner Unterhaltspflicht gehalten ist, der Klägerin neben einem vorläufigen Unterhalt von 1.000 EUR monatlich zusätzlich 5.000 EUR als Prozesskostenvorschuss zur Verfügung zu stellen. Die vom Rechtsmittelwerber aufgezeigte Gefahr einer Doppelbelastung, soweit die Klägerin bereits über einen vollstreckbaren Titel für Prozesskosten verfügt, besteht deshalb nicht, weil die Klägerin über die vorschussweise erhaltenen Beträge verrechnungspflichtig ist.

Stichworte