Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthält, wurde Alois H***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (A) und des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (B) schuldig erkannt.
Danach hat er zu einem unbekannten Zeitpunkt zwischen 7. und 20. Oktober 2005 in Hallein
A) an seiner am 27. August 1998 geborenen, sohin unmündigen
Stiefenkelin Sarah C***** eine geschlechtliche Handlung vorgenommen, indem er sie mit seiner Hand an der Scheide betastete;
B) durch die unter A angeführte Tat an seiner minderjährigen
Stiefenkelin, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung dieser Stellung eine geschlechtliche Handlung vorgenommen. Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.
Rechtliche Beurteilung
Unter dem erstangeführten Nichtigkeitsgrund (Z 3) macht der Beschwerdeführer eine Verletzung des § 252 Abs 1 StPO geltend. Die Vorführung der Videoaufzeichnung über die kontradiktorische Vernehmung der Zeugin Sarah C***** sei zu Unrecht erfolgt, weil diese nicht in der Hauptverhandlung von ihrem Entschlagungsrecht Gebrauch gemacht hat.
Dem Gesetz kann jedoch nicht entnommen werden, dass eine Entschlagungserklärung nur in der Hauptverhandlung abgegeben werden darf (vgl ständige Judikatur RIS-Justiz RS0111315). Auch die Einordnung des § 252 Abs 1 Z 2a StPO in das XVIII. Hauptstück der Strafprozessordnung stellt kein Argument dagegen dar, weil gerade § 252 Abs 1 Z 2 StPO von einem „in der Hauptverhandlung Vernommenen" spricht, während Z 2a leg cit keine Beschränkung auf eine Verweigerung der Aussage in der Hauptverhandlung enthält. Die Zeugin C***** hat bei der kontradiktorischen Vernehmung am 29. November 2005 nach entsprechender Belehrung vor dem Untersuchungsrichter angegeben, dass sie in einer Hauptverhandlung nicht mehr als Zeugin aussagen wolle (S 140). Diese Erklärung wurde vom erkennenden Senat anerkannt, weshalb die Vorführung des Videobandes ohne Verletzung des § 252 Abs 1 StPO erfolgte. Die auf § 281 Abs 1 Z 4 StPO gestützte Verfahrensrüge moniert die Abweisung des Antrages auf Vernehmung der Zeugin Sarah C***** in der Hauptverhandlung zum Beweis dafür, dass es „keine sexuellen Übergriffe seitens des Beschuldigten" an dem Mädchen gegeben habe (S 361).
Erklärt ein Zeuge aber bereits vor der Hauptverhandlung unmissverständlich, vom Entschlagungsrecht Gebrauch machen zu wollen, hat der Antragsteller darzutun, weshalb erwartet werden kann, dass sich der Zeuge gleichwohl zur Aussage bereit finden werde. Geschieht dies - wie hier - nicht, hat der Antrag bloßen Erkundungscharakter. Er wurde daher von den Tatrichtern zu Recht abgewiesen (vgl ständige Judikatur RIS-Justiz RS0117928; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 331). Die undifferenziert ausgeführte Mängel- (Z 5) und Tatsachenrüge (Z 5a) sind unbegründet.
Das Erstgericht hat in einer ausführlichen, alle wesentlichen Umstände berücksichtigenden Beweiswürdigung dargetan, warum es die leugnende Verantwortung des Angeklagten als widerlegt erachtete (US 15 bis 23).
Die Überzeugung der Tatrichter, die Aussagen der Zeugen C***** seien „nicht durch einen Rückgriff auf akustische und/oder visuelle Wahrnehmungsprozesse oder dadurch erklärbar, dass die minderjährige Zeugin anderweitige eigene ichnahe Erlebnisse fälschlicherweise auf H***** übertragen hätte", blieb keineswegs unbegründet, sondern findet ihre Deckung in den Aussagen der pädagogisch und psychologisch gebildeten Zeugen S*****, Mag. Sa*****, N***** und B***** (US 18 f). Kein Widerspruch besteht zwischen dem Verweis auf die Spontanmitteilung des Kindes gegenüber der Sonderpädagogin B***** und dem Umstand, dass intime Themen nach Angaben der Minderjährigen schambehaftet sind (US 18), vielmehr versucht die Beschwerde aus beiden Begründungselemente andere Schlüsse zu ziehen als das Schöffengericht und wendet sich damit nur gegen dessen Beweiswürdigungsermessen (Mayerhofer StPO5 § 281 Z 5 E 145 ff). Auch die Begründung für die Konstatierung, beim aktuellen sexuellen Übergriff des Angeklagten habe es sich nicht nur um eine bloß flüchtige Berührung, sondern um ein den Tatbestand verwirklichendes „Streicheln" gehandelt (US 19), widerspricht weder den Denkgesetzen noch grundlegenden Erfahrungswerten und ist daher mängelfrei. Die Einwände gegen die Feststellung des Erstgerichtes, es habe eine Beeinflussung der Zeugin C***** dahin stattgefunden, ihre ursprünglich belastenden Angaben zu widerrufen, versucht neuerlich aus den Beweisergebnissen andere, für den Angeklagten vorteilhaftere Schlüsse abzuleiten. Damit wird aber wiederum nur unzulässig die Beweiswürdigung des Kollegialgerichtes nach Art einer Schuldberufung bekämpft. Dass aus einzelnen Beweismitteln auch andere Schlüsse möglich wären, vermag den Nichtigkeitsgrund nicht zu begründen (vgl neuerlich Mayerhofer aaO).
Die Rechtsmittelausführungen sind - bei Berücksichtigung aller und nicht nur selektiv herausgegriffener Beweisergebnisse - auch nicht geeignet, Umstände aus den Akten aufzuzeigen, welche erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der den Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen ergeben könnten. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als offenbar unbegründet bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt, dass zur Entscheidung über die Berufung und die implizierte Beschwerde (§ 498 Abs 3 StPO) der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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