OGH 14Os137/05m

OGH14Os137/05m17.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Philipp, Hon. Prof. Dr. Schroll und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Westermayer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dr. Rainer St***** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB sowie einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 30. September 2005, GZ 24 Hv 210/04b-169, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Dr. Rainer St***** wurde mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 12. Jänner 2004 (ON 122) der Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB, der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt. Mit Entscheidung vom 5. Oktober 2004, GZ 14 Os 67/04-12, gab der Oberste Gerichtshof der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten teilweise Folge, hob das Urteil im Schuldspruch III (Verbrechen des schweren Betruges), im Strafausspruch sowie das Adhäsionserkenntnis auf und ordnete im Umfang der Aufhebung eine neue Verhandlung und Entscheidung an. Im Übrigen wurde die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

In der Hauptverhandlung am 30. September 2005 schied das Landesgericht Innsbruck das Verfahren wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB gemäß § 57 StPO aus (S 127/IV). Mit dem angefochtenen Urteil verhängte es wegen der rechtskräftigen Schuldsprüche über Dr. Rainer St***** unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 133 Abs 2 StGB eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 3 und 4 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht. Nichtig nach der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO ist ein Urteil nur dann, wenn in der Hauptverhandlung eine Vorschrift verletzt oder vernachlässigt wurde, deren Beobachtung das Gesetz ausdrücklich bei sonstiger Nichtigkeit vorschreibt. Neben einigen hier nicht relevanten Vorschriften in Nebengesetzen, welche nach Inkrafttreten der Strafprozessordnung erlassen worden waren, kommen nur die in der Z 3 taxativ angeführten Bestimmungen der Strafprozessordnung zum Tragen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 193).

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, er sei am 30. September 2005 jedenfalls nachmittags verhandlungsunfähig gewesen, zeigt er damit keinen Nichtigkeitsgrund im Sinne von § 281 Abs 1 Z 3 StPO auf. Es wäre ihm und seinem Verteidiger oblegen, entsprechende Anträge in der Hauptverhandlung zu stellen und sich so den Nichtigkeitsgrund der Z 4 leg cit zu sichern. Dass sie an dieser Antragstellung gehindert waren, wird nicht behauptet.

Im Übrigen wurde der Angeklagte am 30. September 2005 ab 10:45 Uhr von der Sachverständigen Ass. Prof. Dr. Edda A***** des Institutes für gerichtliche Medizin der medizinischen Universität Innsbruck untersucht. Diese stellte fest, dass keine medizinischen Anhaltspunkte für eine Verhandlungsunfähigkeit am 30. September 2005 vormittags vorlägen. Die Hauptverhandlung wurde darauf hin an diesem Tag von 12:25 Uhr bis 14:35 Uhr durchgeführt. In dieser verantwortete sich der Angeklagte detailliert. Er gab bei Erörterung seines körperlichen Zustandes zwar an, starke Kopfschmerzen zu haben, er akzeptierte jedoch die von der Sachverständigen festgestellte Verhandlungsfähigkeit (S 115/IV). Für das Schöffengericht bestand daher kein Anlass für Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit von Dr. St***** und damit auch keine Notwendigkeit für eine Vertagung der Hauptverhandlung (vgl Markel, WK-StPO § 1 Rz 27).

Anwaltspflicht besteht im Schöffenverfahren nur für die Hauptverhandlung (§ 41 Abs 1 Z 1 StPO), für die Ausführung einer Nichtigkeitsbeschwerde sowie für den Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über eine solche oder über eine Berufung (Z 4), nicht jedoch für das Zwischenverfahren.

Die Hauptverhandlung war ursprünglich für den 8. Juli 2005 angeberaumt worden. Die Vorladung hiezu wurde dem Angeklagten am 22. Juni 2005 zu eigenen Handen zugestellt (S 31/IV). Infolge Schwierigkeiten bei der Verteidigerbestellung wurde der Termin mehrmals geändert. Nur der Beschluss auf Verlegung der Hauptverhandlung auf den 30. September 2005 wurde Dr. St***** mit einfachem Rückschein am 24. August 2005 zugestellt. Im Übrigen steht eine Verletzung der diesbezüglichen Zustellvorschriften nicht unter Nichtigkeitssanktion. Zudem hat Dr. St***** den Beschluss auf Verlegung des Termins der Hauptverhandlung offensichtlich selbst übernommen (vgl etwa S 38 und S 70/IV). Jedenfalls wäre ein Zustellmangel gemäß § 7 Abs 1 Zustellgesetz geheilt, zumal die Sendung Dr. St***** zugekommen ist und er - auch nach den Ausführungen im Rechtsmittel - vom Hauptverhandlungstermin Kenntnis hatte.

Die in § 221 Abs 1 StPO normierte Vorbereitungsfrist wurde gewahrt, weil dem Angeklagten die Ladung zur am 8. Juli 2005 anberaumt gewesenen Hauptverhandlung bereits am 22. Juni 2005 und jene zur Hauptverhandlung am 30. September 2005 schon am 24. August 2005 zugestellt worden war. Eine Vorbereitungsfrist gilt im Übrigen nur für die erste Vorladung (Fabrizy StPO § 221 Rz 1).

Die Rechtswirksamkeit der Verteidigerbestellung beginnt mit der Zustellung des Bescheides der Rechtsanwaltskammer (vgl 15 Os 3/05p; 13 Os 178/03; 12 Os 14/01). Die Anfechtung der Verteidigerbeigebung durch das Gericht im Wege einer Beschwerde gemäß § 41 Abs 7 oder § 113 Abs 1 StPO oder die Bekämpfung der Verteidigerbestellung im Verwaltungsweg nach § 26 Abs 5 RAO vermag daran nichts zu ändern. Damit stand dem am 30. August 2005 (vgl S 87/IV) bestellten Verfahrenshilfeverteidiger - entgegen der Rüge und ungeachtet dessen, dass die Vorbereitungsfrist des § 221 StPO nur dem Angeklagten eingeräumt ist (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 241) - bis zum 30. September 2005 ein ausreichender Zeitraum iSd Art 6 Abs 3 lit b EMRK zur Verfügung.

Es trifft zwar zu, dass der Angeklagte aufgrund eines nur mündlich vom Vorsitzenden den Sicherheitsbehörden erteilten Vorführbefehls zum Sachverständigen und dann zu Gericht gebracht wurde, doch ist diese Vorgangsweise weder mit Nichtigkeit bedroht, noch wurde dadurch in der Hauptverhandlung eine Vorschrift verletzt.

Die Ausscheidung eines Faktums der Anklage zur abgesonderten Verfolgung unterliegt keiner Nichtigkeitssanktion und gereicht dem Angeklagten im Übrigen auch nicht zum Nachteil, weil - sollte keine später begangene Straftat hinzutreten - im Falle einer weiteren Verurteilung gemäß § 31, 40 StGB auf das Vorurteil Bedacht zu nehmen sein wird. Die im Rechtsmittel zitierte Entscheidung behandelt strafbare Handlungen in Idealkonkurrenz, nicht jedoch wie vorliegend realkonkurrierende Straftaten.

Der im Rahmen der Verfahrensrüge nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO monierte Beweisantrag auf Vernehmung der Zeugin Eveline (auch Evelyn) O***** bezieht sich auf den in der Hauptverhandlung ausgeschiedenen Anklagevorwurf wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und kann daher im vorliegenden Rechtsmittelverfahren nicht aufgegriffen werden.

Der weitere abgewiesene Antrag auf „Einholung der dem Angeklagten vorliegenden Urkunden zum Beweis dafür, dass der Schaden zur Gänze gut gemacht werden kann und vom Angeklagten entsprechende Weichenstellungen diesbezüglich bereits in die Wege geleitet worden sind, aus welchem Grund auch die Vertagung der Hauptverhandlung beantragt wird, damit der Angeklagte diese Urkunden zur nächsten Verhandlung mitbringen kann bzw Zeit hat die Schadensgutmachung vorzunehmen" (S 129/IV), betrifft keinen für die Schuld- oder Subsumtionsfrage erheblichen Umstand, sondern die Ermessensentscheidung bei der Sanktionsfindung. Er kann im Nichtigkeitsverfahren nicht releviert werden (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 321f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung des Verteidigers - bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

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