OGH 14Os102/05i

OGH14Os102/05i17.1.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Jänner 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp, Hon. Prof. Dr. Schroll, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eck als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Elisabeth W***** wegen des teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) verbliebenen Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 27. April 2005, GZ 22 Hv 35/05d-23, sowie über deren Beschwerde gegen den gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefassten Widerrufsbeschluss nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators Generalanwalt Dr. Eisenmenger und des Verteidigers Mag. Stefan Hotz zu Recht erkannt und den Beschluss gefasst:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch II. wegen des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 erster Fall StGB sowie im Ausspruch über die Strafe und demzufolge auch der Beschluss über den Widerruf bedingter Strafnachsicht aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Elisabeth W***** wird von der wider sie erhobenen Anklage, sie habe sich am 29. August 2004 in Innsbruck ein fremdes unbares Zahlungsmittel, nämlich die Kreditkarte der Katharina F***** mit der Nummer *****, dadurch, dass sie diese Kreditkarte nicht der Verfügungsberechtigten nach dem Auffinden zurückgab, mit dem Vorsatz verschafft, dass sie durch deren Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werde, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Im verbleibenden Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Einzelrichter des Landesgerichtes Innsbruck verwiesen.

Mit ihrer Berufung und Beschwerde wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Elisabeth W***** (anklagedifform) der Vergehen des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, 15 StGB (I.) sowie der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 erster Fall StGB (II.) schuldig erkannt.

Demnach hat sie am 29. August 2004 in Innsbruck

I. mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verantwortliche der nachangeführten Lokale, Geschäfte und Dienstleistungsunternehmen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich über ihre Berechtigung zur Verwendung der auf Katharina F***** lautenden Kreditkarte unter Benützung eines entfremdeten unbaren Zahlungsmittels, zur Herausgabe von Speisen und Getränken, anderen Waren und Bargeld sowie zur Durchführung von Taxifahrten, mithin zu Handlungen verleitet, die die Genannten bzw die Europay Austria Zahlungsverkehrssysteme GmbH am Vermögen schädigten, wobei die Kreditkartenabrechnungen in nachangeführter Höhe ausgestellt wurden und der Schaden 3.000 Euro nicht übersteigt, und zwar Verantwortliche

  1. 1. des Lokals „K*****" (33,50 Euro);
  2. 2. der ***** Tankstelle in Amras (62,60 Euro);
  3. 3. des Lokals „R*****" (280 Euro und 981,80 Euro);
  4. 4. der Firma Taxi P***** (200 Euro und 600 Euro) und
  5. 5. der ***** Tankstelle in der A*****straße (40 Euro), wobei diese Tat beim Versuch geblieben ist;

    II. sich ein fremdes unbares Zahlungsmittel, nämlich die Kreditkarte der Katharina F*****, dadurch dass sie diese nicht der Verfügungsberechtigten nach deren Auffinden zurückgab, mit dem Vorsatz verschafft, dass sie durch deren Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert wird.

Rechtliche Beurteilung

Der allein gegen Faktum II. gerichteten, nominell aus § 281 Abs 1 Z 10 (inhaltlich Z 9 lit a; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 565) StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten kommt Berechtigung zu, indem sie unter Bezugnahme auf den in ÖJZ 2005, 256 ff [insb 259 f] abgedruckten Artikel Plöckingers, „Die neuen Tatbestände zum Schutz unbarer Zahlungsmittel und deren Verhältnis zu den Urkunden- und Vermögensdelikten", die Auffassung vertritt, die dem Schuldspruch unterliegenden Vergehen würden zueinander nicht im Verhältnis echter (Real-)Konkurrenz stehen, sondern es würde die zu II. beschriebene Tat durch die nachfolgenden zu Faktum I. erfassten Handlungen verdrängt.

Laut den Materialien zu den insoweit den EU-Rahmenbeschluss vom 28. Mai 2001 zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln umsetzenden StRÄG 2004 stellt die Entfremdung eines unbaren Zahlungsmittels im - hier vorliegenden - ersten Fall des § 241e Abs 1 StGB eine „Vorbereitungshandlung" zum Missbrauch des unbaren Zahlungsmittels zum Zweck der unrechtmäßigen Bereicherung im Wege eines Vermögensdelikts dar. Dem in der Folge daraus gezogenen Schluss, im Fall einer der Entfremdung zeitlich nachfolgenden Begehung eines Betruges unter Benützung dieses unbaren Zahlungsmittels durch denselben Täter werde der eigenständige Deliktsunwert der Entfremdung nicht auch durch die spätere Erfüllung des Betrugs abgegolten, „was sich auch aus der Unterschiedlichkeit der geschützten Rechtsgüter ergebe, zumal die Entfremdung eines unbaren Zahlungsmittels einen Angriff auf die Sicherheit des Rechts- und Zahlungsverkehrs mit unbaren Zahlungsmitteln darstelle, während die spätere missbräuchliche Verwendung dieses Zahlungsmittels gegen fremdes Vermögen gerichtet sei" (EBRV StRÄG 2004, 309 BlgNR XXII. GP, 14 f; Fabrizy, StGB8 ErgH § 241e Rz 4, idS auch 13 Os 145/04), kann nicht gefolgt werden.

Durch die im speziellen Fall getätigte Benutzung des vom Täter entfremdeten unbaren Zahlungsmittels im unbaren Zahlungsverkehr wurde der deliktsspezifische - hier unverzüglich realisierte - vorgelagerte Bereicherungsvorsatz iSd § 241e Abs 1 erster Fall StGB umgesetzt. Der Gebrauch der Kreditkarte nach § 241e Abs 1 erster Fall StGB ist von §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB erfasst. Damit wird - wie die Beschwerde zutreffend ausführt - mit der Strafbarkeit nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB das zur Vorbereitung dieser (qualifizierten) Tat verwirklichte Delikt nach § 241e Abs 1 StGB verdrängt (Schroll in WK2 § 241e Rz 26; Bertel/Schwaighofer BT I8 § 147 Rz 10; vgl auch Ratz in WK2 Vorbem zu §§ 28 bis 31 Rz 44 f). Durch die hier vorgenommene Auslegung wird dem § 241e Abs 1 erster Fall StGB keineswegs der Anwendungsbereich entzogen, sind doch Fälle denkbar, in denen es, aus welchen Gründen immer, nicht zur Realisierung des überschießenden Bereicherungsvorsatzes kommt und sich der intendierte Schutz des Vertrauens der Allgemeinheit auf die Sicherheit unbarer Zahlungsmittel durch dessen Annahme manifestiert, oder etwa dann echte Konkurrenz mit - ohne Zahlungsmittelqualifikation bewehrten - Diebstahl vorliegt, wenn die entfremdete Kreditkarte zur Erlangung von Leistungen aus einem Automaten verwendet wird.

Fallbezogen wird hinwieder den Betrug gerade durch das entfremdete Zahlungsmittel qualifiziert.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher - entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur - mit Freispruch vom (scheinbar real konkurrierenden) Faktum II. vorzugehen.

Da die Angeklagte zum Gerichtstag (trotz ausgewiesener Ladung) nicht erschien, war die Sache zur Entscheidung über den Sanktionenausspruch aus den - nun zuständigen - Einzelrichter des Landesgerichts Innsbruck zu verweisen.

Mit ihrer Berufung und Beschwerde war die Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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