OGH 3Ob120/05a

OGH3Ob120/05a26.4.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Dr. Thomas Kustor, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei K***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Erich Unterer und Dr. Rainer Handl, Rechtsanwälte in Wien, wegen 375.328 EUR sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 14. Februar 2005, GZ 2 R 211/04w-53, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 25. Juni 2004, GZ 10 Cg 40/02s-47, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.653,60 EUR (darin 442,30 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die klagende Partei mietete von der beklagten Partei eine Telefonanlage, wobei im Mietvertrag die Haftung für leichte Fahrlässigkeit ebenso wie der Ersatz von Folgeschäden und Vermögensschäden ausgeschlossen ist.

Die klagende Partei begehrte die Zahlung von 375.328 EUR sA, weil der beklagten Partei spätestens seit 26. Oktober 2000 Fälle der missbräuchlichen Verwendung („phreaking") von ihr gelieferter Telefonanlagen bekannt gewesen seien, weiters spätestens ab 7. November 2000, dass die Telefonanlagen unter Verwendung des gefährlichen Features "Amt-Amt Verbindung über die Mailbox" missbraucht werden konnten und dass die Abschaltung dieses Features zu empfehlen sei. Die beklagte Partei habe daraufhin keine ausreichenden Hinweise an die klagende Partei gegeben. Auch als sich Mitarbeiter der klagenden Partei mehrmals an die beklagte Partei gewendet hätten, weil sie Mitte Dezember 2000 seltsame Anrufe festgestellt hätten, habe die beklagte Partei trotz ihrer Kenntnis über mögliche Phreaking-Angriffe weder die klagende Partei darüber informiert noch das gefährliche Feature gesperrt. Bis zu der erst nach Zusammenbruch der Anlage am 2. Jänner 2001 erfolgten Sperre der „Amt-Amt Verbindung über die Mailbox" sei der klagenden Partei ein Schaden in Höhe der Klageforderung entstanden, der sich aus der Differenz zwischen dem von der klagenden Partei ihrem Telekommunikationsprovider bezahlten Entgelt und den von der klagenden Partei selbst in Anspruch genommenen Leistungen ergebe. Eine Bekämpfung dieser Rechnungen wäre aussichtslos gewesen. Der Haftungsausschluss im Mietvertrag sei für die - hier vorliegende - krass grobe Fahrlässigkeit der beklagten Partei unwirksam. Die beklagte Partei wendete ein, sie habe die klagende Partei umfassend informiert und entsprechende Sicherheitsmaßnahmen angeboten. Dass die klagende Partei darauf nicht reagiert habe, stelle eine gröbst fahrlässige Leichtfertigkeit und Sorglosigkeit dar.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt, weil die beklagte Partei ihrer Warn- und Aufklärungspflicht in ihrem an alle Kunden gerichteten Schreiben Beil./C nicht nachgekommen sei. Sie gebe mit diesem Schreiben die im Zusammenhang mit „Hacker-Attacken" entstandenen Gefahren nicht adäquat wieder. Sie informiere die klagende Partei nur davon, dass es auch in Österreich „Hacker-Angriffe" gegeben habe, meine aber im Weiteren, dass es im Interesse der klagenden Partei und ihrer Verantwortung liege, Maßnahmen zum Schutz ihres Telekommunikationssystems zu treffen und dass die beklagte Partei bereit sei, gegen Auftragserteilung solche Maßnahmen auszuarbeiten und umzusetzen. Die klagende Partei sei aber nicht darüber informiert worden, wie gefährlich die Freischaltung der sogenannten Amtsleitung zur Amtsleitung-Verbindung sei und dass die im Zusammenhang mit den Mailboxen bestehende Sicherheitslücke sehr einfach durch Aktivierung der Fernverkehrssperre geschlossen werden könne. Die beklagte Partei habe die klagende Partei aber auch später, obwohl diese mehrfach Störungen gemeldet habe, nicht gewarnt. Bei dem aus den „Phreaking-Attacken" resultierenden Schaden handle es sich um einen solchen, der aus Sicht der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht vorhersehbar gewesen sei; auf Seiten der beklagten Partei liege „krasses" Verschulden vor, weil der Inhalt des Schreibens Beil./C als verharmlosend zu bezeichnen sei und mit einem derartigen Verhalten eines einschlägig gewarnten Unternehmers gegenüber seinem Kunden nach der Lebenserfahrung nicht gerechnet werden könne.

Dem gegenüber könne der klagenden Partei mangels entsprechenden Wissens über die Gefährlichkeit eines bestimmten Verhaltens keine Sorgfaltsverletzung zugerechnet werden.

In ein Gerichtsverfahren mit dem Telefonprovider hätte sich die klagende Partei nicht einlassen müssen. Zum einen wäre das Kostenrisiko wegen des entstandenen Schadens von 375.328 EUR beträchtlich gewesen, zum anderen könne die Rechtslage im konkreten Fall nicht als unproblematisch angesehen werden, weshalb es dann nicht als Verletzung der Schadensminderungspflicht anzusehen sei, wenn der Geschädigte einen Streitfall nicht gerichtlich austrage. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil, soweit ersichtlich, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Haftung für Telefongebühren bei widerrechtlichen Angriffen Dritter, somit zum Einwand der Verletzung der Schadensminderungspflicht, fehle. Die Revision der beklagten Partei ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist, mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Was dem Geschädigten im Rahmen der Schadensminderungspflicht zumutbar ist, bestimmt sich nach den Interessen beider Teile und den Grundsätzen des redlichen Verkehrs. Es kommt daher wesentlich auf die Umstände des Einzelfalls an (RIS-Justiz RS0027787). Der Geschädigte ist nicht zu gerichtlichen Schritten verpflichtet, die mit einem bedeutenden Kostenrisiko verbunden sind oder geringe Aussicht auf Erfolg haben (SZ 70/108 mwN). Die Beurteilung, ob der Geschädigte zu derartigen Schritten verpflichtet ist, hängt aber grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab und stellt daher keine erhebliche Rechtsfrage dar.

Auch die übrigen von der beklagten Partei in der außerordentlichen Revision als erheblich bezeichneten Rechtsfragen, im Besonderen diejenigen der Beurteilung des Verschuldensgrades, sind typisch einzelfallbezogen und entziehen sich damit einer Beurteilung als erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO. Bei deren Beurteilung kann eine auffallende Fehlbeurteilung der Berufungsinstanz, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, nicht erkannt werden.

Die Revision der beklagten Partei ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hingewiesen.

Stichworte