OGH 14Os43/06i

OGH14Os43/06i9.5.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Mai 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp, Hon. Prof. Dr. Schroll, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hennrich als Schriftführerin in der Strafsache gegen Bojan J***** und eine Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Tania V***** und die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich beider Angeklagter gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16. Februar 2006, GZ 051 Hv 16/06d-48, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten Tania V***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Bojan J***** und Tania V***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Danach haben sie am 11. Dezember 2005 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) „der Sonoko T***** dadurch, dass Bojan J***** ihr Faustschläge ins Gesicht versetzte, Bojan J***** und Tania V***** an der Handtasche der Sonoko T***** zerrten und Tania V***** die Geldbörse der Sonoko T*****, in der sich unter anderem ein Bargeldbetrag in der Höhe von 25 Euro befand, an sich nahm und in ihrem Manteltasche einsteckte, mit Gewalt gegen eine Person eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern".

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Angeklagten Tania V***** aus den Gründen des § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 9 lit b StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Nach den - zusammengefasst wiedergegebenen - Urteilsfeststellungen konsumierten die Angeklagten immer wieder gemeinsam Suchtmittel. Am 11. Dezember 2005 in der Früh beschlossen sie, Richtung Karlsplatz zu fahren, um dort Suchtmittel zu erwerben. Da sie nicht genügend Geld für den Ankauf von Suchtmitteln hatten, kamen sie spontan auf die Idee, einen Raubüberfall zu begehen, um an Geld zu gelangen. Gegen

7.10 Uhr nahm der Erstangeklagte Sonoko T***** an einer Straßenbahnhaltestelle wahr, erblickte in ihr ein geeignetes Raubopfer und näherte sich ihr, um das Vorhaben in die Tat umzusetzen. Um die Frau abzulenken, erkundigte er sich zunächst danach, wohin die Straßenbahn fährt, und versetzte ihr dann überraschend einen Stoß mit beiden Händen, wobei er gleichzeitig versuchte, ihr die Handtasche zu entreißen. Da Sonoko T***** die Tasche nicht losließ, schlug ihr der Erstangeklagte mehrfach mit der Faust ins Gesicht, um ihren Widerstand zu überwinden. Da auch diese Gewaltanwendung nicht zum Ziel führte, griff nun die Zweitangeklagte, die etwas abseits gestanden war, in das Geschehen ein, um dem Erstangeklagten zu Hilfe zu kommen, indem sie ebenfalls vehement versuchte, T***** die Handtasche zu entreißen. Dadurch kam Sonoko T***** zu Sturz, wodurch es der Zweitangeklagten gelang, ihr die in der Handtasche befindliche Geldbörse samt dem darin unter anderem enthaltenen Bargeldbetrag von 25 Euro wegzunehmen und einzustecken. Die Angeklagten handelten mit dem Vorsatz, sich durch die gewaltsame Wegnahme des in der Tasche befindlichen Bargeldes unrechtmäßig zu bereichern (US 4 f).

Beweiswürdigend verwerteten die Tatrichter vor allem die zum Tatverhalten wenn auch abschwächende, so doch im wesentlichen geständige Verantwortung und die Aussagen zweier Zeugen, während sie die Feststellungen zur inneren Tatseite aus dem Geschehen im Zusammenhang mit der Verantwortung der beiden Angeklagten ableiteten (US 6).

In der Mängelrüge (Z 5) wird eingewendet, die Feststellungen seien „undeutlich und unvollständig", weil Tania V***** „sicherlich nicht auf den Karlsplatz gefahren" sei, um einen Raub zu begehen. Inwiefern mit diesem Vorbringen die reklamierten Begründungsdefizite, nämlich eine Undeutlichkeit der Entscheidungsgründe auf der Feststellungs- oder Beweiswürdigungsebene oder eine Unvollständigkeit der beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter (s dazu Ratz, WK-StPO § 281 Rz 419, 421), aufgezeigt werden sollen, ist nicht zu ersehen. Der weitere Einwand, das Erstgericht habe die Feststellungen zur inneren Tatseite allein aus dem äußeren Geschehen abgeleitet, vermag beim festgestellten Sachverhalt eine (von der Beschwerdeführerin ersichtlich angenommene) iSd Z 5 vierter Fall offenbar unzureichende, dh den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widersprechende Argumentation in der Beweiswürdigung nicht darzutun; zudem wird dabei in der Beschwerde vernachlässigt, dass sich die Tatrichter insoweit auch auf die Verantwortung der Angeklagten stützten (US 6).

Das Vorbringen der Rechtsrüge (Z 9 lit a), das Erstgericht habe für die Feststellung der subjektiven Tatseite „lediglich die verba legalia" verwendet, „ohne diese mit einem wesentlichen Substrat auszufüllen", ist angesichts der vorliegenden Konstatierungen nicht nachvollziehbar und solcherart einer argumentationsbezogenen Erwiderung nicht zugänglich. Soweit mit dem Vorbringen zur Rechtsrüge die festgestellte Willensausrichtung der Angeklagten in Abrede gestellt wird, entfernt sich die Beschwerde zudem von der bei Geltendmachung eines materiellrechtlichen Nichtigkeit stets zu beachtenden Sachverhaltsbasis des Urteils.

Inwiefern die Entscheidungsgründe an einem weiters behaupteten Feststellungsmangel iSd Z 9 lit b leiden sollen, lassen die Beschwerdeerwägungen darüber, ob die Angeklagten, die zur Tatzeit „in ihrer Bewusstseinstätigkeit nicht wesentlich beeinträchtigt" waren und bei denen auch keine tiefgreifende Bewusstseinsstörung vorlag (US 6), dringend Suchtmittel gebraucht haben und ihr Geld dafür ausgereicht hätte, nicht erkennen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten Tania V***** beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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