OGH 13Os13/06w

OGH13Os13/06w22.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. März 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll, Mag. Hetlinger und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gödl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Vedat D***** wegen des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls nach §§ 127 und 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Jugendschöffengericht vom 15. November 2005, GZ 25 Hv 148/05k-33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, welches - ebenso wie der zugleich ergangene Beschluss auf Absehen vom Widerruf zweimaliger bedingter Strafnachsicht - in den zu 1/b und 3 ergangenen Schuldsprüchen, in der Verweisung des Hubert L***** auf den Zivilrechtsweg und im Kostenspruch unberührt bleibt, im Übrigen aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht Linz verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Vedat D***** wurde des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls nach §§ 127 und 15 StGB (1), des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 StGB (2), des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (3), des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (4) und des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB (5) schuldig erkannt.

Danach hat er am 8. März 2005 in Linz

1. mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz dem Hubert Josef L*****

  1. a) 15 Euro weggenommen;
  2. b) vier Mal versucht, durch Benützung der zu 2. genannten Bankomatkarte Bargeld wegzunehmen;

    2. sich eine von der Raiffeisenbank M***** ausgestellte Bankomatkarte des Hubert Josef L*****, über die er nicht verfügen durfte, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz verschafft;

    3. Hubert Josef L***** mit erhobener Faust und indem er diesen an den Oberarmen packte und schüttelte zur Bekanntgabe des Codes dieser Bankomatkarte zu nötigen versucht;

    4. Hubert Josef L***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben ein Mobiltelefon der Marke Siemens ST60 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, indem er ihm „ein ca 20 cm langes Küchenmesser vor den Körper hielt";

    5. mit dem genannten Messer dem Hubert Josef L***** eine schwere Körperverletzung absichtlich zuzufügen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Der aus Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt teilweise Berechtigung zu.

Die aus Z 5 erhobene, nicht nach den einzelnen Taten differenzierende Behauptung von Undeutlichkeit, Unvollständigkeit, teilweiser Widersprüchlichkeit sowie offenbar unzureichender Begründung „des subjektiven Tatbestandsmerkmals" entzieht sich mangels inhaltlichen Substrats einer sachbezogenen Erörterung. Welche Feststellungen zum Raub der Beschwerdeführer vermisst (der Sache nach Z 9 oder 10), sagt er ebenso wenig.

Auch die sich in den Worten „Dieser Nichtigkeitsgrund liegt vor, da bezüglich der subjektiven Tatseite keine oder nicht ausreichende Feststellungen getroffen worden sind und sohin nicht alle Voraussetzungen bzw Tatbestandsmerkmale, die für eine Verurteilung nach den § 142 StGB notwendig sind, vorliegen." erschöpfende Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist mangels eines sachlichen Substrats nicht erwiderungsfähig.

Mit dem Verweis auf die mehrfach höchst unklaren und wechselnden Angaben des einzigen Belastungszeugen Hubert Josef L***** aber vermag die Tatsachenrüge (Z 5a) erhebliche Bedenken gegen die wider den leugnenden Angeklagten ergangenen Schuldsprüche zu wecken - dies mit Ausnahme des durch elektronische Aufzeichnungen objektivierten vierfachen Diebstahlsversuchs (1/b) und des zu 3 genannten Nötigungsversuchs, hinsichtlich dessen die Aussage des Zeugen solcherart gleichermaßen unterstützt wird.

L***** hatte zu 1/a und 2 bei seiner ersten niederschriftlichen Befragung angegeben, der Angeklagte habe „einfach" aus seiner „im Wohnzimmer am Fensterbrett abgelegten Brieftasche" 15 Euro und die Bankomatkarte entnommen, obwohl er betont habe, das nicht zu wollen (S 29; ähnlich bei der zweiten polizeilichen Befragung, S 43). Im gerichtlichen Vorverfahren hatte L***** hingegen ausgesagt, auf eindringliche Bitten des Angeklagten seine Geldbörse geholt zu haben, woraufhin D***** das Geld und die Bankomatkarte entnommen habe. Dass dies entgegen einer Willensbekundung L*****s geschehen sei, ist dem Protokoll nicht zu entnehmen (S 71). In der Hauptverhandlung schilderte L***** den Vorfall so, dass der Angeklagte nach stattgehabten sexuellen Kontakten „auf einmal gesagt" habe: „So, dieses Mal machen wir es anders. Ich nehme deine Geldtasche und gehe zum Bankomaten!" Von einer Wegnahme des Bargeldes und einer Bankomatkarte gegen den Willen L*****s war nicht mehr die Rede (S 251).

Sodann brachte der Zeuge bei seiner ersten Befragung die Drohung mit dem Messer mit der geforderten Bekanntgabe des Bankomatkartencodes

(3) in Verbindung (S 29 bis 31) und gab an, der Angeklagte habe erst danach und deshalb auf ihn einstechen wollen, weil er laut um Hilfe gerufen habe (4). D***** habe das Mobiltelefon vermutlich mitgenommen, damit L***** „nicht bei der Polizei anrufen kann" (S 31), mithin ohne Bereicherungswillen (4). Ähnlich bei der zweiten polizeilichen Befragung. Auch dabei stellte der Zeuge die Verwendung des Messers in keine konkrete Beziehung zur Entfremdung seines Mobiltelefons (S 43).

Bei seiner Abhörung im Zuge des Vorverfahrens jedoch gab L***** hinsichtlich des Codes nur die erhobene Faust, nicht auch ein Messer als Drohmittel an (3). Was das Mobiltelefon anlangt, führte er vorerst überhaupt keinen Zwang ins Treffen (4). Das Küchenmesser habe D***** als Drohmittel deshalb eingesetzt, weil L***** „nicht aufgehört habe zu schreien" (S 71). Zuletzt aber (S 72): Entgegen meiner Aussage bei der Polizei habe ich" das Mobiltelefon „ihm aus meiner Hosentasche gegeben." und weiter, allerdings ohne Hinweis auf eine Mittel-Zweck-Beziehung: „Er hielt mir das Messer vor den Körper, als ich ihm das Handy aushändigte."

In der Hauptverhandlung wurde der Zeuge, nachdem er sich auf seine Angaben „vor dem Untersuchungsrichter" berufen hatte (S 247) dazu nicht befragt (vgl S 249).

Zwar hatte der Zeuge bei seiner zweiten polizeilichen Vernehmung gemeint, seine Gegenwehr sei heftig genug gewesen, „um einige Messerstiche (mindestens drei Mal) gegen Gesicht und Oberkörper zu verhindern" (S 43). Im Protokoll über die Hauptverhandlung findet sich jedoch nur ein Verweis auf die Angaben vor dem Untersuchungsrichter (S 247). Im Protokoll über die Vernehmung im Vorverfahren hinwieder scheint nur der Hinweis auf, dass D***** versucht habe, auf den Zeugen einzustechen, ohne dass deutlich würde, wohin (S 72; 5).

Der teilweise Erfolg der Tatsachenrüge führt bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zur Aufhebung der zu 1/a, 2, 4 (übrigens trotz Verwendung einer Waffe bloß wegen versuchten Raubes nach § 142 Abs 1 StGB) und 5 ergangenen Schuldsprüche einschließlich des Sanktionsausspruchs samt Rückverweisung an das Erstgericht (§§ 285e erster Satz, 288 Abs 2 Z 1 StPO), sodass die Berufung auf sich beruhen kann.

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO. Eine etwaige Kostenseparation käme dem Erstgericht zu (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 7, 11, § 389 Rz 11 bis 14).

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