OGH 1Ob64/06b

OGH1Ob64/06b4.4.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Siegfried S*****, vertreten durch Dr. Hermann Kogler, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei P*****GmbH, *****, vertreten durch Dr. Alexander Hofmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen 58.860,-- EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 9. Februar 2006, GZ 5 R 6/06a-10, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Mit seiner beim Handelsgericht Wien eingebrachten Klage begehrte der Kläger unter Berufung auf einen Konsulentenvertrag Honorare für den Zeitraum Oktober 2002 bis inklusive Juni 2003. Der Vertrag sei von der beklagten Partei am 28. Oktober 2002 grundlos durch außerordentliche Kündigung vorzeitig aufgelöst worden. Eine vereinbarungsgemäße Aufkündigung wäre erst zum 30. 6. 2003 möglich gewesen.

Nach Zurückweisung der Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit überwies das Handelsgericht Wien über Antrag des Klägers die Rechtssache an das Landesgericht Leoben, das die Klagebeantwortung auftrug. Darin brachte die beklagte Partei vor, der Konsulentenvertrag sei als freier Dienstvertrag zu qualifizieren. Gemäß § 1162d ABGB, der auch auf freie Arbeitsverhältnisse Anwendung finde, müssten Ansprüche auf Kündigungsentschädigung bei sonstigem Verfall binnen sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht werden. Da die Klage nach Ablauf dieser 6-Monatsfrist eingebracht worden sei, seien die Ansprüche schon nach dem Klagevorbringen „verfallen". Eine Einrede der unrichtigen Gerichtsbesetzung wurde nicht erhoben.

Ohne eine Verhandlung anzuberaumen, sprach das Erstgericht daraufhin mit Beschluss nach § 37 Abs 3 ASGG aus, dass die Rechtssache in der in § 10 Abs 2 ASGG vorgesehenen Gerichtsbesetzung zu verhandeln sei. Aus dem vom Kläger selbst vorgelegten - unstrittigen - Konsulentenvertrag ergäben sich Berichtspflichten, ein fixes monatliches Honorar, eine Konkurrenzklausel etc, sodass der Kläger als „arbeitnehmerähnliche Person" im Sinne des § 51 Abs 3 Z 2 ASGG anzusehen sei.

Das Rekursgericht gab dem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs des Klägers Folge, behob den angefochtenen Beschluss und trug dem Prozessgericht erster Instanz die Fortsetzung des Verfahrens in der Besetzung nach § 7a Abs 1 JN auf. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Zur Prüfung der Frage der Arbeitnehmerähnlichkeit und damit der richtigen Gerichtsbesetzung sei nicht nur der Wortlaut der Klage, sondern auch der Konsulentenvertrag heranzuziehen, dessen Inhalt von den Behauptungen des Klägers umfasst sei. Eine Gesamtbeurteilung der sich aus dem Konsulentenvertrag ergebenden Kriterien ergebe, dass die Tätigkeit des Klägers keine ausgeprägte Ähnlichkeit mit der für einen Arbeitnehmer typischen wirtschaftlichen Lage aufweise, sodass er nicht zum Kreis der arbeitnehmerähnlichen Personen im Sinne des § 51 Abs 3 Z 2 ASGG zähle.

Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Für die Wahl der richtigen Gerichtsbesetzung ist - wie auch für die Prüfung der Zuständigkeit - der Inhalt des Klagebegehrens und das diesem zu Grunde liegende Vorbringen maßgeblich (EvBl 1990/90 mwN; 9 ObA 113/94; RIS-Justiz RS0085549; Kuderna, ASGG § 37 FN 10). Darauf, ob der geltend gemachte Klagsanspruch inhaltlich zu Recht besteht, kommt es nicht an. Aufgabe eines Beschlusses nach § 37 Abs 3 ASGG, mit dem lediglich auszusprechen ist, in welcher Gerichtsbesetzung das Verfahren fortzuführen ist, kann daher nicht sein, über in der Klage geltend gemachte materiell-rechtliche Ansprüche zu entscheiden, soll doch nicht schon in einem formellen „Besetzungsbeschluss " über die materiell-rechtliche Rechtslage abgesprochen werden (9 Ob 121/92; Kuderna aaO). Ob bei Prüfung der Frage der richtigen Gerichtsbesetzung die Behauptungen der beklagten Partei zu berücksichtigen sind - hier deren Vorbringen, es liege Arbeitnehmerähnlichkeit vor -, hängt nach der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs davon ab, ob die anspruchsbegründenden und die die Besetzung begründenden Tatsachen zusammenfallen (SZ 72/142; RZ 2004, 138; 9 ObA 123/00d u.a). Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen:

Nach seinem eindeutigen Vorbringen stützt sich der Kläger in seiner Klage als Anspruchsgrundlage ausschließlich auf ein Konsulentenverhältnis. Aus seinen Klagsangaben ist zu entnehmen, dass er weder behauptet, Arbeitnehmer noch einem solchen im Sinn des § 51 Abs 3 Z 2 ASGG gleichgestellt zu sein. Das Klagebegehren müsste dann abgewiesen werden, wenn die - auf den Verfall der Ansprüche abzielenden - Behauptungen der beklagten Partei zuträfen, der Kläger wäre wegen wirtschaftlicher Unselbstständigkeit einer arbeitnehmerähnlichen Person gleichgestellt, sodass der Vertrag als „freier" Dienstvertrag zu qualifizieren sei. Auf einen solchen wären nämlich die Kündigungsmodalitäten der §§ 1159 ff ABGB, insbesondere § 1162d ABGB und die darin enthaltene 6-monatige Verfallsfrist analog anwendbar (SZ 70/52 mwN). Diese Frist wäre aber - gemäß den weiteren Behauptungen der beklagten Partei - bereits abgelaufen. Da somit ein für die Besetzung maßgeblicher Umstand auch für das Bestehen des Anspruchs maßgeblich ist, ist im vorliegenden Fall für die Frage der Gerichtsbesetzung ausschließlich von den Angaben in der Klage auszugehen; unter diesen Vorraussetzungen bleibt das angerufene Gericht zur Sachentscheidung berufen (9 ObA 121/92). Im derzeitigen Verfahrensstadium erübrigt es sich, auf den vom Rechtsmittelwerber geltend gemachten Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung einzugehen, soweit dieser die Ausführungen der Vorinstanzen zur Frage der Arbeitnehmerähnlichkeit betrifft (9 ObA 113/94). Diese für das Bestehen des Anspruchs maßgeblichen Ausführungen haben der Sachentscheidung vorbehalten zu bleiben.

Die Entscheidung des Rekursgerichts, dem Prozessgericht erster Instanz die Fortsetzung des Verfahrens in der - den Klageangaben entsprechenden - Besetzung nach § 7a Abs 1 JN aufzutragen, erweist sich im Ergebnis als zutreffend. Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 528 Abs 1 ZPO wird nicht aufgezeigt, sodass der außerordentliche Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen ist.

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