Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Den Berufungen wird insoweit Folge gegeben, dass die Freiheitsstrafe auf 3 (drei) Jahre erhöht und gemäß § 43a Abs 4 StGB ein Teil von 2 (zwei) Jahren unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen wird.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Manfred Sp***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I), der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2, Abs 3 zweiter Fall StGB idF BGBl 1989/242, teilweise in der Entwicklungsstufe des Versuches nach § 15 StGB (II), der Vergehen der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60, teilweise in der Entwicklungsstufe des Versuches nach § 15 StGB (III), der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB idF BGBl I 1989 (gemeint 1998, vgl US 5)/153 und I 2001/130 (IV) sowie der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 (V) schuldig erkannt.
Danach hat er
I. im Zeitraum Sommer 1986 bis 30. Juni 1989 in Stattegg Silke P***** in Abständen von zwei bis vier Wochen an nicht näher bekannten Tagen in wiederholten Angriffen mit Gewalt, indem er sie an beiden Händen am Oberkörper festhielt, zur Duldung des Beischlafs genötigt,
II. vom 1. Juli 1989 bis Jahresende 1990 in Stattegg Silke P***** in Abständen von zwei bis vier Wochen an nicht näher bekannten Tagen in wiederholten Angriffen außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB mit Gewalt, indem er sie an beiden Händen oder am Oberkörper festhielt, durch Entziehen der persönlichen Freiheit, indem er seine Wohnungstür versperrte, und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gegen Angehörige, indem er äußerte, im Falle der Verweigerung ihrer Schwester Manuela P***** und ihrer Nichte Sabrina P***** etwas anzutun, zur Duldung des Beischlafs, zur Vornahme des Oralverkehrs, wobei es teilweise beim Versuch blieb, und zur Duldung des Einführens seiner Finger in ihre Scheide, mithin jeweils dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen genötigt, wobei Silke P***** durch die Taten längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wurde,
III. im Zeitraum Sommer 1986 bis 30. Juni 1989 außer den Fällen der §§ 201 bis 203 StGB idF BGBl 1974/60 in Stattegg Silke P***** in Abständen von 2 bis 4 Wochen an nicht näher bekannten Tagen in wiederholten Angriffen mit Gewalt, indem er sie nach Versperren der Wohnungstür an den Händen sowie am Oberkörper festhielt, und durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper gegen Angehörige, indem er äußerte, im Falle der Verweigerung ihrer Schwester Manuela P***** und ihrer Nichte Sabrina P***** etwas anzutun, zur Unzucht, nämlich zur Vornahme des Oralverkehrs, wobei es teilweise beim Versuch blieb, zur Duldung des Einführens seiner Finger in ihre Scheide und in einem Angriff auch zum Reiben seines Gliedes mit der Hand genötigt,
IV. im Zeitraum Sommer 1986 bis 4. August 1988 durch die unter Punkt I geschilderten Tathandlungen mit der am 5. August 1974 geborenen, mithin unmündigen Silke P***** den Beischlaf unternommen und
V. im Zeitraum Sommer 1986 bis 4. August 1988 die am 5. August 1974 geborene, mithin unmündige Silke P***** durch die unter Punkt III geschilderten Tathandlungen auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht, wobei es teilweise beim Versuch blieb. Das erkennende Schöffengericht hatte zufolge des in dieser Sache ergangenen Erkenntnisses des Obersten Gerichtshofes vom 23. August 2005, GZ 11 Os 35/05i-8 (= ON 62 der Hv-Akten), seiner Entscheidung den im ersten Rechtsgang erfolgten, von der Aufhebung der Schuld- und Strafaussprüche unberührt gebliebenen Wahrspruch der Geschworenen (S 103 ff/II, ON 54) zugrunde zu legen (§ 349 Abs 2 StPO).
Rechtliche Beurteilung
Die vom Angeklagten aus Z 8, 9 lit b, 10 und 11 zweiter Fall des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt. Die Tatrichter trafen die zusätzliche Feststellung, dass die Tathandlungen Silke P***** aufgrund ihrer „körperlichen Anomalie (Vagina duplex und Uterus duplex) große Schmerzen verursachten" und eine „psychisch traumatisierende Wirkung bei ihr hinterließen" (US 5). Wiewohl die Geschworenen im ersten Rechtsgang die in der Anklageschrift (ON 32) angeführten Tatfolgen (im Sinne von § 201 Abs 3 erster Fall StGB idF BGBl 1989/242 iVm § 84 Abs 1 StGB) verneint hatten, ging die Identität von angeklagter und verurteilter Tat durch die genannten Annahmen - der Rüge aus Z 8 zuwider - keineswegs verloren (Fabrizy StPO9 § 262 Rz 1). Es kann somit von einer Anklageüberschreitung (§ 267 StPO), die nur durch einen (vorliegend qualifizierende Verletzungsfolgen jeweils gar nicht beinhaltenden) Schuldspruch erfolgen kann (RIS-Justiz RS0099694; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 502 f, 265 ff), keine Rede sein.
Die in diesem Zusammenhang erhobene Subsumtionsrüge (Z 10) geht urteilsfremd (US 4, 6) davon aus, das Erstgericht habe die Qualifikation nach § 201 Abs 3 erster Fall StGB idF BGBl 1989/242 iVm § 84 Abs 1 StGB angenommen, und entzieht sich somit sachlicher Erwiderung.
Nicht minder falsch ist die Prämisse, aufgrund der zusätzlich getroffenen Feststellungen zu den Tatfolgen sei es „dem Erstgericht nunmehr trotz eindeutiger Verneinung der Qualifikation des § 201 Abs 2, Abs 3 erster Fall StGB idF BGBl 1989/242 durch die Geschworenen gelungen, eine Subsumtion unter § 201 Abs 2, Abs 3 zweiter Fall StGB idF BGBl 1989/242 zu erreichen". Die letztgenannte Qualifikation enthielt vielmehr - entgegen dem Vorbringen aus Z 11 zweiter Fall - schon der Wahrspruch der Geschworenen im ersten Rechtsgang (ON 54 - US 4; S 105/II), an den das Schöffengericht gebunden war (§ 349 Abs 2 StPO).
Ebenso wenig trifft die Strafzumessungsrüge (Z 11 zweiter Fall) mit der Behauptung eines Verstoßes gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) zu. Die oben zitierten (nicht strafsatzändernden) Tatfolgenfeststellungen bezogen sich klar auf die körperliche Besonderheit des Opfers und deren Einfluss gerade auf die Beischlafsaktivitäten des Angeklagten. Sie sind daher nicht gleichzusetzen mit dem qualifikationsbegründenden Umstand, dass das missbrauchte Mädchen durch die Gesamtheit der - nicht nur aus Beischlaf bestehenden - Tathandlungen längere Zeit in einen qualvollen Zustand versetzt worden war.
Soweit die Subsumtionsrüge (Z 10) zum Schuldspruch II das Fehlen von Feststellungen eines auf die Deliktsqualifikation nach § 201 Abs 3 zweiter Fall StGB idF BGBl 1989/242 gerichteten Vorsatzes (vgl Schick in WK² § 201 Rz 32) behauptet, leitet sie nicht aus einem Vergleich mit dem Gesetz ab, aus welchem Grund das vermisste, im Gesetz (§ 7 Abs 1 StGB) subintellegierte Vorsatzmerkmal Gegenstand des entsprechenden, der Entscheidung (US 5) gemäß § 349 Abs 2 StPO (im Sinne des in dieser Sache ergangenen Erkenntnisses des Obersten Gerichtshofes - vgl S 174, 181/II) zugrunde gelegten Wahrspruches der Geschworenen zur Hauptfrage 2 (S 119 f/II) hätte sein müssen (14 Os 110/05s).
Den schon im ersten Rechtsgang erstatteten Rechtsmittelausführungen zur Verjährung (Z 9 lit b) sind die in diesem Verfahren bereits zu 11 Os 35/05i-8 (S 10 ff des Erkenntnisses) dargelegten Argumente - auf die zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen zu verweisen ist - entgegenzuhalten (zur Unbeachtlichkeit von Änderungen außerstrafrechtlicher Gesetze ohne Änderung der strafrechtlichen Bewertung menschlichen Verhaltens vgl überdies jüngst 15 Os 95/05t). Das beantragte Vorgehen in Richtung § 8 OGHG scheidet aus: Die Voraussetzungen des Abs 1 leg cit liegen nicht vor, weil dem vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Erkenntnis 14 Os 111/02 ein Sachverhalt zugrunde lag, der einen Günstigkeitsvergleich hinsichtlich des Erreichens der Volljährigkeit nicht erforderte, weshalb eine uneinheitliche Antwort auf eine Rechtsfrage somit gar nicht vorliegen kann (Z 2); ebenso wenig existiert zu diesem Problemkreis eine ständige Rechtsprechung oder eine Entscheidung eines verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes (Z 1). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 201 Abs 1 StGB (idgF [Strafrahmen sechs Monate bis zehn Jahre], wiewohl an sich § 201 Abs 3 StGB idF BGBl 1989/242 [Strafrahmen ein Jahr bis zehn Jahre] zu Grunde zu legen gewesen wäre, was allerdings ungerügt blieb) eine zweijährige Freiheitsstrafe. Dabei wertete es den Umstand, dass Manfred Sp***** vor den strafbaren Handlungen einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat und die Taten mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch standen, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, dass die Taten schon vor langer Zeit begangen wurden und sich der Angeklagte seither wohl verhalten hat, als mildernd, als erschwerend jedoch den langen Deliktszeitraum und die Vielzahl der in gleichartiger und ungleichartiger Real- und Idealkonkurrenz begangenen Taten sowie die physischen Schmerzen des Opfers und die psychischen Folgen.
Die Staatsanwaltschaft begehrt eine Erhöhung der Unrechtsfolge, der Angeklagte deren Reduktion sowie (teil-)bedingte Vollzugsnachsicht. Die Berufung des öffentlichen Anklägers ist im Ergebnis berechtigt, jene des Angeklagten im zweiten Anfechtungspunkt.
Mag der Angeklagte auch seinem Opfer 3.000 Euro (US 5; S 188/II) bezahlt haben (§ 34 Abs 1 Z 15 StGB) sowie zu weiteren Zahlungen bereit sein und war die Verjährungszeit vor Einleitung des Strafverfahrens nahezu abgelaufen (US 6), gebieten der hohe - in Geld kaum messbare - Unrechts- und Schuldgehalt (§ 32 Abs 2, Abs 3 StGB) der oftmals trotz dem Täter bekannter Schmerzen des malträtierten Mädchens (S 153, 307/I) wiederholten Taten eine höhere strafrechtliche Entsprechung, die nur zufolge des sonstigen Lebenswandels des Angeklagten noch im unteren Drittel des Strafrahmens bleiben kann und mit drei Jahren festzusetzen war. Das langjährige Wohlverhalten nach Ende der Delinquenz rechtfertigt eine Prognose im Sinne von § 43a Abs 4 StGB. Diese Sanktion genügt fallbezogen der generalpräventiven Notwendigkeit der nachhaltigen Abschreckung anderer präsumtiver Verletzer der gerade für Heranwachsende besonders bedeutsamen sexuellen Integrität und Selbstbestimmung.
Somit war die auf drei Jahre erhöhte Freiheitsstrafe nach der genannten Gesetzesstelle in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang teilweise bedingt nachzusehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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