OGH 3Ob294/05i

OGH3Ob294/05i15.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Peter S*****, geboren am 26. April 1988, und Rupert S*****, geboren am 14. März 1990, infolge Revisionsrekurses der Mutter Diana S*****, vertreten durch Dr. Siegfried Dillersberger, Dr. Helmut Atzl und Mag. Christian Dillersberger, Rechtsanwälte in Kufstein, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 13. Oktober 2004, GZ 21 R 303/04m-53, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 21. September 2005, GZ 21 R 303/04m-65, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Radstadt vom 3. Mai 2004, GZ 6 P 1492/95w-39, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern der Minderjährigen wurde am 5. Februar 1992 geschieden, im Vergleich vom selben Tag übernahm der Vater für sie die alleinige Obsorge. Mit Beschluss vom 1. September 1992 verpflichtete das Erstgericht die Mutter zur Zahlung von Unterhalt für einen vergangenen viermonatigen Zeitraum, wies jedoch das Unterhaltsbegehren für die Zeit ab 1. April 1992 mangels eines Einkommens der Mutter ab. Ein neuerlicher Unterhaltsfestsetzungsantrag der Kinder wurde mit Beschluss vom 4. März 1996 abgewiesen.

Außer für den genanten Zeitraum leistete die Mutter bisher keinen Unterhaltsbeitrag in Geld. Im Rahmen des relativ großzügig ausgeübten Besuchsrechts verbringen die Kinder insgesamt mehrere Monate im Jahr bei der Mutter. In diesen Zeiten werden sie, ohne dass der Vater Unterhalt leistet, von der Mutter versorgt. Diese leistet auch Beiträge zur Anschaffung von Kleidungsstücken bzw. stattet die Söhne anlässlich ihrer Aufenthalte bei ihr mit neuen Kleidungsstücken aus. Die Mutter verdiente von Mai bis Dezember 2003 als Angestellte einer GmbH (in deren Firma nunmehr auch ihr Namen aufscheint) einschließlich der Sonderzahlungen 7.218,58 EUR netto, von Jänner bis März 2003 2.100 EUR. Geschäftsführer der Gesellschaft ist der Ehemann der Mutter, die mit einer voll geleisteten Einlage von 7.200 EUR auch Gesellschafterin ist. Sie ist noch für den Sohn Tobias, geboren am 21. Juli 1992, sorgepflichtig.

Mit Antrag vom 27. Februar 2003 begehrten die durch ihren Vater vertretenen Antragsteller von ihrer Mutter ab 1. März 2003 die Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrags von jeweils 293 EUR, der sich für Peter ab 1. Mai 2003 (mit Vollendung des 15. Lebensjahrs auf 344 EUR erhöhen sollte. Aufgrund ihres Einkommens aus Tätigkeiten im Beratungs- und Wellnessbereich müsse sie zur Leistung der Regelbedarfssätze in der Lage sein.

Trotz einer Urgenz des Vaters richtete das Erstgericht erst im Dezember 2003 ein Rechtshilfeersuchen an das für den Wohnort der Mutter zuständige Bezirksgericht. Der Ladung zur Vernehmung leistete diese nicht Folge, es erschien nur ihr Rechtsvertreter, beide gaben schriftliche Stellungnahmen zum Akt.

Die Mutter wendete im Wesentlichen ein, sie leiste - wie aus vorgelegten Unterlagen hervorgehe - bereits mehr, als ihr von Gesetzes wegen zukomme. Mit Ausnahme der Unterwäsche habe sie in den vergangenen Jahren sämtliche Aufwendungen für Oberbekleidung der Kinder einschließlich Schuhen und Sportgeräten bestritten. Im Winter 2003/04 habe sie dafür 2.000 EUR ausgegeben. Dadurch erspare sich der Vater bei weitem mehr, als sie an Unterhalt von Gesetzes wegen leisten müsse. Sie versorge die Kinder jeweils während eines Viertels des Jahres, ohne dass der die Familienbeihilfe beziehende Vater einen Beitrag leiste. Sie verdiene monatlich netto nur 900 EUR und sei für einen weiteren elfjährigen Sohn sorgepflichtig. Sie bzw. ihr Ehegatten habe 90 % aller Kleider der Kinder gekauft, weiters teilweise Musikunterricht sowie die Einrichtung der Kinderzimmer im Haus des Vaters bezahlt. Ihr Ehemann habe die Kinder auch auf eine Kalifornien-Rundreise mitgenommen, während der Vater nicht einmal Taschengeld geleistet habe. Solches zahle sie. Für Peters Brille habe sie 400 EUR bezahlt.

