OGH 15Os143/05a

OGH15Os143/05a16.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Februar 2006 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gomez Reyes als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dipl. Ing. Christian Wilhelm F***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 3. August 2005, GZ 36 Hv 39/05w-43, weiters die Beschwerde des Angeklagten gegen den unter einem gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefassten Widerrufsbeschluss nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittels zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft gebliebene Teilfreisprüche enthält, wurde Dipl. Ing. Christian Wilhelm F***** (I) des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB und (II) des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt. Danach hat er in Schwaz, Innsbruck und anderen Orten (I) mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, sowie in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, in elf Fällen im Spruch des Ersturteils näher angeführte Personen durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, wodurch diese einen Schaden von insgesamt 38.663,46 Euro erlitten haben, indem er im Sommer 2003 Verantwortliche der gleichfalls im Spruch näher bezeichneten Lieferanten und Dienstleistungsunternehmen durch Vortäuschung seiner Zahlungsfähigkeit und -willigkeit zur Lieferung von Waren und zur Erbringung von Dienstleistungen verleitet hat;

(II) im Sommer 2003 die ihm als Angestellter der G***** GmbH durch Rechtsgeschäfte eingeräumte Befugnis, über deren Vermögen zu verfügen, dadurch wissentlich missbraucht und dadurch dem Vollmachtgeber einen Vermögensnachteil in Höhe von 43.105,67 Euro zugefügt, indem er dem Unternehmen Arbeitsleistungen und Material im angeführten Nettogegenwert entzogen und damit das von ihm angemietete Privathaus in O*****, S*****gasse 7, saniert hat.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 3, 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel. Die Verfahrensrüge nach Z 3 behauptet, dem (Stief-)Schwiegervater des Angeklagten, Alfred Ob*****, wäre - entgegen der vom Vorsitzenden vertretenen Ansicht - als Angehörigem iSd § 72 Abs 1 StGB ein Entschlagungsrecht gemäß § 152 Abs 1 Z 2 StPO zugekommen, weshalb er bei sonstiger Nichtigkeit nur nach Belehrung darüber und Verzicht auf dieses Recht hätte vernommen werden dürfen.

Dabei übersieht die Beschwerde, dass es sich bei Alfred Ob***** nicht um den leiblichen Vater oder einen sonstigen Verwandten der Ehefrau des Angeklagten handelt, sodass Schwägerschaft zum Angeklagten im Sinn der Bestimmung des § 72 Abs 1 StGB nicht vorliegt (§ 40 ABGB, vgl Jerabek in WK2 § 72 Rz 5 und 6), weshalb vom Erstgericht zutreffend ein Entschlagungsrecht nicht angenommen worden ist (vgl HV-Protokoll vom 3. August 2005, S 39).

Entgegen der Kritik der Verfahrensrüge nach Z 4 wurden durch die Abweisung der Anträge auf Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Bereich des Installationswesens Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht geschmälert. Zwar ist die Beschwerde mit dem Einwand, der Gerichtshof habe - gesetzwidrig - die Begründung der noch in der Hauptverhandlung getroffenen Entscheidung den Urteilsgründen vorbehalten (und diese überdies dort auch nicht nachgetragen) im Recht, verkennt dabei allerdings, dass es Sache des Beschwerdeführers gewesen wäre, durch einen dahin zielenden Antrag auf Einhaltung der Formerfordernisse des § 238 StPO zu dringen. Denn Abs 3 des § 281 StPO stellt nur auf den Einfluss der in der Entscheidung oder im Nichterkennen bestehenden Formverletzung, nicht aber die Einhaltung der Formvorschriften des § 238 StPO ab (Danek, WK-StPO § 238 Rz 8, Ratz, WK-StPO § 281 Rz 316).

In der unterlassenen Begründung allein liegt dann keine Nichtigkeit, wenn dem Antrag auch nach der - auf den Zeitpunkt der Antragstellung bezogenen - Ansicht des Obersten Gerichtshofes keine Berechtigung zukommt (WK-StPO § 281 Rz 318).

Ein dem Angeklagten nachteiliger Einfluss der Formverletzung (der Unterlassung der Begründung) ist jedoch nicht erkennbar, weil sich die Beweisanträge - soweit aus den dazu angeführten Beweisthemen und aus dem Umfang der Rüge erkennbar ist - zum einen auf Fakten bezogen haben, von denen freigesprochen wurde (US 4 bis 6, vgl Anträge II und III, S 483 bis 485/Bd IV; Kirchbacher, WK-StPO § 246 Rz 40), zum anderen die Tatrichter ohnedies von einer Partiestundenanzahl von 477 und einer Berechnung der Materialkosten samt (nur) 10 %igem Aufschlag ausgegangen sind (US 22, vgl Beweisantrag IV S 485/Bd IV; vgl RIS-Justiz RS0098025). Ob allenfalls bei der Sanierung aufgetretene Mängel für die Schadensberechnung relevant sind, ist - wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat - als Rechtsfrage ohnedies nicht durch einen Sachverständigenbeweis zu klären (WK-StPO § 246 Rz 41). Worin der in der Mängelrüge (Z 5) zum Faktum I behauptete Widerspruch zwischen den Urteilsannahmen (US 8), wonach der Angeklagte die (nachfolgend) angeführten Lieferanten und Dienstleistungsunternehmen über seine Zahlungsunfähigkeit getäuscht habe, und den - selektiv hervorgehobenen - Erwägungen der Beweiswürdigung, der Angeklagte habe seine finanzielle Zuversicht auf angebliche Einkünfte und Forderungen gestützt, wobei es keinen vernünftig begründeten Anhaltspunkt für kommende Einnahmen, aus denen der Angeklagte auch nur bestehende Altschulden - geschweige die neuen hier gegenständlichen Verpflichtungen - hätte abdecken können (US 13, vgl dazu jedoch auch US 18), besteht, legt die Beschwerde mit der nicht näher begründeten Behauptung, die Tatrichter hätten Feststellungen zu einem fahrlässigen Handeln getroffen, nicht substantiiert dar (§ 285a Z 2 StPO).

