OGH 15Os129/05t

OGH15Os129/05t19.1.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Jänner 2006 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Solé und Mag. Hetlinger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gomez Reyes als Schriftführer, in der Straf- und Medienrechtssache des Privatanklägers und Antragstellers Pero K***** gegen Dr. Marijan B***** als Angeklagten wegen des Vergehens nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie den kroatischen Presseverein „H*****" als Antragsgegner wegen Anträgen nach §§ 6 ff MedienG über die vom Generalprokurator gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 9. März 2005, AZ 17 Bs 291/04 (ON 49 des Aktes AZ 12 Hv 194/03g des Landesgerichtes Eisenstadt) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Sperker, des Privatanklägers und des Vertreters des Privatanklägers, Dr. Korn, sowie des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Rami, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 9. März 2005, AZ 17 Bs 291/04 (ON 49 des Aktes 12 Hv 194/03g des Landesgerichtes Eisenstadt) verletzt § 474 StPO iVm § 489 Abs 1 StPO.

Gemäß § 292 letzter Satz StPO wird dieses Urteil insoweit, als es über die Berufungen des Privatanklägers und des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe und den Kostenausspruch erkannte, aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht Wien verwiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Eisenstadt vom 22. Juni 2004, GZ 12 Hv 194/03g-31, das auch Erkenntnisse gemäß §§ 6 Abs 1, 34 Abs 1 MedienG enthält, wurde Dr. Marijan B***** des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt und nach § 111 Abs 2 StGB zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 25 Euro, im Nichteinbringungsfall zu 60 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt. Gemäß § 389 Abs 1 StPO iVm § 35 MedienG wurden der Angeklagte und der Verein „H*****" zur ungeteilten Hand zur Bezahlung der Geldstrafe und der Kosten des Strafverfahrens, einschließlich der Kosten der Urteilsveröffentlichung verpflichtet. In der Privatanklage (ON 2) wurde ihm angelastet, durch die Verfassung des Artikels „Udba - Jugoslawiens Wächter" auf Seite 14 der periodischen Druckschrift „H*****" den Privatankläger Pero K***** dadurch einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung geziehen und/oder eines unehrenhaften Verhaltens oder eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt zu haben, das geeignet ist, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen, dass er diesen Artikel mit den Textstellen

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde im Ergebnis richtig ausführt, steht das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Zutreffend ist das Oberlandesgericht Wien davon ausgegangen, dass die Grundsätze der tatbestandlichen Handlungseinheit auch bei Ehrenbeleidigungs- und Medienstrafsachen Geltung haben (Ratz in WK²

Vor §§ 28-31 Rz 23 und 104; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 521; siehe dazu auch Jescheck/Weigend AT5 712). Tatobjekt des Vergehens der Üblen Nachrede nach § 111 StGB ist nicht jede einzelne Äußerung, die in einem gegebenen Zusammenhang aufgestellt wird, sondern das „Zeihen einer verächtlichen Gesinnung oder eines unehrenhaften Verhaltens". Die einmalige Verwirklichung des Tatbestandes lässt eine Mehrheit von (inhaltlich gleich oder ähnlich gelagerten: „materieller Zusammenhang", Ratz in WK² Vor §§ 28-31 Rz 23) Behauptungen zu, sodass in Hinblick auf einzelne Aussagen kein Freispruch zu ergehen hatte (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 523). Teilaspekte der Handlungseinheit können als Strafzumessungsgesichtspunkte (Strafbemessungstatsachen) - ohne Einschränkung durch das für Nichtigkeitsgründe geltende Neuerungsverbot - mit Berufung releviert werden.

Das Berufungsgericht hat sich bei der Behandlung einer Strafberufung an den verfahrensrechtlichen Maximen zu orientieren. Nach der auch im Einzelrichterverfahren anzuwendenden Bestimmung des § 474 StPO (§ 489 Abs 1 StPO) erkennt der Gerichtshof nach Durchführung eines öffentlichen Gerichtstags zur Verhandlung über die Berufung (§§ 471 - 473 StPO), wenn er die Berufung nicht als unzulässig oder ungegründet zurückzuweisen oder seine eigene Nichtzuständigkeit auszusprechen findet, in der Sache selbst nach den für die Urteilsfällung der Gerichtshöfe erster Instanz geltenden Vorschriften, insofern nicht in den nächstfolgenden Paragraphen etwas anderes angeordnet ist. Denen (§§ 475 f StPO) zufolge ist aber eine Kassation und Verweisung an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung nur in bestimmten - hier nicht relevanten Fällen - vorgesehen, nicht hingegen zur ausschließlich die Straffrage betreffenden Entscheidung. Nach Durchführung eines Gerichtstags zur öffentlichen Verhandlung durfte daher das Berufungsgericht in Stattgebung einer Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe die Sache nicht an das Erstgericht verweisen, sondern hätte in der Sache selbst erkennen müssen (vgl Ratz, WK-StPO § 295 Rz 2 und 4; § 473 Rz 3; § 474 Rz 7; Fabrizy, StPO9 § 295 Rz 1).

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Privatangeklagte vorliegend in Hinblick auf die vom Erstgericht als nicht tatbestandsmäßig erachteten Äußerungen den Wahrheitsbeweis (§ 111 Abs 3 StGB) angeboten hat, war doch dem Berufungsgericht selbst dessen Durchführung im Rahmen der Behandlung der Strafberufung nicht verwehrt (§ 473 StPO; vgl dazu WK-StPO § 295 Rz 2). Überdies verletzt auch der darin begründete Widerspruch in der Entscheidung des Oberlandesgerichts, dass im Tenor der Berufung des Angeklagten (zur Gänze) nicht Folge gegeben wurde, in den Gründen aber dazu kein Eingehen auf die Argumente seiner Strafberufung erfolgt ist, sondern diese auf die kassatorische Entscheidung verwiesen wurde, § 474 StPO.

Weil das Urteil des Oberlandesgerichtes in letztem Punkt sowie im Ausspruch gemäß § 390a StPO zum Nachteil des Angeklagten wirkte, war es, soweit es über die Berufungen des Privatanklägers und des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe und den Kostenausspruch erkannte, aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht Wien zu verweisen.

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