OGH 13Os19/06b

OGH13Os19/06b14.6.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Juni 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll, Mag. Hetlinger und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richterin im Evidenzbüro Dr. Kropiunig als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hasan C***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruches über die privatrechtlichen Ansprüche sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 4. Oktober 2005, GZ 27 Hv 91/05t-42, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hasan C***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I.) sowie der Vergehen der Entfremdung eines unbaren Zahlungsmittels nach § 241e Abs 1 StGB (II.), des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls nach §§ 127, 15 StGB (III.), der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (IV.) und der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB (V.) schuldig erkannt. Danach hat er in Linz im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Ergin G*****

I. am 16. Mai 2004 dem Franz N***** mit gegen diesen gerichteter Gewalt, nämlich durch Schläge auf den Hinterkopf und durch Versetzen von Tritten, fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Geldklammer mit 40 Euro Bargeld und ein Handy im Wert von ca 250 Euro mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz (US 5) weggenommen;

II. am 16. Mai 2004 sich ein unbares Zahlungsmittel, über das sie nicht verfügen durften, nämlich die durch die in Punkt I. beschriebene Handlung erlangte Bankomatkarte des Franz N***** mit dem Vorsatz verschafft, sich durch deren Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig zu bereichern;

III. fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen bzw wegzunehmen versucht:

  1. 1. am 16. Mai 2004 400 Euro dem Franz N***** durch Bankomatbehebung;
  2. 2. am 17. Mai 2004 einen nicht bekannten Bargeldbetrag dem Franz N***** durch Bankomatbehebung, wobei es beim Versuch geblieben ist;

    IV. am 16. Mai 2004 eine Urkunde, über die sie nicht verfügen durften, nämlich die Jahreskarte der L***** AG der Brigitte N***** mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes und einer Tatsache gebraucht werde, indem sie diese anlässlich der zu Punkt I. beschriebenen Handlung an sich nahmen und wegwarfen;

    V. am 16. Mai 2004 einen anderen dadurch dauernd geschädigt, dass sie die anlässlich der zu Punkt I. beschriebenen Handlung an sich genommenen Schlüssel und das Ausweisetui des Franz N***** wegwarfen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Sie verfehlt ihr Ziel.

Soweit die Beschwerde eine mangelnde Auseinandersetzung mit den Ergebnissen des photogrammetrischen Gutachtens als Unvollständigkeit der Begründung (Z 5 zweiter Fall) rügt, übergeht sie die diesbezüglichen Erwägungen der Tatrichter (US 6). Die Tatsache, dass etwa ein Promille der (männlichen, vgl S 266) Bevölkerung dieselbe Bildgeometrie aufweisen, wurde dabei ausdrücklich berücksichtigt. Zu einer näheren Erörterung des als stichhältig erachteten Gutachtens war das Schöffengericht nicht verhalten (RIS-Justiz RS0098716). Die weitere Behauptung, wonach die Ausführungen des Erstgerichtes zu der von ihm vorgenommenen Subsumtion der festgestellten Taten (US 8 fünfter Absatz) eine Scheinbegründung darstellen (Z 5 vierter Fall), verkennt, dass es sich bei dieser Textpassage um rechtliche Erwägungen auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen handelt, die nicht Gegenstand der Mängelrüge sind.

Die das Vorbringen der Mängelrüge im Wesentlichen wiederholende, ebenfalls den Beweiswert des photogrammetrischen Gutachtens unter Hervorhebung einzelner Ausführungen des Sachverständigen bei gleichzeitigem Außerachtlassen des Gesamtzusammenhanges der Beweisergebnisse abweichend beurteilende Tatsachenrüge (Z 5a) vermag keine sich aus dem Akteninhalt ergebenden erheblichen Bedenken an der Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Feststellungen entscheidender Tatsachen zu erwecken. Die Tatrichter haben die Täterschaft des Angeklagten nämlich nicht allein aus diesem Beweismittel erschlossen, sondern - bei gleichzeitiger Verwerfung der den Angeklagten entlastenden Aussage des Zeugen G***** (US 6 letzter Absatz) - logisch und empirisch einwandfrei auch auf die sicherheitsbehördlichen Erhebungen, wonach der Angeklagte zum Freundeskreis dieses Ergin G***** gehörte, und auf die anlässlich der Bankomatbehebungen angefertigten Lichtbilder gestützt, die zu ungewöhnlichen Zeiten, nämlich kurz nach dem Überfall um 6 Uhr des 16. Mai 2004 sowie um 1 Uhr des 17. Mai 2004 die Anwesenheit einer hinter Ergin G***** stehenden, wegen der jeweils getragenen auffallenden Jacke mit „Nike"-Logo offenbar identen Person dokumentieren.

Der Vorwurf, die Tatrichter wären ihrer Verpflichtung zur amtswegigen Wahrheitsforschung nicht nachgekommen, weil sie kein zusätzliches Sachverständigengutachten eingeholt hätten, geht ins Leere. Denn der Beschwerdeführer legt nicht dar, wodurch er an der Wiederholung des zunächst in der Hauptverhandlung vom 21. Juni 2005 gestellten, im Übrigen Mängel des Gutachtens im Sinne der §§ 125 f StPO nicht einmal behauptenden Antrages auf Ergänzung des Gutachtens bzw Einholung eines weiteren photogrammetrischen Gutachtens (S 239) in der Hauptverhandlung am 4. Oktober 2005, in der das Sachverständigengutachten vorgetragen und ausführlich erörtert wurde, gehindert gewesen wäre (Ratz WK-StPO § 281 Rz 480). Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) bestreitet die Urkundeneigenschaft (§ 74 Abs 1 Z 7 StGB) der Jahreskarte der Linz AG (IV.), übergeht dabei aber einerseits die diese bejahenden Feststellungen des Erstgerichtes (US 5) und legt andererseits nicht dar, weshalb die Jahreskarte der Linz AG nicht den gesetzlichen Urkundenbegriff erfüllen soll, und aus welchen Verfahrensergebnissen dies abzuleiten sei. Die von ihr (nominell aus Z 5, der Sache nach Z 9 lit a) vermissten Konstatierungen zum rechtserheblichen Inhalt der in Rede stehenden Jahreskarte wurden von den Tatrichtern mit dem Verweis auf die Urkundeneigenschaft und den darauf bezogenen Vorsatz des Angeklagten, deren Gebrauch zu (damit als angenommenen) Beweiszwecken zu verhindern (US 5), mit gerade noch hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht.

Bleibt anzumerken, dass sich nach nunmehr gefestigter Judikatur (RIS-Justiz RS0111521) die Zuständigkeit zur Entscheidung über einen Widerruf bei nachträglicher Verurteilung (§ 55 StGB) nach § 495 Abs 2 StPO und nicht - wie hier angenommen - nach § 494a StPO richtet. Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285d Abs 1 StPO) hat die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Linz zur Entscheidung über die Berufungen zur Folge (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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