OGH 10ObS59/06h

OGH10ObS59/06h25.4.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Hon. Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Peter Scherz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Harald N*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Paischer, Rechtsanwalt in Braunau am Inn, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert Stifter-Straße 65, 1200 Wien, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. November 2005, GZ 12 Rs 80/05d-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. Juni 2005, GZ 24 Cgs 8/05t-11, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird mit der Maßgabe bestätigt, dass sie zu lauten hat:

'Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 9. 2. 2004 ein Versehrtengeld von EUR 1.164,76 zu zahlen und die mit EUR 542,88 (darin EUR 90,48 USt) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen.

Das Mehrbegehren auf Zahlung einer Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß wird abgewiesen.

Die Beklagte ist weiters schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die mit EUR 291,65 (davon EUR 48,61 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.'

Die klagende Partei hat ihre Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Verfahrens ist ein Unfall, den der Kläger am 9. 2. 2004 auf dem Weg von seiner Arbeitsstätte bei der E***** Elektro- und Kunststofftechnik GmbH in B***** zur Universität Salzburg erlitt. Der Kläger absolvierte nach dem Abbruch der Schulausbildung an der HTL für Maschinenbau die Lehre zum Elektroinstallateur und schloss im Jahr 1992 die Werkmeisterausbildung für industrielle Elektronik erfolgreich ab. Seit 3. 6. 1991 ist er bei der E***** Elektro- und Kunststofftechnik GmbH in B***** beschäftigt. Dieses Unternehmen ist Zulieferer der Autoindustrie und gehört zu einem Konzern mit insgesamt rund 30.000 Mitarbeitern. Die berufliche Weiterbildung der Mitarbeiter wird vom Unternehmen gezielt gefördert. Für jeden Mitarbeiter wird zu Beginn der Beschäftigung eine Stellenbeschreibung und in der Folge jedes Jahr ein Schulungsplan erstellt. Dabei werden eine Mitarbeiterpotentialanalyse und eine Mitarbeiterqualifikationsanalyse vorgenommen. Aufgrund der Ergebnisse werden den Mitarbeitern dann Vorschläge für die Weiterbildung gemacht. Es gibt angeordnete Weiterbildungsmaßnahmen, für deren Kosten das Unternehmen aufkommt, und Weiterbildungsmaßnahmen, die von der Geschäftsführung lediglich empfohlen werden. Etwa 20 Mitarbeiter haben das Potential für Führungspositionen und befinden sich in entsprechenden Ausbildungen. Fünf davon - unter ihnen der Kläger - machen eine universitäre oder gleichartige Ausbildung. Im Rahmen der langfristigen Personal- und Unternehmensplanung erachtet es die Geschäftsleitung für erforderlich, eine bestmögliche Qualifizierung der Mitarbeiter zu erreichen und im eigenen Unternehmen einen entsprechenden Unterbau heranzubilden, um eine Kontinuität in der Unternehmensführung wahren zu können.

Der Kläger begann als technischer Leiter des Hochregallagers 1; im Jahr 2000 übernahm er die Leitung des Hochregallagers 2. Seit dem Jahr 2001 ist er als Stellvertreter des Lagerleiters für den gesamten Wareneingangsbereich und die beiden Hochregallager verantwortlich. Ihm sind 18 Mitarbeiter unterstellt. Er begann im Jahr 2001 mit der Abendschule an der HTL B***** und bestand in dem darauffolgenden Jahr die Matura. Für seine derzeitige Position ist eine universitäre Ausbildung nicht erforderlich. Für die nächsthöhere Führungsebene werden jedoch eine abgeschlossene weiterführende Schulausbildung oder ein Studium vorausgesetzt.

Nach der Matura führte der Kläger mehrere Gespräche mit dem Geschäftsführer über seinen weiteren beruflichen Werdegang und die Aufstiegsmöglichkeiten im Unternehmen. Der Geschäftsführer empfahl ihm dabei, sich ein weiterführendes betriebswirtschaftliches, rechtswissenschaftliches oder technisches Studium zu überlegen, wobei er ihm das Studium der Rechtswissenschaften in Salzburg nahe legte, da er dort die Leute kenne und ihm helfen könne. Eine entsprechende Ausbildung wurde vom Geschäftsführer aber nicht angeordnet. Der Kläger tendierte bereits damals aus Interesse zum Studium der Rechtswissenschaften. Letztlich war dafür, dass er sich tatsächlich für dieses Studium entschied, das Gespräch mit dem Geschäftsführer ausschlaggebend. Dabei wurde dem Kläger aber ein konkreter Arbeitsplatz weder in Aussicht gestellt noch zugesagt. Es wurde allerdings über die Möglichkeit gesprochen, dass er in Zukunft die Leitung der Logistik übernimmt oder dass im Unternehmen eine eigene Rechtsabteilung aufgebaut wird, zumal im Bereich Logistik immer wieder Probleme mit der Produkthaftung auftauchen und außerdem laufend Verträge mit Lieferanten und Speditionen geschlossen werden, bei denen Allgemeine Geschäftsbedingungen zu beachten sind. Ferner wurde dem Kläger in Aussicht gestellt, dass er möglicherweise Assistent der Geschäftsleitung werden könnte. Der Geschäftsführer sprach auch an, dass der Personalchef in naher Zukunft in Pension gehen werde und diese Position ebenfalls eine Möglichkeit für den Kläger (nach abgeschlossenem Studium) darstellen könnte. Frei werdende Stellen im Unternehmen werden immer konzernweit ausgeschrieben; jeder Mitarbeiter hat die Möglichkeit, sich zu bewerben. Die Chancen für einen unternehmenseigenen Mitarbeiter sind dabei als sehr hoch einzuschätzen.

Der Kläger inskribierte im Wintersemester 2002/2003 an der Universität Salzburg die Studienrichtung Rechtswissenschaften als ordentlicher Hörer. Um ihm das Studium zu ermöglichen, erhielt er von der Geschäftsführung einen außertariflich entlohnten Arbeitsvertrag; er ist an keine fixen Arbeitszeiten gebunden und muss lediglich die Normalarbeitszeit von 38,5 Stunden in der Woche erreichen. Der Geschäftsführer erteilte ihm die ausdrückliche Genehmigung, den Internetzugang und den firmeneigenen Laptop für Studienzwecke zu verwenden. Eine Privatnutzung ist im Betrieb grundsätzlich verboten und nur mit einer Ausnahmegenehmigung der Geschäftsleitung möglich. Außerdem ist es dem Kläger erlaubt, im Betrieb jederzeit Kopien für das Studium herzustellen. Dem Kläger wurden auch Fachbücher des Unternehmens zur Verfügung gestellt. In regelmäßigen Abständen informierte der Kläger den Geschäftsführer über den Fortgang des Studiums.

Am 9. 2. 2004 wollte sich der Kläger während des laufenden Wintersemesters eine Klausurarbeit an der Universität in Salzburg abholen. Zu diesem Zweck fuhr er zunächst von seinem Wohnort zum Betrieb in B***** und holte dort den Laptop. Auf der anschließenden Fahrt nach Salzburg erlitt er einen Verkehrsunfall, bei dem er schwer verletzt wurde. Nach Abschluss der Unfallheilbehandlung war der Kläger ab 13. 4. 2004 wieder arbeitsfähig. An diesem Tag bestand aus medizinischer Sicht eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 30 vH.

Mit Bescheid vom 18. 1. 2005 hat die beklagte Allgemeine Unfallversicherungsanstalt den Unfall, den der Kläger als gemäß § 8 Abs 1 Z 3 lit. i ASVG unfallversicherter Student erlitten habe, gemäß § 175 Abs 4 ASVG als Arbeitsunfall anerkannt und ihm ein Versehrtengeld entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 25 vH in Höhe von EUR 535,47 zugesprochen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren durch Zuspruch einer vorläufigen Versehrtenrente von 30 vH im gesetzlichen Ausmaß ab 13. 4. 2004 dem Grunde nach statt und trug der beklagten Partei bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung von EUR 30,-- monatlich auf. Der rechtlichen Beurteilung legte es zugrunde, dass der Dienstgeber die akademische Ausbildung des Klägers zwar nicht angeordnet, aber doch empfohlen habe, um im Rahmen der Personalplanung einen entsprechend hoch qualifizierten Mitarbeiter für künftige Führungsaufgaben zur Verfügung zu haben. Die Absolvierung des Studiums sei durch die Gewährung von flexiblen Arbeitszeiten überhaupt erst ermöglicht worden. Darüber hinaus habe der Dienstgeber auch sachliche Ressourcen unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Da ein abgeschlossenes Studium Voraussetzung für einen weiteren beruflichen Aufstieg innerhalb des Unternehmens sei, bestehe ein so enger Zusammenhang des Studiums mit dem Arbeitsverhältnis des Klägers, dass der Besuch der Universität Salzburg der versicherten Tätigkeit als Dienstnehmer der E***** Elektro- und Kunststofftechnik GmbH zuzurechnen sei, weshalb es sich bei dem auf dem Weg zur Ausbildungsstätte erlittenen Unfall um einen Arbeitsunfall iSd § 175 Abs 1 ASVG handle. Bestehe aufgrund dieses Tatbestandes Unfallversicherungsschutz, so gehe dieser der Schülerbzw Studentenunfallversicherung vor, selbst wenn daneben auch die Voraussetzungen des § 175 Abs 4 ASVG (§ 8 Abs 1 Z 3 lit i ASVG) erfüllt wären. Der Kläger habe aus diesem Grund ab 13. 4. 2004 Anspruch auf eine vorläufige Versehrtenrente entsprechend der medizinischen Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 vH. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass es dem Kläger für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 2. 9. 2004 ein Versehrtengeld von EUR 1.164,76 zusprach und das Mehrbegehren auf Zahlung einer Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß abwies. Es verneinte das Vorliegen eines Arbeitsunfalles iSd § 175 Abs 1 bzw des § 176 Abs 1 Z 5 ASVG aus folgenden Erwägungen:

Die Unterstützung durch den Arbeitgeber des Klägers habe sich auf die Erlaubnis beschränkt, den firmeneigenen Laptop samt Internetzugang auch privat (hier: zum Studium) zu nutzen. Dieses Entgegenkommen hebe sich aber - ebenso wie die Gewährung einer Gleitzeitregelung oder eines überkollektivvertraglichen Gehalts - nicht wesentlich von jenen Begünstigungen ab, die in der Praxis sehr vielen Mitarbeitern auf ihrem Arbeitsplatz gewährt werden. Unterhalte ein Unternehmen eine Fachbibliothek, sei es auch nahe liegend, die Bücher den Mitarbeitern zugänglich zu machen; auch dieser Umstand vermöge noch keinen so engen Zusammenhang des Studiums mit dem Arbeitsverhältnis des Klägers zu begründen, dass von einer sozialrechtlich ins Gewicht fallenden Unterstützung der universitären Ausbildung die Rede sein könne. Die dabei erlangten Kenntnisse dienten auch nicht unmittelbar der damaligen Tätigkeit des Klägers als Stellvertreter des Lagerleiters, sondern seien nur Grundvoraussetzung für einen möglichen späteren Aufstieg in betriebliche Führungspositionen. Dass der Kläger grundsätzlich daran interessiert gewesen sei, sei ebenso nahe liegend wie das Interesse des Unternehmens an einer entsprechenden Anzahl qualifizierter Mitarbeiter, aus denen künftige Führungskräfte rekrutiert werden könnten. Das vor diesem Hintergrund vom Kläger - wie auch von anderen Mitarbeitern - neben der Erwerbstätigkeit betriebene fortführende Studium stelle sich demnach - zumal es weder angeordnet noch vom Arbeitgeber besonders unterstützt worden sei - nicht als Schulungsmaßnahme in Ausübung der versicherten Erwerbstätigkeit dar, sodass kein Arbeitsunfall iSd § 175 Abs 1 ASVG vorliege. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Kläger nunmehr - acht Monate nach seinem Unfall und noch lange vor Erreichen eines Studienabschlusses - mit der Schadensabwicklung im Unternehmen betraut worden sei.

Von anderen nebenberuflich Studierenden unterscheide sich der Kläger vor allem dadurch, dass die Initiative zum Studium nicht von ihm selbst ausgegangen, sondern entscheidend auf den Arbeitgeber zurückzuführen sei, indem ihm der Geschäftsführer vor Augen geführt habe, dass ein allfälliger Aufstieg in betriebliche Führungspositionen vom Abschluss eines geeigneten Hochschulstudiums abhängig sei. Mit dieser Firmenphilosophie sei notwendigerweise ein entsprechender Bedarf an akademisch ausgebildeten Mitarbeitern gegeben. Auf diesen Bedarf des Arbeitgebers komme es aber nicht entscheidend an, sondern nur und allein darauf, ob die Ausbildung im Rahmen der Ausübung der Erwerbstätigkeit erfolgt sei; dies sei aber eindeutig zu verneinen.

Allerdings fördere der Gesetzgeber jede Form der beruflichen Aus- und Fortbildung außerhalb der beruflichen Erwerbstätigkeit, indem er den Besuch beruflicher Schulungs(Fortbildungs)kurse gemäß § 176 Abs 1 Z 5 ASVG unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stelle. Diese Bestimmung sei weit gefasst ist und gewähre demjenigen einen den Arbeitsunfällen gleichgestellten Schutz, der sich nebenher, also auch ohne mittelbaren Bezug zu seinem Dienstverhältnis, einer beruflichen Aus- oder Fortbildung unterziehe. Es entspreche heute einem allgemein verfolgten Ziel, die berufliche Ausbildung zu verbessern und die Mobilität der Arbeitnehmer zu fördern. Dass der Versicherte mit der Weiterbildungsmaßnahme das Ziel verfolge, seine berufliche Stellung zu verbessern und auch gehaltsmäßige Vorteile zu erreichen, stehe der Annahme der Voraussetzungen des § 176 Abs 1 Z 5 ASVG grundsätzlich nicht entgegen; dies bilde regelmäßig die Motivation für Weiterbildungsmaßnahmen. Entscheidend für den Versicherungsschutz nach dieser Gesetzesstelle sei, dass es sich um den Besuch eines beruflichen Schulungs(Fortbildungs)kurses handle; außerdem müsse dieser Besuch geeignet sein, das berufliche Fortkommen des Versicherten zu fördern.

Von der Judikatur sei die Frage, ob es sich bei der Absolvierung eines (ordentlichen) Hochschulstudiums noch um den Besuch eines „beruflichen Schulungs(Fortbildungs)kurses" iSd § 176 Abs 1 Z 5 ASVG handle, bisher nicht behandelt worden. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes sei dies sowohl aufgrund des Wortlautes der genannten Bestimmung als auch nach der Systematik der Sozialversicherungsgesetze zu verneinen. § 176 Abs 1 Z 5 ASVG habe zwar einen weiten Anwendungsbereich und umfasse jede Form der unsystematischen beruflichen Aus- und Fortbildung; damit werde aber erkennbar die (systematische) schulische und universitäre Ausbildung - ebenso wie die betriebliche Berufsausbildung - nicht erfasst. Damit im Einklang stehe § 175 Abs 4 ASVG, der in Verbindung mit § 8 Abs 1 Z 3 lit h und i ASVG den Unfallversicherungsschutz im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit einer Schul(Universitäts)ausbildung sicherstelle. Nur dann, wenn aufgrund eines anderen Tatbestandes (etwa nach § 175 Abs 1 ASVG) für einen Schüler (Studierenden) bereits Unfallversicherungsschutz bestehe, gehe dieser der Anwendung des § 175 Abs 4 ASVG vor. Dies treffe auf den Fall des Klägers aber gerade nicht zu.