Den weiteren Beschwerdeausführungen zuwider findet sich die Begründung für die Konstatierung, der Angeklagte habe gewusst, dass er die Leistungen der G***** GmbH für die Sanierung des Hauses in der S*****gasse 7 nicht zahlen werden könne, auf US 16 bis 18 und 21 bis 22 des Urteils.

Das Vorbringen, die Tatrichter hätten die Aussage der Zeugin Martina F***** in der Hauptverhandlung vom 5. Juli 2005, über ihre und der Mutter des Angeklagten Bereitschaft, dem Angeklagten finanziell zu helfen und zu seinen Gunsten zweifelhafte Forderungen der Firma K***** in Höhe von 100.000 Euro abzukaufen, mit Stillschweigen übergangen, im Übrigen hätte bei „vollständiger Berücksichtigung" der aufgezeigten Verfahrensergebnisse (nämlich der den Angeklagten entlastenden Depositionen der Familienangehörigen) ein Schädigungsvorsatz verneint werden müssen, wendet sich gegen die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung. Diese haben, dem Gebot der gedrängten Darstellung der Urteilsgründe nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO Rechnung tragend, im Einklang mit den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen begründet dargelegt, von welchen Verfahrensergebnissen ausgehend sie die leugnende Verantwortung des Angeklagten als Schutzbehauptung angesehen haben (US 13 f) und warum sie die Depositionen der Mutter und Schwester des Angeklagten, die nach Ansicht der Tatrichter sichtlich bemüht waren, ihn zu entlasten und auch auf ihre Aussagen vorbereitet und eingestimmt waren (US 16), nur in eingeschränktem Umfang den Feststellungen zugrunde gelegt haben. Dass sie der leugnenden Verantwortung des Angeklagten nicht gefolgt sind und die aus den im Ersturteil angeführten Beweismitteln gezogenen Schlüsse dem Beschwerdeführer nicht überzeugend genug erscheinen, vermag den herangezogenen Nichtigkeitsgrund ebensowenig herzustellen wie der Umstand, dass sie sich nicht mit allen, erst in der Nichtigkeitsbeschwerde aufgezeigten Einwänden gegen die Beweiswürdigung auseinandergesetzt haben.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) behauptet die Vernachlässigung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung durch das Erstgericht insofern, als aus dem HV-Protokoll vom 3. August 2005 hervorgehe, dass es eine Tonbandaufnahme „von einem vom Angeklagten vor dieser Verhandlung im Jahr 2005 mit dem Zeugen Ob***** geführten Telefongespräch" gebe, welches die belastetenden Angaben dieses Zeugen in der Hauptverhandlung widerlegen würde. Zwar ist die Beschwerde grundsätzlich mit der Argumentation im Recht, dass die Verwendung eines heimlichen Tonbandmitschnittes im Strafprozess insbesondere zur Entlastung des Angeklagten vom Vorwurf einer Straftat zulässig ist (RIS-Justiz RS0093532; Kirchbacher, WK-StPO § 246 Rz 87), jedoch übersieht sie mit dem weiteren Vorbringen zum einen, dass sich aus dem HV-Protokoll (S 47 ON 42/Bd IV) lediglich ergibt, dass der Zeuge Ob***** „das persönliche Gespräch mit dem Angeklagten vor dem 5. Juli (2005) geführt und nicht gewusst hat, dass der Angeklagte das Gespräch auf Tonband aufzeichnet", und lässt zum anderen nicht erkennen, inwieweit der - anwaltlich vertretene - Angeklagte an der Ausübung seines Rechtes, die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sachgemäß zu beantragen, gehindert war und daher belehrt hätte werden müssen (§ 3 StPO), um so die Ermittlung der Wahrheit zu fördern (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480). Die Behauptung einer Aufzeichnung des Gespräches wurde weder durch die Befragung des Angeklagten noch durch ein Anbot, einen Mitschnitt des Gespräches vorzulegen, verifiziert. Die Kritik der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu Faktum I, die Feststellungen des Erstgerichtes ließen den Schluss auf das Vorliegen eines Schädigungsvorsatzes nicht zu, bezieht sich nicht auf die Gesamtheit des im Urteil konstatierten Sachverhaltes, vielmehr argumentiert sie, selbst beweiswürdigend, auf Basis eines von den Urteilsannahmen (vgl US 8 iVm US 18, wonach es dem Angeklagten auf die Schadenszufügung und unrechtmäßige Bereicherung ankam) abweichenden Vorbringens, der Angeklagte hätte sich nicht mit dem Schadenseintritt einverstanden erklärt und den Deliktserfolg nicht willensmäßig hingenommen, sodass nur Fahrlässigkeit vorliege, und lässt damit das bei Geltendmachung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes von der Prozessordnung geforderte strikte Festhalten an den getroffenen Urteilsannahmen außer Acht (WK-StPO § 281 Rz 581).

Die Beschwerdeausführungen zu Faktum II vernachlässigen die Urteilsfeststellungen zum wissentlichen Befugnismissbrauch und der subjektiven Tatseite betreffend die Schadenszufügung (US 10, 22 und 23) und behaupten erneut auf aktenfremder, beweiswürdigend veränderter Grundlage das Fehlen der subjektiven Tatseite. Sie lassen auch hier die Ausrichtung an den Prozessvorschriften vermissen. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO, zum Teil in Verbindung mit § 285a Z 2 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte