OGH 4Ob250/05a

OGH4Ob250/05a14.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Dr. Bernhard Krause, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei N*****, vertreten durch Dr. Georg Lugert, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 34.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 28. September 2005, GZ 1 R 140/05y-10, womit der Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 12. April 2005, GZ 24 Cg 47/05t-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Beklagte ist Medieninhaberin zweier periodischer Druckschriften. Sie kündigt im Internet einen „AboClub" an, dem jeder kostenlos beitreten kann, der ein Jahresabonnement einer ihrer Zeitschriften erwirbt. Ein Jahresabonnement kostet jeweils 88,40 EUR. Die Mitgliedschaft beim „AboClub" berechtigt zum vergünstigten Bezug von Waren und/oder Dienstleistungen Dritter sowie zur Teilnahme an Gewinnspielen.

Der Kläger begehrt zur Sicherung seines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, im geschäftlichen Verkehr beim Vertrieb der namentlich angeführten periodischen Druckschriften die Ankündigung einer kostenlosen Mitgliedschaft in einem Abonnementclub, die zum ermäßigten Bezug von Waren und/oder Dienstleistungen berechtigt, als unentgeltliche Zugabe zu einem Jahresabonnement dieser Druckschriften zu unterlassen. Die Ankündigung der Beklagten richte sich nicht nur an bestehende Abonnenten, sie verleite auch andere, an den angebotenen Vorteilen Interessierte zum Erwerb von Jahresabonnements aus von der Druckschrift unabhängigen Motiven. Die Mitgliedschaft im „AboClub" sei eine geldwerte Zugabe zum Jahresabonnement, weil aufgrund der Ankündigung erwartet werde, dass immer wieder vergleichbare „Angebote" mit der Mitgliedschaft verbunden sein würden. Die Beklagte schaffe für Interessenten an aktuellen oder künftigen derartigen Angeboten einen sittenwidrigen Anreiz zum Erwerb des Jahresabonnements und verstoße dadurch gegen §§ 1, 9a UWG.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags. Der Ankündigung sei ein bestimmter Verkehrswert der Mitgliedschaft nicht zu entnehmen; der objektive Betrachter gewinne vielmehr den Eindruck, eine kostenlose Serviceleistung ohne entsprechenden wirtschaftlichen Wert zu erhalten. Die Mitgliedschaft im „AboClub" sei mit dem Erwerb des Abonnements automatisch verbunden, wie es im heutigen Wirtschaftsleben gang und gäbe sei. Der Konsument betrachte sie nicht als eine neben der Hauptware gewährte selbstständige Zuwendung, sondern als eine mit dem Bezug der Hauptware unmittelbar verbundene Serviceleistung. Die den Mitgliedern des „AboClubs" in Aussicht gestellten Angebote und Vergünstigungen seien nicht geeignet, einen relevanten Kaufanreiz zum Erwerb eines Jahresabonnements auszulösen. Es handle sich dabei um konkrete, mit Dritten ausgehandelte Preisnachlässe, die den Abonnenten und Mitgliedern des AboClubs gewährt würden. Es lägen weder Scheinpreise noch ein sittenwidriges Vorspannangebot vor.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es stellte nachstehende, den Mitgliedern des „AboClubs" in Aussicht gestellte Vergünstigungen fest:

1. „Musik der Extraklasse": Eintrittskarten für je ein bestimmtes Konzert der Wiener Philharmoniker und der Niederösterreichischen Tonkünstler werden - je nach Kategorie - um bis zu 103,50 EUR verbilligt abgegeben;

2. „Bleib aktiv!": Für AboClub-Mitglieder und je eine Begleitperson wird der Eintritt für eine Seniorenmesse an zwei bestimmten Tagen um 50 % ermäßigt, das sind 2 EUR statt 4 EUR;

3. „Machen Sie Ihr Spiel": Jahresabonnenten erhalten einen Monat hindurch für einen Eintrittspreis von 19 EUR Jetons im Wert von 25 EUR und ein Glas Sekt.

4. „Energie tanken": Clubmitglieder können 100 x zwei Eintrittskarten im Wert von 20,30 EUR für eine bestimmte Therme gewinnen;

5. „Thermenaufenthalt gewinnen": Gewinn eines Aufenthalts für vier Nächte in einer bestimmten Therme für zwei Personen im Wert von 356 EUR pro Person;

6. „Schispaß um die Hälfte billiger": Tageskarten in vier Schigebieten um 50 % des Kartenpreises;

7. „AboClub Fotowettbewerb": Verlosung einer Digitalkamera, eines Scanners und eines Tintenstrahldruckers unter den Einsendern von Winterfotos;

8. „Billiger Pizza genießen": Clubmitglieder erhalten ein Jahr lang jede große Pizza um 5,50 EUR in 38 Filialen einer Pizzeria in Niederösterreich;

9. „Für trübe Wintertage: 5 Bücher zum Fixpreis": Abonnenten erhalten fünf Bücher zum Preis von insgesamt 20 EUR;

10. „Bluetooth Headset & Pocket Organizer": AboClub-Mitglieder erhalten das Headset um 49,95 EUR statt 89,95 EUR und einen Scheckkarten-Organizer um 29,95 EUR statt 99,95 EUR.

In seiner rechtlichen Beurteilung kam das Erstgericht zum Schluss, dass weder ein sittenwidriges Vorspannangebot noch eine unzulässige Zugabe vorliege. Die Beklagte handle nicht sittenwidrig, wenn die Auslagen für das Kombinationsangebot (Hauptware plus Vorspannware) höher seien als die Auslagen für die Vorspannware. Werde diese Schwelle bei einzelnen Angeboten überschritten, so etwa bei der Verlosung des Thermenaufenthalts, der Digitalkamera und dem „Pizza"-Angebot, sei bei Beurteilung der Wettbewerbswidrigkeit entscheidend, in welchem Ausmaß das Angebot den Wettbewerb tatsächlich beeinflusse. Im vorliegenden Fall sei keine oder nur eine geringe Nachfrageverlagerung zu erwarten. Beurteile man den Sachverhalt nach § 9a UWG, so liege wegen des zu entrichtenden Entgelts in keinem Fall eine kostenlose Sachzugabe oder ein bloßer Scheinpreis vor. Soweit das Angebot Gewinnspiele umfasse, sei der Anlockeffekt gering.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge und erließ die einstweilige Verfügung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nur zu einem vergleichbaren „Zugabenfall" vorliege, bei dem der ohne das Abonnement zu entrichtende Mitgliedsbeitrag aber beziffert gewesen sei. Für die objektive Eignung des zusätzlichen Vorteils, den Kunden in seinem Entschluss zum Erwerb der Hauptware zu beeinflussen, komme es nicht auf dessen objektiven Wert, sondern nur auf die durch die Ankündigung ausgelöste Vorstellung an. Der Oberste Gerichtshof habe in einem weitgehend ähnlichen Fall einen Zugabenverstoß schon deshalb bejaht, weil die Möglichkeit, die Clubmitgliedschaft auch ohne Erwerb eines Abonnements durch einen jährlichen Mitgliedsbeitrag erlangen zu können, den Eindruck einer geldwerten unentgeltlichen Zugabe erweckt hatte. Er habe bereits damals zum Ausdruck gebracht, dass auch das Anbot des Jahresabonnements mit einer automatisch damit verbundenen Mitgliedschaft in einem Abonnementclub einen Zugabenverstoß verwirkliche, weil dabei bloß der Preis der Nebenleistung verschleiert werde. Angesichts der vielfältigen Möglichkeiten, gewichtige finanzielle Vorteile zu erlangen, werde der angesprochene Leser auch im vorliegenden Fall einen dafür zu entrichtenden Mitgliedsbeitrag als wirtschaftlich gerechtfertigt erachten. Dass die Mitgliedschaft allein mit dem Erwerb eines Abonnements zu erlangen sei, löse bei ihm die Vorstellung aus, dass ihr ein entsprechender Wert zukomme, möge dieser auch mangels Bezifferung verschleiert sein. Er werde daher die Mitgliedschaft im Club als unentgeltliche Zugabe einer an sich geldwerten Nebenleistung erachten. Diese Beurteilung stehe auch mit der ständigen Rechtsprechung zu § 9a Abs 2 Z 5 UWG im Zusammenhang mit Gutscheinen als Zugabe in Einklang. Gutscheine seien nämlich nur dann erlaubt, wenn sie gegen Geld eingelöst werden können, nicht aber, wenn ihr Wert vom Kaufpreis einer anderen Ware abgezogen wird. Bei wirtschaftlicher Betrachtung eröffne die von der Beklagten angebotene Clubmitgliedschaft Vorteile, wie sie auch mit der Ausgabe von Warengutscheinen verbunden seien. Der Unterschied besteht darin, dass der Abonnent die Clubmitgliedschaft darzutun habe, während im anderen Fall der Warengutschein vorzulegen sei. Dieser Unterschied vermöge eine unterschiedliche Beurteilung beider Varianten nicht zu rechtfertigen; in beiden Fällen liege eine nach § 9a Abs 1 UWG unzulässige Zugabe vor. An ihrer Eignung, den Wettbewerb zugunsten der Beklagten spürbar zu beeinflussen, bestehe kein Zweifel. Es sei daher nicht mehr zu prüfen, ob ein nach § 1 UWG unzulässiges Vorspannangebot vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Beklagten ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest, ihre Ankündigung enthalte keinen Hinweis auf einen geldwerten Charakter der Mitgliedschaft im „AboClub". Sie werde von Lesern auch nicht in diesem Sinn verstanden. Anders als in der Vorentscheidung 4 Ob 156/99s (= MR 2000, 39 - Club der Leser) entstehe hier vielmehr der Eindruck, die Mitgliedschaft sei eine kostenlose Serviceleistung ohne entsprechenden wirtschaftlichen Wert. Sie sei mit dem Erwerb des Abonnements automatisch verbunden und im Geschäftsleben gang und gäbe. Die in Aussicht gestellten Vergünstigungen veranlassten niemanden, ein Jahresabonnement zu kaufen, wenn er an der Zeitung selbst nicht interessiert sei.

Dem ist zu erwidern:

Nach § 9a Abs 1 Z 1 UWG kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Verbrauchern (ua) neben periodischen Druckwerken unentgeltliche Zugaben anbietet, ankündigt oder gewährt; dies gilt auch dann, wenn die Unentgeltlichkeit der Zugabe durch Gesamtpreise für Waren oder Leistungen, durch Scheinpreise für die Zugabe oder auf andere Art verschleiert wird.

Zugabe ist nach ständiger Rechtsprechung ein zusätzlicher Vorteil, der neben der Hauptware ohne besondere Berechnung angekündigt (gewährt) wird, um den Absatz der Hauptware zu fördern (4 Ob 156/99s = MR 2000, 39 - Club der Leser mwN). Der Vorteil muss objektiv geeignet sein, den Kunden in seinem Entschluss zum Erwerb der Hauptware (Hauptleistung) zu beeinflussen, also Werbe- und Lockmittel sein (4 Ob 36/00y = ÖBl 2001, 23 - Sonnenfinsternisbrille II mwN).

Der zusätzliche (wirtschaftliche) Vorteil darf nicht zum Leistungsgegenstand des Hauptgeschäfts gehören, er muss eine davon losgelöste wirtschaftliche Bedeutung haben und selbstständig zu bewerten sein (4 Ob 221/98y = MR 1998, 356 - persönliches Gratis-Horoskop). Entscheidend ist, ob bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck eines zusätzlichen (nicht vom Leistungsgegenstand des Hauptgeschäfts umfassten) geldwerten Vorteils erweckt wird, der dennoch unentgeltlich gewährt wird und vom Warenbezug abhängig ist. Dabei gilt der Grundsatz, dass der Ankündigende bei mehrdeutigen Ankündigungen immer die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen muss (stRsp 4 Ob 156/99s = MR 2000, 39 - Club der Leser mwN).

