OGH 2Ob48/06g

OGH2Ob48/06g2.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Grohmann als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am 11. Juni 1987 geborenen Nadine H*****, über den Revisionsrekurs der Bezirkshauptmannschaft Melk (Jugendwohlfahrt), gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 5. Oktober 2005, GZ 23 R 226/05s-U14, womit infolge Rekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien der Beschluss des Bezirksgerichtes Melk vom 27. Juni 2005, GZ 1 P 184/04k-U1, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Vater hat die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Oberste Gerichtshof ist an einen Ausspruch des Rekursgerichtes nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG nicht gebunden (§ 71 Abs 1 AußStrG). Die Zurückweisung eines ordentlichen Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 letzter Satz AußStrG). Entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichtes liegt (nunmehr) eine erhebliche Rechtsfrage nicht vor.

Die am 11. 6. 1987 geborene Nadine, eine deutsche Staatsangehörige mit gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich, beantragte, vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger, am 22. 3. 2005 die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach den §§ 3, 4 Z 1 UVG von monatlich EUR 150, weil der Vater, der sich in einem Scheidungsvergleich vom 10. 8. 1994 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 2.300 (EUR 167,15) verpflichtet hatte, unbekannten Aufenthalts sei und keine versicherungspflichtige Beschäftigung bestehe.

Das Erstgericht bewilligte Unterhaltsvorschüsse für den Zeitraum 1. 3. 2005 bis 30. 6. 2006, also bis zum Ablauf jenes Monats, in welchem Nadine das 19. Lebensjahr vollendet.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien Folge und wies den Antrag der Unterhaltsberechtigten auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen beginnend ab dem 1. 7. 2005 ab.

Angehörige anderer EU-Mitgliedsstaaten hätten Anspruch auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen wie österreichische Staatsbürger, soweit sie in den persönlichen Anwendungsbereich der Verordnung 1408/71 fielen. Das unterhaltsberechtigte Kind müsse zumindest einen Elternteil haben, der tätiger oder arbeitsloser Arbeitnehmer in Sinn des Art 2 Abs 1 iVm Art 1 lit f Z 1 der Verordnung 1408/71 sei. Diese Voraussetzung sei erfüllt, weil die Mutter in Österreich einer versicherungspflichtigen Tätigkeit nachgehe.

In Österreich habe bis zum KindRÄG 2001 die Minderjährigkeit erst mit Vollendung des 19. Lebensjahres geendet.

Nach der Übergangsbestimmung des Art XVIII § 5 Abs 1 leg cit habe ein Kind weiteren Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse nach dem UVG - ungeachtet des Eintritts der Volljährigkeit - längstens bis zum Ende des Monats, in dem das Kind das 19. Lebensjahr vollendet, falls das Kind zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes (des KindRÄG 2001) das 14. Lebensjahr bereits vollendet habe. Hier habe die Antragstellerin als deutsche Staatsbürgerin gemäß § 2 dBGB die Volljährigkeit bereits mit Vollendung des 18. Lebensjahres erreicht. Nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des KindRÄG 2001 am 1. 7. 2001 hätte Nadine Unterhaltsvorschüsse nur bis zum Ablauf jenes Monats erhalten können, in welchem sie das 18. Lebensjahr vollendete. Aus den Gesetzesmaterialien sei nicht abzuleiten, dass sie durch die Übergangsbestimmung einen Anspruch auf verlängerten Bezug von Vorschüssen erwerben sollte, welchen sie vor dieser Gesetzesänderung nicht gehabt hätte.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Judikatur zu der Frage vorliege, inwiefern durch die Übergangsbestimmung des Art XVIII § 5 zum KindRÄG 2001 ein Anspruch auf Weitergewährung der Vorschüsse bis zur Vollendung des 19. Lebensjahres auch für die Angehörigen anderer EU-Mitgliedsstaaten bestehe.

Die Bezirkshauptmannschaft Melk beantragt mit ihrem Revisionsrekurs, ihrem Rechtsmittel Folge zu geben und sinngemäß die Vorschüsse antragsgemäß weiter zu gewähren.

Der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben. Auch der Vater beantragt durch seine Rechtsvertreterin, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben, hilfsweise es zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig.

Die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage ist mittlerweile durch die Entscheidung 10 Ob 43/05d entschieden. Danach hat ein Kind im Wesentlichen dann einen Unterhaltsvorschussanspruch nach dem österreichischen UVG, wenn es die im § 2 UVG aufgestellten Kriterien erfüllt, darunter auch dasjenige der Minderjährigkeit. Bei einer dem deutschen Personalstatut unterworfenen Person tritt die Volljährigkeit aber nach § 2 BGB - seit 1. 1. 1975 - mit Vollendung des 18. Lebensjahres ein. Auch aus Art XVIII § 5 Abs 1 KindRÄG 2001 ist für die Rechtsmittelwerberin nichts zu gewinnen, weil sich sowohl aus dem Gesetzestext als auch aus den Gesetzesmaterialien ein eindeutiger Zusammenhang der Übergangsregelung mit der per 1. 7. 2001 wirksam gewordenen Herabsetzung des Volljährigkeitsalters von 19 auf 18 für Personen, die dem österreichischen Personalstatut unterliegen, ergibt. Eine Person, die dem deutschen Personalstatut unterliegt, konnte von vornherein in keine entsprechende Situation kommen. Da im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht mehr vorliegt, ist der Revisionsrekurs unzulässig (RIS-Justiz RS0112921 [T 2]).

Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

Ein Kostenersatz kommt im Unterhaltsvorschussgewährungsverfahren (weiterhin) nicht in Betracht (vgl Neumayr in Schwimann ABGB³ I UVG § 10 Rz 13, § 15 Rz 30).

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