Gemäß § 8 Abs 1 Z 3 lit i ASVG umfasse die Teilversicherung in der Unfallversicherung nicht nur die zum Studium zugelassenen Personen; der Versicherungsschutz beziehe sich (unter anderem) ausdrücklich auch auf Kurse bzw Lehrgänge an Universitäten, Hochschulen, Fachhochschulen und Einrichtungen der Erwachsenenbildung, die zur Vorbereitung auf Prüfungen zwecks Zulassung zu einem Fachhochschul-Studiengang erforderlich seien. Diese erst in jüngster Zeit erfolgte Ausdehnung des Anwendungsbereiches des § 8 Abs 1 Z 3 lit i ASVG wäre nicht erforderlich gewesen, wenn derartige Kurse, die zweifelsohne auch geeignet seien, das berufliche Fortkommen zu fördern, schon nach § 176 Abs 1 Z 5 ASVG in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung fielen. Habe es der Gesetzgeber daher notwendig erachtet, derartige Vorbereitungskurse bzw staatlich organisierte Lehrgänge in die Unfallversicherung neu einzubeziehen und auf diese Weise den beruflichen Schulungs(Fortbildungs)kursen gleichzustellen, sei umso weniger der Besuch der von § 8 Abs 1 Z 3 lit h und i ASVG bereits genau erfassten Schulen und Universitäten (Hochschulen, Fachhochschulen) dem Schutz des § 176 Abs 1 Z 5 ASVG zu unterstellen.

Dies führe im vorliegenden Fall zum Ergebnis, dass der Kläger nur durch § 175 Abs 4 ASVG unfallgeschützt sei. Als Leistung aus der Schüler- und Studentenunfallversicherung gebühre aber gemäß § 212 Abs 3 ASVG bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 vH bis unter 40 vH nur ein (einmaliges) Versehrtengeld im Ausmaß von EUR 1.164,76. Der Grad der unfallbedingten MdE nach Abschluss der Heilbehandlung sei auf der Grundlage des vom Erstgericht eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens nicht strittig und betrage 30 vH. Da die bescheidmäßig zuerkannte Leistung nur auf Basis einer MdE von 25 vH mit EUR 535,47 festgestellt worden sei, sei in Stattgebung des diesbezüglichen Eventualbegehrens dem Kläger das höhere Versehrtengeld zuzusprechen. In Ansehung des auf Zuerkennung einer vorläufigen Versehrtenrente gerichteten Hauptbegehrens erweise sich die Berufung des beklagten Versicherungsträgers hingegen als berechtigt.

Die ordentliche Revision sei zulässig, da eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Anwendbarkeit des § 176 Abs 1 Z 5 ASVG auf ordentliche Studenten einer Universität bzw (Fach)Hochschule nicht vorliege und dieser Frage über den konkreten Rechtsstreit hinaus erhebliche Bedeutung zukomme.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Zuerkennung einer vorläufigen Versehrtenrente im Ausmaß von 30 vH der Vollrente ab 13. 4. 2004. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Vorweg kann auf die zutreffende, überaus gründliche rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes verwiesen werden (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ergänzend ist dem Revisionswerber zusammengefasst Folgendes entgegenzuhalten:

Es unterliegt keinem Zweifel, dass sich das (nebenberuflich absolvierte) Studium nicht als Ausübung der Erwerbstätigkeit des Klägers iSd § 175 Abs 1 ASVG darstellt. Die Rechtsprechung fordert bei der Beurteilung, ob ein Zusammenhang mit der Beschäftigung vorliegt, „Ausübungshandlungen" des Versicherten, das sind Handlungen, die durch zwei Bedingungen charakterisiert sind: Die betreffenden Handlungen müssen vom Versicherten mit der Intention gesetzt werden, seiner versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachzukommen (subjektive Seite); die Handlung muss darüber hinaus auch objektiv, das heißt von der Warte eines Außenstehenden, als Ausübung oder als Ausfluss dieser Erwerbstätigkeit angesehen werden können. Dabei handelt es sich in erster Linie um Handlungsweisen, die in Erfüllung des Arbeitsvertrages verrichtet werden und die der Arbeitgeber aufgrund seiner Weisungsbefugnis anordnen kann (SZ 2002/60 = SSV-NF 16/36 mwN, zuletzt 10 ObS 98/05t; RIS-Justiz RS0084368). Dass der Arbeitgeber durch verschiedene Maßnahmen motivierend zum Betreiben des Studiums beigetragen hat ist nicht ausreichend; er hat dem Kläger vor allem keine bestimmte Ausbildung vorgeschrieben, die einem konkreten Bedarf des Betriebes dienen würde (vgl OLG Wien 17 R 165/71, SSV 11/115).

Die vom Kläger weiter herangezogene Bestimmung des § 176 Abs 1 Z 5 ASVG wurde mit der 9. Novelle (BGBl 1962/13) in das ASVG eingefügt. Nach den Gesetzesmaterialien (IA 147/A, zu 517 BlgNR 9. GP 77) sollen Unfälle beim Besuch von beruflichen Schulungs(Fortbildungs)kursen den Arbeitsunfällen gleichgestellt werden, „da der Besuch eines beruflichen Schulungs(Fortbildungs)kurses, wenn er die Einsatzfähigkeit des Versicherten in seinem Beschäftigungsverhältnis fördert, mit diesem in engem Zusammenhang steht". Auch wenn die Materialien nahe legen, dass die Ergänzung nur klärenden Charakter für den Versicherungsschutz nach § 175 Abs 1 ASVG hatte (siehe auch Tomandl in Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechts, 13. Erg-Lfg 289 [2.3.2.3.1.3.E. FN 42]), geht die Rechtsprechung angesichts des weit gefassten Wortlauts davon aus, dass auch derjenige unter Unfallversicherungsschutz steht, der sich „nebenher", also auch ohne mittelbaren Bezug zu seinem Arbeitsverhältnis einer beruflichen Aus- oder Fortbildung unterzieht (10 ObS 200/98d, SSV-NF 12/84; 10 ObS 137/01x = SSV-NF 15/138; RIS-Justiz RS0110220). Ungeachtet eines unmittelbaren Zusammenhangs mit dem konkreten Arbeitsverhältnis sind die durch § 176 Abs 1 Z 5 ASVG geschützten Lehrgänge streng berufsbezogen zu sehen; die Bestimmung tritt flankierend neben den Schutz der Erwerbstätigkeit selbst. Dem auf Bildungsvermittlung ausgerichteten „normalen" Universitätsstudium fehlt dieser enge Berufsbezug. Obwohl eine bestimmte Schul- oder Universitätsausbildung häufig als Antrittsvoraussetzung für einen Beruf gilt, stehen dabei doch allgemein bildungspolitische Zielsetzungen im Vordergrund (Tomandl,

Das Leistungsrecht der österreichischen Unfallversicherung [1977] 46). Da der Schul- und Universitätsbesuch aus diesen Erwägungen nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fällt, wurden mit der 32. ASVG-Novelle Schüler und Studenten in die Unfallversicherung einbezogen (siehe § 175 Abs 4 ASVG), worauf das Berufungsgericht bereits eingehend hingewiesen hat. Diesem Schutz unterliegt auch der Kläger, nicht aber dem einen engen Berufsbezug voraussetzenden Schutz nach § 176 Abs 1 Z 5 ASVG.

Seiner Revision ist daher nicht Folge zu geben. Das angefochtene Urteil ist mit der Maßgabe zu bestätigen, dass das im Spruch der Berufungsentscheidung enthaltene unrichtige Unfallsdatum zu korrigieren war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit sind nicht ersichtlich.

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