Das Rekursgericht hat in Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung den Zugabencharakter der Mitgliedschaft im „AboClub" der Beklagten angesichts der damit verbundenen Vergünstigungen beim Bezug bestimmter Waren oder Dienstleistungen zutreffend bejaht:

Die Beklagte hat zwar - insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem der Entscheidung 4 Ob 156/99s (= MR 2000, 39 - Club der Leser) zugrunde liegenden Sachverhalt - den Wert der Mitgliedschaft nicht beziffert. Abonnenten werden automatisch Mitglieder, ohne ein zusätzliches Entgelt entrichten zu müssen; Nicht-Abonnenten wird die Mitgliedschaft nicht angeboten, und zwar auch nicht gegen Entgelt. Das schließt aber keineswegs aus, dass der vom Angebot der Beklagten angesprochene Interessent die Mitgliedschaft als geldwerte Leistung empfindet, für die er üblicherweise ein Entgelt zu zahlen hätte.

Die Mitgliedschaft beim Klub bietet die Möglichkeit, ganz gewichtige finanzielle Vorteile zu erlangen; ihr kommt daher ein entsprechender Wert zu, der einen Mitgliedsbeitrag als wirtschaftlich gerechtfertigt erscheinen ließe. Dass kein Mitgliedsbeitrag verlangt und der Wert der Mitgliedschaft auch sonst nicht beziffert wird, hindert einen Zugabenverstoß nicht, weil dadurch der - aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise jedenfalls gegebene - Wert nicht beseitigt, sondern nur verschleiert wird.

Mit ihrem Einwand, die mit dem Erwerb des Abonnements verbundene Mitgliedschaft sei im Wirtschaftsleben gang und gäbe, macht die Beklagte geltend, die Mitgliedschaft sei keine selbstständige, vom Leistungsgegenstand des Hauptgeschäfts unabhängige Leistung, sie werde vielmehr vom Leistungsumfang des Zeitschriftenabonnements umfasst. Die Beklagte hat aber nicht bescheinigt, dass Zeitungsabonnements üblicherweise mit der Mitgliedschaft in einem Abonnement-Club verbunden wären, die zum vergünstigten Bezug von Waren und Dienstleistungen berechtigt. Dass dem so wäre, ist auch nicht gerichtsbekannt. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass jedenfalls ein nicht unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise das Angebot der Beklagten nicht als Serviceleistung versteht, die Teil der in der Lieferung von Zeitschriften bestehenden Hauptleistung ist, sondern als zusätzlichen Vorteil.

Angesichts der Attraktivität der mit der Mitgliedschaft verbundenen Vorteile besteht kein Zweifel, dass die Ankündigung geeignet ist, den Adressaten in seinem Entschluss zu beeinflussen, ein Zeitschriftenabonnement der Beklagten zu erwerben. Allein die Möglichkeit, Eintrittskarten für Konzerte der Wiener Philharmoniker und der Niederösterreichischen Tonkünstler um - je nach Kategorie - bis zu 103,50 EUR verbilligt zu erwerben, ist geeignet, einen Musikliebhaber zum Bezug eines Jahresabonnements um 88,50 EUR zu bewegen. Das Interesse am Erwerb eines Abonnements wird jedenfalls auch durch die Möglichkeit geweckt, einen Thermenaufenthalt für zwei Personen im Wert von 356 EUR pro Person, eine Digitalkamera, einen Scanner und einen Tintenstrahldrucker zu gewinnen. Gleiches gilt für den erheblichen Preisnachlass bei Erwerb der unter Punkt 10 des Mitgliederanbots angeführten Geräte.

Das Rekursgericht hat somit den Zugabenverstoß der Beklagten zu Recht bejaht. Der Revisionsrekurs musste erfolglos bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte