OGH 10Nc12/06f

OGH10Nc12/06f1.6.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wilhelm Schlein Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei K*****-GmbH, *****, CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 82.172,33 sA, über den Antrag der Beklagten auf Delegation den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Zur Verhandlung und Entscheidung dieser Rechtssache wird anstelle des Bezirksgerichts Graz das Bezirksgericht Innere Stadt Wien bestimmt.

Text

Begründung

Die in Wien ansässige Klägerin begehrt mit ihrer am 11. 8. 2003 beim Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz (nunmehr: Bezirksgericht Graz) eingebrachten Klage von der beklagten Mieterin die Bezahlung eines - nach Mietzinserhöhung gemäß § 12a MRG ab 1. 9. 2000 - bis zum Stichtag 31. 12. 2001 aufgelaufenen Mietzinsrückstandes von EUR 82.127,33 sA hinsichtlich des Bestandobjektes M*****, 8010 Graz. Die Klägerin beantragte Parteienvernehmung und machte unter anderem zwei in Wien zu ladende Zeugen namhaft.

Die Beklagte beantragte Klageabweisung, bestritt die Höhe des Klagebegehrens und wendete Gegenforderungen ein. Sie berief sich unter anderem auf einen in Perchtoldsdorf bei Wien wohnenden Zeugen und auf die Parteienvernehmung ihres in Wien wohnhaften Geschäftsführers.

In der mündlichen Streitverhandlung vom 18. 9. 2003 (ON 4) wurde das Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des Msch-Verfahrens unterbrochen. Am 24. 1. 2006 (ON 5) stellte die Klägerin unter Hinweis auf die Rechtskraft des Beschlusses des Obersten Gerichtshofes vom 29. 11. 2005, 5 Ob 259/05g, einen Fortsetzungsantrag.

Mit Schriftsatz vom 3. 5. 2006 (ON 17) beantragte die Beklagte die Delegierung der Rechtssache aus Zweckmäßigkeitsgründen gemäß § 31 JN an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien. Zwischen den Parteien seien drei Parallelverfahren vor dem Bezirksgericht Graz betreffend Mietzinsrückstände aus Indexanpassungen hinsichtlich des streitgegenständlichen Objektes anhängig. Die Beklagte bestreite jeweils die Klageforderung und wende Gegenforderungen ein. Die drei verschiedenen Richter hätten sich auf die von beiden Parteien beantragte Verbindung jedoch nicht einigen können. Der Sitz der Parteien und ihrer Vertreter befinde sich in Wien. Gleiches gelte für einen Großteil der beantragten Zeugen, die ebenfalls in Wien oder nur wenige Kilometer von Wien entfernt wohnten.

Mit Schriftsatz vom 4. 5. 2006 (ON 18) verkündete die Klägerin einer Richterin der Bezirksgerichtes Graz (die bis 30. 9. 2004 Hauptmieterin der „P*****Flächen" im streitgegenständlichen Objekt gewesen sei und von der Rechtsvorgängerin der Klägerin eine Mietrechtsablöse erhalten habe) den Streit und forderte diese auf, dem Verfahren auf Seiten der Klägerin beizutreten.

Die Klägerin schloss sich in ihrer Bekanntgabe vom 10. 5. 2006 (ON 21) dem Delegierungsantrag der Beklagten ausdrücklich an. Im Hinblick auf die vom Gericht aufgrund der Streitverkündung der Klägerin an die Richterin des Bezirksgerichtes Graz „in Aussicht gestellte Befangenheit" und den Umstand dass dem Verbindungsantrag nicht stattgegeben werde, erscheine eine Delegierung jedenfalls zweckmäßig. Das Bezirksgericht Graz verwies in seiner Äußerung zum Delegierungsantrag gemäß § 31 Abs 3 JN „insbesondere auf die Streitverkündung ON 18".

Rechtliche Beurteilung

Dem Delegierungsantrag ist stattzugeben.

Nach § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung soll zwar nur den Ausnahmefall darstellen und keinesfalls durch eine großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (stRsp; RIS-Justiz RS0046324; RS0046441). Im vorliegenden Fall ist jedoch der Delegierungswerberin und den Äußerungen beizupflichten:

Nach ständiger Rechtsprechung ist im Falle einvernehmlicher Antragstellung bei der zu treffenden Ermessensentscheidung nämlich kein allzu strenger Maßstab anzulegen, zumal in § 31a Abs 1 ZPO sogar ein die Gerichte bindender Überweisungsantrag der Parteien vorgesehen ist (Mayr in Rechberger² Rz 4 zu § 31 JN; RIS-Justiz RS0046233). Schon in Anbetracht des Wohnortes eines Großteils der zu vernehmenden Personen in Wien oder in der Nähe Wiens kann daher der begehrten Überweisung die Zweckmäßigkeit nicht gänzlich abgesprochen werden (8 Ob 27/04v).

Stichworte