Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. Gerhard N***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, 148 zweiter Fall StGB (A) und der Vergehen der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB (B) schuldig erkannt.
Danach hat er in Kapfenberg (zusammengefasst wiedergegeben)
A) von Juli 2002 bis Juli 2004 in 16 im Urteil näher konkretisierten
Angriffen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eines schweren Betruges eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Verfügungsberechtigte der S***** Gebietskrankenkasse sowie der Betriebskrankenkasse der Firma B***** durch Täuschung über Tatsachen, nämlich Vorspiegelung, von ihm verzeichnete ärztliche Leistungen auch erbracht und von den Patienten bereits bezahlt erhalten zu haben, zu Handlungen, und zwar zur Erbringung von Leistungen aus der Krankenversicherung teils verleitet, teils zu verleiten versucht, welche die angeführten Krankenkassen mit einem insgesamt 3.000 Euro nicht übersteigenden Betrag am Vermögen schädigte oder schädigen sollte, wobei er zur Täuschung jeweils falsche Beweismittel, nämlich inhaltlich unrichtige Honorarnoten, auf denen er tatsächlich nicht erbrachte Leistungen angeführt und eine Bestätigung über die bereits erfolgte Bezahlung des Honorars durch die jeweiligen Patienten angebracht hatte, obwohl der ausgewiesene Betrag nicht bezahlt worden war, sowie eine schriftliche Erklärung einer Patientin, mit der diese tatsachenwidrig bestätigt hatte, dass sie alle auf einer Honorarnote angebrachten Leistungen erhalten und zur Gänze selbst bezahlt hatte, benützte;
B) von Juli 2002 bis August 2004 in zahlreichen Angriffen falsche
Beweismittel, nämlich Honorarnoten über tatsächlich erbrachte ärztliche Leistungen, die von den jeweiligen Patienten jedoch noch nicht bezahlt worden waren, auf denen er aber inhaltlich unrichtig die bereits erfolgte Bezahlung der Honorarnoten bestätigte, durch Vorlage an die S***** Gebietskrankenkasse sowie die Betriebskrankenkasse der Firma B***** zur Kostenrückerstattung an die jeweiligen Patienten im verwaltungsbehördlichen Verfahren gebraucht. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; ihr kommt Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Das Erstgericht hat zu den einzelnen Fakten des Schuldspruches A jeweils festgestellt (und auch begründet), welche Leistungen der Angeklagte nicht erbracht hatte und die daher zu Unrecht auf den von ihm verfassten Honorarnoten aufschienen (US 17 bis 27 oben). Schließlich hat es konstatiert, dass die S***** Gebietskrankenkasse aufgrund solch inhaltlich unrichtiger Honorarnoten insgesamt 415,26 Euro „an den Angeklagten" gezahlt habe, wobei im Detail nicht feststellbar sei, „für welche Honorarnoten hinsichtlich welcher Patienten diese Zahlungen gewidmet waren" (US 28). Diese Feststellungen zum Eintritt des Schadens und der Schadenshöhe gründete es auf das Schreiben der S***** Gebietskrankenkasse ON 85 (US 45).
Wie die Mängelrüge (Z 5) zutreffend aufzeigt, wurde dieses unter ON 85 im Akt erliegende Schreiben in der Hauptverhandlung nicht verlesen. Das Schöffengericht stützte sich daher auf ein Beweismittel, welches in der Hauptverhandlung nicht vorgekommen ist (vgl Fabrizy StPO9 § 281 Rz 46). Obwohl - entgegen der Beschwerde - die Schadenshöhe keine entscheidende Tatsache im Sinne der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO betrifft, weil eine Wertgrenze nicht tangiert wird, wurde aber damit auch der begründeten Annahme, es sei tatsächlich ein Schaden entstanden und damit das Verbrechen des Betruges zum Teil vollendet, der Boden entzogen. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund liegt daher zum Schuldspruch A vor.
Die Subsumtionsrüge (Z 10) wendet ein, das Vergehen der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB sei durch die Verurteilung wegen des schweren Betruges unter Verwendung dieser Beweismittel konsumiert.
Tatsächlich wird dann, wenn das falsche oder verfälschte Beweismittel zur Begehung eines Betruges verwendet wird, § 293 StGB verdrängt (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 147 Rz 44; Plöchl/Seidl in WK² § 293 Rz 39).
Hiezu zeigt die Mängelrüge (Z 5) im Ergebnis zutreffend auch einen Widerspruch im Urteil auf. Während sich der Spruch im Faktum B auf (nicht weiter konkretisierte) Honorarnoten bezieht, in denen tatsächlich erbrachte Leistungen angeführt waren und nur unrichtig die Bezahlung des ausgewiesenen Betrages bestätigt wurde (US 7), sprechen die Urteilsfeststellungen (auch) von der inhaltlichen Unrichtigkeit der Honorarnoten (US 15). In der rechtlichen Beurteilung schließlich geht das Gericht davon aus, dass der Angeklagte „zusätzlich" auch die Vergehen nach § 293 Abs 2 StGB zu verantworten habe, weil „es sich bei den vorgelegten Honorarnoten, auf denen tatsachenwidrig nicht erbrachte Leistungen angeführt sowie eine angeblich erfolgte, tatsächlich jedoch nicht stattgefunden habende Bezahlung der Honorarnote bestätigt wurde, jedenfalls um ein falsches Beweismittel im Sinne dieser Gesetzesstelle handelt" (US 47).
Aus dem Urteil ist somit nicht nachvollziehbar, ob und welche inhaltlich unrichtigen Honorarnoten dem Schuldspruch A und/oder B zugrunde gelegt wurden. Daher ist das Urteil auch im Faktum B mit Nichtigkeit behaftet.
Daraus folgt, dass sich eine neue Hauptverhandlung nicht vermeiden lässt. Das angefochtene Urteil war somit bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. In diesem neu durchzuführenden Verfahren wird das Erstgericht zunächst zu klären haben, welche Taten der Angeklagte begangen hat, die rechtlich als vollendeter oder als versuchter Betrug zu beurteilen sind. Darüber hinaus wird es zu beachten haben, dass Dr. Gerhard N***** nicht selbst (formeller) Antragsteller bei der S***** Gebietskrankenkasse oder der Betriebskrankenkasse der Firma B***** war, sondern sich für seine Malversationen anderer (allenfalls nicht schuldhaft handelnder) Personen bediente, welche er zur Tat bestimmte (vgl Fabrizy in WK² § 12 Rz 44).
Gewerbsmäßig handelt ein Täter nur dann, wenn er beabsichtigt, durch wiederkehrende Begehung für sich selbst ein fortlaufendes Einkommen zu erzielen. Ging die Absicht des Angeklagten aber dahin, seinen Patienten den Selbstbehalt zu ersparen, strebte er nur die Bereicherung eines Dritten an, er handelte damit aber nicht gewerbsmäßig. Es werden daher auch hiezu entsprechend begründete Feststellungen zu treffen sein (vgl Jerabek in WK² § 70 Rz 14). Das Vergehen nach § 293 Abs 2 StGB ist einem Täter nur dann anzulasten, wenn er ein falsches oder verfälschtes Beweismittel in einem gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren gebraucht. Verwendet er aber das falsche oder verfälschte Beweismittel zur Begehung der Täuschung beim zumindest versuchten Betrug, so wird § 293 Abs 2 StGB von der Qualifikation des § 147 Abs 1 Z 1 StGB verdrängt.
Bleibt anzumerken, dass - entgegen der Nichtigkeitsbeschwerde - das Verfahren bei der Gebiets- oder Betriebskrankenkasse, welches den Leistungsanspruch eines Versicherten betrifft, ein verwaltungsbehördliches Verfahren darstellt, weil die Krankenkasse in Vollziehung der Gesetze und daher in Ausübung der Hoheitsverwaltung handelt; hiefür sind die im § 357 ASVG bezeichneten Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes anzuwenden und der Anspruch des Versicherten ist (letztlich) mit Bescheid zu erledigen, welcher im gerichtlichen Weg bekämpft werden kann.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)