Das Erstgericht verhielt die Mutter ab 1. März 2003 bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit der Kinder monatlich 140 EUR für Peter und 125 EUR für Rupert zu zahlen. Mehrbegehren von monatlich 204 EUR für Peter und 168 EUR für Rupert wies es ab.

Auf Grund der vorliegenden Urkunden nahm der Erstrichter den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt als erwiesen an. Rechtlich beurteilte er diesen dahin, dass die bisher einkommenslose Mutter nach § 140 ABGB entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Unterhalt zu leisten habe, und zwar unter Bedachtnahme auf die weiteren Sorgepflichten 18 % für den älteren und 16 % für den jüngeren Sohn. Diese Beträge seien ihr auch ungeachtet der relativ langen Zeit, die die Kinder bei ihr verbrächten, zumutbar. Der Unterhaltsbeitrag des nicht haushaltsführenden Elternteils sei grundsätzlich in Geld zu leisten.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs der Mutter nicht, dem der Kinder aber dahin Folge, dass es den abweisenden Teil der erstgerichtlichen Entscheidung aufhob und dem Erstgericht insoweit die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftrug. Das Rekursgericht erachtete noch Erhebungen über die Einkommensverhältnisse des Ehegatten der Mutter sowie dessen Unterhaltsleistungen ihr gegenüber für erforderlich, weiters über allfällige Einkünfte aus der GmbH, an der sie zu 20 % beteiligt sei. Auch sei zu prüfen, ob sie von diesem Familienbetrieb ein ortsübliches Entgelt erhalte, sowie ihr allgemeiner Lebenszuschnitt zu erheben. Im Umfang der Verfahrensergänzung bleibe es der Mutter unbenommen, ihr Vorbringen über anrechenbare Naturalleistungen zu ergänzen bzw. zu präzisieren.

Dem Rekurs der Mutter hielt das Rekursgericht entgegen: Die Kinder begehrten laufenden, also zukünftigen Unterhalt. Der nicht den Haushalt führende Elternteil habe - wie schon vom Erstgericht ausgeführt - Geldunterhalt zu leisten. Zwar sei die Anrechnung von Naturalleistungen nicht jedenfalls ausgeschlossen, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. U.a. müsse der betreuende Elternteil der Anrechnung zumindest konkludent zustimmen. Eine nähere Prüfung erübrige sich aber, weil es bereits an der Grundvoraussetzung eines ziffernmäßigen und zeitlich konkretisierten Vorbringen mangle, weshalb auch das Unterbleiben weiterer Erhebungen des Erstgerichts keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens begründe. Nach der von der Mutter vorgelegten Aufstellung der Besuchszeiten resultierten die jährlich drei Monate aus den vierzehntägig stattfindenden Besuchswochenenden sowie einem drei- bis vierwöchigen Aufenthalt in den Sommerferien und etwa vier- bis achttägigen Besuchen während der anderen Ferien. Diese Aufenthalte minderten die Unterhaltspflicht nicht, auch habe die Mutter nicht konkretisiert, was sich der Vater dadurch erspare. Nur in diesem Umfang wäre eine Reduzierung der Unterhaltspflicht möglich.

Seinen Ausspruch, gegen den bestätigenden Teil dieses Beschlusses sei der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig, änderte es in der Folge (nach § 14a AußStrG 1854) ab. Der Oberste Gerichtshof sei von seiner ursprünglich sehr restriktiven Rechtsprechung, wonach die Anrechnung von Naturalleistungen während der Ausübung des Besuchsrechts auf den Geldunterhalt nur ab einer zusammenhängenden Dauer von vier Wochen in Betracht komme, sukzessive abgerückt. Im Interesse der Rechtsentwicklung wäre eine Neuformulierung der Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Besuchsrechtskosten als Naturalunterhalt wünschenswert und über den Anlassfall hinaus von Bedeutung.

Der Revisionsrekurs der Mutter ist entgegen diesem den Obersten Gerichtshof gemäß § 16 Abs 3 AußStrG 1854 (die Sachentscheidungen beider Vorinstanzen ergingen noch 2004, weshalb das Rechtsmittelrecht des neuen AußStrG nach dessen § 203 Abs 1 und 7 iVm § 199 nicht anwendbar ist) nicht bindenden Ausspruch nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Mutter macht zunächst in ihrem Rechtsmittel als erhebliche Rechtsfragen allein gravierende Verstöße der „Untergerichte" gegen den Untersuchungsgrundsatz geltend, diese hätten insbesondere die angeregte Vernehmung der Kinder nicht durchgeführt. Im Übrigen sei die Begründung der zweiten Instanz auch widersprüchlich, weil diese in Ansehung des Rekurses der Kinder das Verfahren sehr wohl als ergänzungsbedürftig angesehen habe. Die Gerichte hätten auch im Außerstreitverfahren die Parteien gezielt zur Angabe von Beweismitteln aufzufordern oder erkennbar und problemlos zur Verfügung stehende Beweismittel aufzugreifen. Der Sachverhalt sei insgesamt nicht ausreichend erhoben worden, das Verfahren daher mangelhaft geblieben.

Damit zeigt die Mutter jedoch keine Rechtsfragen des Verfahrensrechts iSd § 14 Abs 1 AußStrG 1854 auf. Auch im Rekursverfahren nach dem AußStrG 1854 (insoweit idF der WGN 1997) bildet nur die Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens einen Revisionsrekursgrund (§ 15 Z 2 leg cit), von der zweiten Instanz verneinte Verfahrensmängel erster Instanz fallen - mit der hier nicht vorliegenden Ausnahme der Wahrung des Kindeswohls - nach stRsp nicht darunter (4 Ob 524/95; RS0050037 mit Ün-RS aus RS0030748). Eine Rechtsrüge iSd § 15 Z 4 AußStrG 1854 (unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache durch das Rekursgericht) enthält das Rechtsmittel nicht, soweit darin eine vom Rekursgericht nicht geteilte Rechtsansicht des Erstgerichts bekämpft wird, entspricht dies der zitierten Norm nicht.

Soweit die Mutter im Rahmen der ihr auf Grund des Beschlusses vom 24. November 2004, AZ 3 Ob 287/04h, vom Erstgericht nur in diesem Umfang gewährten Verbesserungsmöglichkeit versucht, lange nach Ablauf der ursprünglichen Rechtsmittelfrist in einem Antrag nach § 14a AußStrG verbunden mit ordentlichem Revisionsrekurs nicht nur den erforderlichen Abänderungsantrag an das Gericht zweiter Instanz nachzuholen, sondern auch bislang nicht geltend gemachte erhebliche Verfahrensfragen zu relevieren sowie erstmals eine gesetzmäßige Rechtsrüge zu erheben, ist dies wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit des Rechtsmittels zum Scheitern verurteilt (ebenso bereits 9 Ob 40/02a [zu einer Verbesserung in Ansehung des Antrags nach § 14a AußStrG 1854]; 1 Ob 134/02s = SZ 2002/156). Die Mutter hatte schon in ihrem „außerordentlichen" Revisionsrekurs sowohl Gründe für das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage als auch eine Verfahrensrüge ausgeführt; insofern lag daher kein verbesserungsfähiger Mangel vor. Die Zulassung des Nachschiebens von Rechtsmittelgründen würde im Ergebnis zu einer ungerechtfertigten Verlängerung der Rechtsmittelfrist zu Lasten der Gegenpartei führen, was nicht der Sinn des Verbesserungsverfahrens (in analoger Anwendung der §§ 84, 85 ZPO) sein kann. Die zusätzlichen Ausführungen im Verbesserungsschriftsatz in der Sache sind daher unbeachtlich (1 Ob 134/02s = SZ 2002/156). Fehlt es aber schon an einer gesetzmäßig ausgeführten Rechtsrüge, stellen sich auch die vom Rekursgericht als erheblich angenommenen Rechtsfragen nicht.

Das Rechtsmittel ist daher zurückzuweisen.

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