Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit EUR 665,66 (darin EUR 110,94 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 10. 10. 2001 wurde zu 20 S 546/01x über das Vermögen des Dr. Martin S***** das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Der Gemeinschuldner war bis zur Konkurseröffnung als Vermögensberater und Verwalter von beweglichem Vermögen in der Rechtsform eines Einzelkaufmannes tätig. Seine diesbezügliche Einzelgewerbeberechtigung wurde durch Zurücklegung zum 6. 12. 2001 gemäß § 85 Z 7 GewO gelöscht.
Seit 1997 ist der Gemeinschuldner auch geschäftsführender Gesellschafter der T***** mbH (in der Folge kurz: GmbH) und als solcher gemäß § 2 Abs 1 Z 3 GSVG pflichtversichert. Bei der GmbH besteht seit dem Geschäftsjahr 2001 ein negatives Eigenkapital. Ein Einkommen als Geschäftsführer der GmbH hat der Gemeinschuldner seit Konkurseröffnung nicht mehr bezogen. Der Geschäftsanteil des Gemeinschuldners an der GmbH wurde vom Masseverwalter nicht veräußert, da auf Grund des negativen Eigenkapitals der Gesellschaft ein Kaufinteressent nicht gefunden werden konnte. Die Ausscheidung des Geschäftsanteiles aus dem Konkursverfahren im Sinn des § 119 Abs 5 KO wurde nicht beantragt. Der Gemeinschuldner und die bei ihm mitversicherten Familienangehörigen haben im Zeitraum April 2002 bis November 2004 von der Beklagten Leistungen aus der Krankenversicherung in Anspruch genommen. Der aus der Pflichtversicherung resultierende Beitragsrückstand seit Konkurseröffnung wurde von der Beklagten im Konkursverfahren des Gemeinschuldners als Masseforderung geltend gemacht. Der Beitragsrückstand betrug per 30. 11. 2004 EUR 9.773,26. Der Kläger begehrt gegenüber der Beklagten die Feststellung, dass der als Masseforderung geltend gemachte Beitragsrückstand keine Masseforderung, sondern nur eine gegen das konkursfreie Vermögen des Gemeinschuldners gerichtete Forderung sei. Aus seiner Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter der GmbH habe der Gemeinschuldner kein Einkommen bezogen, die Tätigkeit habe zu keinem Aktivum für die Masse geführt. Damit liege der in § 46 Abs 1 Z 2 KO angesprochene Tatbestand vor, dass die als Masseforderung geltend gemachten Sozialversicherungsabgaben „auf ein anderes als das für die Konkursmasse nach der Konkurseröffnung erzielte Einkommen entfallen". Für die Bezahlung dieser Abgaben hafte der Gemeinschuldner mit seinem konkursfreien Vermögen.
Die Beklagte bestritt und wendete ein, dass es Sache des Masseverwalters gewesen wäre, entweder den die Sozialversicherungspflicht mitauslösenden Geschäftsanteil des Gemeinschuldners zu verkaufen oder gemäß § 119 Abs 5 KO aus dem Konkursverfahren auszuscheiden oder dafür Sorge zu tragen, dass der Gemeinschuldner als Geschäftsführer abberufen werde. Der die Abgabenpflicht auslösende Sachverhalt habe sich während des Konkursverfahrens verwirklicht; ob aus der Tätigkeit des Gemeinschuldners ein für die Masse realisierbares Aktivum oder ein abschöpfbares Einkommen entstanden sei, sei für die Qualifizierung der Beitragsrückstände als Masseforderung unerheblich. Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren Folge. Zwar seien gemäß § 46 Abs 1 Z 2 KO grundsätzlich die die Masse betreffenden Abgaben, wenn und soweit der die Abgabenpflicht auslösende Sachverhalt während des Konkursverfahrens verwirklicht werde, Masseforderungen. Nach dieser Bestimmung gehörten auch die nach den persönlichen Verhältnissen des Gemeinschuldners bemessenen öffentlichen Abgaben, wie die Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung dazu, allerdings nur solche, die auf das für die Konkursmasse nach der Konkurseröffnung erzielte Einkommen entfielen. Andere Abgaben seien auszuscheiden. Letztlich entscheide das Gericht über den Charakter des geltend gemachten Abgabenanspruches. Zu prüfen sei daher, ob sich durch die Tätigkeit des Gemeinschuldners als Geschäftsführer nach Konkurseröffnung das Massevermögen vermehrt habe. Der Gemeinschuldner habe aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer seit Konkurseröffnung kein Einkommen mehr bezogen. Der Wert seines Geschäftsanteiles sei negativ geblieben. Damit beträfen die als Masseforderung geltend gemachten Pflichtbeiträge kein für die Konkursmasse erzieltes Einkommen. Die Beitragsrückstände des Gemeinschuldners seien daher gegenüber seinem konkursfreien Vermögen geltend zu machen. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.
Der geschäftsführende Gesellschafter einer GmbH unterliege im Regelfall der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach § 2 Abs 1 Z 3 GSVG. Ein Endigungsgrund gemäß § 7 GSVG liege hier nicht vor. Der in Konkurs verfallene Geschäftsführer einer (nicht im Konkurs befindlichen) GmbH bleibe weiter für die Gesellschaft vertretungsbefugt, weil der Gemeinschuldner nur von solchen Rechtshandlungen ausgeschlossen sei, die die Konkursmasse betreffen. Mit seinen Vertretungshandlungen für die Gesellschaft greife der in Konkurs verfallene Geschäftsführer nicht in die Interessen seiner eigenen Konkursgläubiger ein. Die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte eines insolventen Gesellschafters bei der Bestellung eines Geschäftsführers sei keine Verfügung über das Vermögen des Gesellschafters. Nach § 35 Abs 1 GSVG seien die Beiträge grundsätzlich mit Ablauf des Kalendermonates fällig, für den sie zu leisten seien. Für die Pflichtversicherung sei nicht entscheidend, ob der von einem geschäftsführenden Gesellschafter im Regelfall angestrebte Zweck der Schaffung von Einkünften in Geld oder Güterform regelmäßig erfüllt und in welchem Ausmaß er erreicht werde. Werden im Beitragszeitraum keine Einkünfte erzielt, sehe § 25 GSVG Mindestbeitragsgrundlagen vor.
Der Oberste Gerichtshof habe in seinem Urteil 8 Ob 608/89 ausgeführt, dass dann, wenn der Gemeinschuldner nach der Konkurseröffnung seine Gewerbeberechtigung weiterhin ausübe, die während dieser Zeit anfallenden Sozialversicherungsbeiträge deshalb Masseforderungen seien. Dieser Entscheidung sei zu entnehmen, dass der damalige Gemeinschuldner aus der Ausübung seiner gewerblich selbständigen Tätigkeit während des Konkurses ein Einkommen erzielt habe, das zufolge § 1 Abs 1 KO in die Konkursfalle gefallen sei. Die zufolge dieses Einkommens zu bezahlenden Beiträge zur Sozialversicherung beträfen sohin einen Teil der Konkursmasse.
Die im gegenständlichen Fall - bloß auf Grund der fortbestehenden Eigenschaft des Gemeinschuldners als geschäftsführender Gesellschafter - auf der Grundlage offenbar eines fiktiven Einkommens vorgeschriebenen, (wahrscheinlich) Mindestsozialversicherungsbeiträge würden sich auf kein dem Gemeinschuldner und damit der Konkursmasse zugutekommendes Bruttoeinkommen beziehen.
Das Berufungsgericht schließe sich der Rechtsansicht des Erstgerichtes und damit der Entscheidung 8 Ob 92/02s (= SZ 2002/162) an. Der Sozialversicherungsbeitrag könne demnach dann nicht die Konkursmasse (als Masseforderung) belasten, wenn diesem Sozialversicherungsbeitrag kein tatsächlich der Konkursmasse zufließendes Einkommen des Gemeinschuldners zugrundeliege. Während Kristen sich zu dieser Entscheidung des Obersten Gerichtshofes kritisch geäußert habe, werde diese neue Judikaturlinie durch die Ausführungen Engelharts (in Konvecny/Schubert Insolvenzgesetze § 46 KO Rz 69) bestätigt. Auf die in der Berufung angestellten Überlegungen wie bei abwechselnd pfändbarem und unpfändbarem Geschäftsführerbezug vorzugehen sei, brauche nicht eingegangen zu werden. Inwieweit der Masseverwalter verpflichtet sei, das Gesellschaftsverhältnis aufzukündigen bzw den Geschäftsanteil aus der Konkursmasse auszuscheiden, könne dahingestellt bleiben. Die Revision sei zulässig, da der Oberste Gerichtshof zur gegenständlichen Problematik noch nicht Stellung bezogen habe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt. Hinsichtlich der von der Rechtsmittelwerberin ins Treffen geführte Kritik von Kristen (ZIK 2003, 38) an der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 8 Ob 92/02s, ist zu berücksichtigen, dass der hier zu beurteilende Sachverhalt eben nicht völlig mit dem der kritisierten Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt zu vergleichen ist. Soweit die Rechtsmittelwerberin damit argumentiert, dass die Entscheidung nicht der „bisherigen Judikatur" entspricht, ist darauf in Ermangelung auch nur eines entsprechenden Entscheidungszitats nicht näher einzugehen. Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass sich bereits das Berufungsgericht mit der Entscheidung 8 Ob 608/89 auseinandergesetzt hat, deren Kernstück die Frage war, ob aus dem Umstand, dass das zur Bemessung des Sozialversicherungsbeitrages nach dem GSVG als bloße Hilfsgröße heranzuziehende Einkommen vor der Konkurseröffnung erzielt wurde, gefolgert werden könne, dass auch nur ein Teil des so berechneten Beitrages „auf ein anderes als das für die Konkursmasse erzielte Einkommen" entfalle. Dies wurde, was allerdings für den vorliegenden Fall keine wesentliche Rolle spielt, in der zitierten Entscheidung verneint.
Gemäß § 46 Abs 1 Z 2 sind Masseforderungen alle Auslagen, die mit der Erhaltung, Verwaltung und Bewirtschaftung der Masse verbunden sind, ... sowie die die Masse treffenden Steuern, Gebühren, Zölle, Beiträge zur Sozialversicherung und anderen öffentlichen Abgaben, wenn und soweit der die Abgabepflicht auslösende Sachverhalt während des Konkursverfahrens verwirklicht wird. Hiezu gehören auch die nach persönlichen Verhältnissen des Gemeinschuldners bemessenen öffentlichen Abgaben; soweit jedoch diese Abgaben nach den verwaltungsbehördlichen Feststellungen „auf ein anderes als das für die Konkursmasse nach der Konkurseröffnung erzielte Einkommen entfallen, ist dieser Teil auszuscheiden. Abgesehen von der Kritik an der von der Rechtsmittelwerberin so bezeichneten „Ausreißerentscheidung" 8 Ob 92/02s führt die beklagte Partei als wesentliches Argument ins Treffen, dass diese Entscheidung über einen einkommenssteuerrechtlichen Sachverhalt entschieden habe und daher auf einen sozialversicherungsrechtlichen Sachverhalt nicht anzuwenden sei. Bei dieser Argumentation übergeht die Rechtsmittelwerberin freilich, dass nach herrschender Auffassung unter öffentlichen Abgaben im Sinn der KO auch Sozialversicherungsbeiträge zu verstehen sind (RIS-Justiz RS0051977; RS0063994; Engelhart in Konecny/Schubert KO § 46 Rz 84 mwH). Keine wesentliche Bedeutung kommt auch dem Umstand zu, dass der der Entscheidung 8 Ob 92/02s zugrundeliegende Sachverhalt, nämlich die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns nur einen einmaligen Vorgang betraf, während vorliegend ein länger andauerndes Versicherungsverhältnis bestand, knüpft doch auch die Einkommenssteuer in ihren häufigsten Erscheinungsformen, an Einkommen aus einer (längerfristigen) Tätigkeit an.
Bei ihrem weiteren Einwand, dass Abgaben nur dann als Masseforderungen auszuscheiden seien, wenn diese Abgaben auf ein anderes als das für die Konkursmasse nach Konkurseröffnung erzielte Einkommen entfallen, der Gemeinschuldner aber außerhalb der Konkursmasse kein Einkommen erzielt habe, worauf sich eine Abgabenforderung beziehen könnte, unterliegt die Rechtsmittelwerberin einem Rechtsirrtum. Anknüpfungspunkt für die Sozialversicherungspflicht gemäß § 2 Abs 1 Z 3 GSVG ist vorliegend nämlich weder der Gesellschaftsanteil des Gemeinschuldners noch ein bestimmtes (hier gerade nicht realisiertes) Einkommen des Gemeinschuldners, sondern vielmehr die Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter (bei Zutreffen der übrigen der in der leg. cit. angeführten Voraussetzungen). Die nach dem GSVG pflichtversicherten, zu Geschäftsführern bestellten Gesellschafter einer GmbH üben unabhängig vom Ausmaß ihrer tatsächlichen Beteiligung an der Geschäftsführung eine selbständige Erwerbstätigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn aus (SSV-NF 2/4; SZ 63/97). Selbständige Erwerbstätigkeit ist der Inbegriff der in persönlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit verrichteten Arbeitsleistungen, die die Schaffung von Einkünften in Geld oder Güterform bezwecken, wobei es unter anderem nicht entscheidend ist, ob dieser Zweck regelmäßig erfüllt und in welchem Ausmaß er erreicht wird (SZ 74/9). Bereits Bartsch (Konkursrecht § 46 Anm 19) hält fest, dass sachlich eine Abgabe die Masse betrifft, wenn das Steuerobjekt ein in die Masse gehöriges Vermögen oder dessen Ertrag ist oder wenn die Abgabe zwar den Gemeinschuldner persönlich trifft, aber wirtschaftlich auf der Masse oder ihren Erträgnissen lastet. Nach dem zweiten Gesichtspunkt falle darunter die Einkommenssteuer, jedoch mit Ausscheidung des Bruchteils, der auf nicht zur Masse fallendes Einkommen entfällt, zB auf exekutionsfreie oder nach § 5 KO auszuscheidende Bezüge.
Nach § 1 KO bildet das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen des Gemeinschuldners, das er zur Zeit der Konkurseröffnung hat oder das er während des Konkurses erlangt, die Konkursmasse (Buchegger in Bartsch/Pollak/Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht4 Rz 42 mwH). Die Arbeitskraft des Gemeinschuldners bildet keinen Massebestandteil. In die Konkursmasse fällt nur der Erwerb, der dem Gemeinschuldner während des Konkurses zufließt. Gemeint ist der reine Erlös aus der Erwerbstätigkeit also der Nettoerwerb (Schubert in Konecny/Schubert aaO § 5 Rz 3; Buchegger aaO § 5 Rz 16). Hieraus ist abzuleiten, dass nur jene nach den persönlichen Verhältnissen des Gemeinschuldners bemessenen öffentlichen Abgaben Masseforderungen sein können, die auf das für die Konkursmasse nach der Konkurseröffnung erzielte Einkommen entfallen. Eine bloß an die Tätigkeit in Verbindung mit der Gesellschafterstellung anknüpfende Beitragspflicht verschafft aber in keiner Weise Vermögenswerte, die der Masse zugute kommen können.
Der Revision ist daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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