OGH 10ObS121/05z

OGH10ObS121/05z22.12.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Prof. Mag. Dr. Günther Schön (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Herbert Böhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Walter L*****, Prokurist, *****, vertreten durch Dr. Martin Holzer, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung eines Arbeitsunfalles, infolge „Revisionsrekurses" (richtig: Rekurses) der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8. September 2005, GZ 7 Rs 56/05t-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 7. April 2005, GZ 22 Cgs 213/04k-13, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten der Rekursbeantwortung sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger ist Prokurist und Leiter der Finanzbuchhaltung der Firma I***** A***** GmbH. Er ist für den gesamten Finanzbereich des Konzerns zuständig, wobei ihm am Standort T***** in seiner Abteilung drei Mitarbeiter unterstehen. Am Standort T***** sind insgesamt 208 Arbeitnehmer beschäftigt. In dem Unternehmen werden regelmäßig von der Geschäftsleitung Schitage organisiert, wobei das Unternehmen die Bezahlung ganz oder teilweise übernimmt und diese Veranstaltungen genehmigt. Im Jänner 2004 organisierte der Betriebsrat dieses Unternehmens einen Schitag, der an einem Samstag stattfand und dessen Kosten zwischen dem Betriebsrat und dem Unternehmen geteilt wurden. Eine Teilnahmeverpflichtung der Mitarbeiter bestand nicht. Der Kläger konnte mit seinen Mitarbeitern an diesen Schitag nicht teilnehmen, weil zu dieser Zeit die Bilanzen fertig gestellt werden mussten. Wegen der Nichtteilnahme der Mitarbeiter seiner Abteilung am Schitag im Jänner 2004 und als „Kompensation" für die im Zuge der Bilanzierungsarbeiten auch am Wochenende und außerhalb der normalen Dienstzeit geleisteten Arbeiten organisierte der Kläger für die Mitarbeiter seiner Abteilung einen eigenen Schitag für den 16. 3. 2004. Die Tragung der Verpflegungs- und Liftkosten wurde vom Unternehmen zugesichert und auch die Reisekosten - der Kläger und seine Mitarbeiter fuhren mit dem Firmenbus zum Schitag - wurden vom Unternehmen bezahlt. An diesem Schitag nahmen zwei Mitarbeiterinnen der Abteilung für Finanzbuchhaltung sowie der Kläger und seine Gattin teil. Der Schitag fand an einem Arbeitstag (Dienstag) statt, ohne dass die Teilnehmer einen Urlaubstag nehmen mussten. Die Durchführung dieses Schitages wurde vom Geschäftsführer des Unternehmens schriftlich genehmigt. In diesem Unternehmen ist es üblich, dass auch einzelne Abteilungen immer wieder Veranstaltungen organisieren, um den Zusammenhalt innerhalb der Abteilung zu fördern; dies ist von der Geschäftsleitung auch so gewünscht.

Die beklagte Partei sprach mit Bescheid vom 31. 8. 2004 aus, dass der Unfall, den der Kläger anlässlich des Schitages am 16. 3. 2004 erlitten habe, nicht als Arbeitsunfall anerkannt werde und kein Anspruch auf Leistungen gemäß § 173 ASVG bestehe, weil der Unfall nicht im Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung stehe.

Das Erstgericht gab dem dagegen vom Kläger rechtzeitig erhobenen und „auf die Feststellung des Unfalls vom 16. 3. 2004 als Arbeitsunfall" gerichteten Klagebegehren statt. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, dass sämtliche von der Judikatur geforderten Kriterien für die Anerkennung des Unfalls als unfallgeschützter Betriebsausflug im Sinn des § 175 Abs 1 ASVG erfüllt seien. Der Schitag sei vom Arbeitgeber finanziert und von seinem Willen getragen gewesen, an einem Arbeitstag ohne Urlaubskonsumation durchgeführt worden und habe gleichsam als Ersatzveranstaltung für die fehlende Möglichkeit einer Teilnahme am gemeinsamen Betriebsschitag und als Ausdruck der Dankbarkeit für die über die normale Arbeitszeit hinaus erbrachte Arbeitsleistung gedient. Ungeachtet der geringen Anzahl der Teilnehmer sei auch mit dieser Veranstaltung eine Verbesserung des Betriebsklimas bezweckt gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei dahin Folge, dass das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sozialrechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, dass es sich bei dem Unfallereignis um einen Arbeitsunfall im Rahmen einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung handle. Indizien dafür seien die Offenheit für alle Betriebsangehörigen oder zumindest für alle Angehörigen der Abteilung oder Gruppe, eine gewisse Mindestbeteiligung, die (teilweise) Kostentragung durch den Arbeitgeber, die Freitzeitgewährung für die Teilnahme sowie eine Planung und Durchführung, die von der Autorität des Arbeitgebers getragen werde, möge sie auch tatsächlich durch jemand anderen erfolgen. Die Tatsache, dass an der vom Kläger organisierten Veranstaltung nur ein kleiner Personenkreis teilgenommen habe, nehme ihr nicht den Charakter einer Gemeinschaftsveranstaltung, weil diesen Personen eine Teilnahme am Schitag im Jänner 2004 aus beruflichen Gründen nicht möglich gewesen sei. Eine Förderung des Betriebsklimas sei auch innerhalb einer kleinen Gruppe keinesfalls ausgeschlossen. Das Verfahren sei jedoch ergänzungsbedürftig; ein mögliches Leistungsbegehren sei durch die konkrete Angabe der begehrten Leistung zu präzisieren. Ein Feststellungsbegehren gemäß § 65 Abs 2 ASGG setze voraus, dass als Folge eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit eine bestimmte Gesundheitsstörung (zumindest bei Schluss der Verhandlung erster Instanz) bestehe. Solche beim Versicherten eingetretenen Gesundheitsstörungen seien in einem Feststellungsbegehren zwingend anzuführen. Im vorliegenden Fall habe das Erstgericht bisher weder Feststellungen über die näheren Umstände noch über Art und Ausmaß der vom Kläger erlittenen Verletzungen und der bei ihm als Folge dieses Unfalls bestehenden Gesundheitsstörungen getroffen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil der Frage, ob eine unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehende betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung auch dann vorliege, wenn aus besonderen Gründen nur wenige Arbeitnehmer eines Großbetriebes an dieser Veranstaltung teilnehmen, eine rechtserhebliche Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zukomme.

Die beklagte Partei bekämpft den Aufhebungsbeschluss mit rechtzeitigen Rekurs (§§ 519 Abs 1 Z 2, 521 Abs 1, 521a Abs 1 Z 2 ZPO). Sie macht unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Entscheidung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde.

Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung, dem Rechtsmittel der beklagten Partei keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Rekurswerberin macht geltend, die Teilnahme an betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen sei nur dann der versicherten Berufstätigkeit gleichzusetzen, wenn diese dazu bestimmt sei, die Verbundenheit zwischen Betriebsleitung und Belegschaft zu pflegen. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, da für den Schitag nur ein freies Schifahren, nicht jedoch ein geselliges Zusammensein der Betriebsangehörigen zum Meinungsaustausch, zum näheren Kennenlernen sowie zur Verbesserung des Betriebsklimas geplant gewesen sei. Des weiteren müsse es sich um eine Gemeinschaftsveranstaltung handeln, die allen Betriebsangehörigen, oder wenn die Größe oder die Erfordernisse des Betriebes keine gemeinsame Veranstaltungen erlauben, wenigstens den Angehörigen der Abteilungen oder Gruppen, bei denen dies möglich sei, offen stehe; an der, wenn auch ohne ausdrücklichen Zwang, alle teilnehmen sollen und die eine gewisse Mindestbeteiligung aufweise. Auch diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, davon insgesamt 208 Arbeitnehmern nur 3 Arbeitnehmer an diesem Schitag teilgenommen hätten. Schließlich sei der Schitag als Belohnung für die von den Mitarbeitern des Klägers im Zusammenhang mit den Bilanzierungsarbeiten geleisteten und über das übliche Ausmaß hinausgehenden Arbeiten zu sehen.

Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Nach ständiger Rechtsprechung stehen betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen insoweit unter Versicherungsschutz, als die Teilnahme an ihnen ein Ausfluss der Ausübung der Erwerbstätigkeit ist. Hiefür sind in jedem konkreten Fall eine Reihe von Faktoren in ihrem Zusammenhang und in ihrer ausschlaggebenden Bedeutung als Beurteilungskriterien heranzuziehen. Es muss sich um eine Gemeinschaftsveranstaltung handeln, die allen Betriebsangehörigen oder, wenn die Größe oder die Erfordernisse des Betriebes keine gemeinsame Veranstaltung erlauben, wenigstens den Angehörigen der Abteilungen oder Gruppen, bei denen dies möglich ist, offen steht, an der, wenn auch ohne ausdrücklichen Zwang, alle teilnehmen sollen und die eine gewisse Mindestbeteiligung aufweist. Die Gemeinschaftsveranstaltung muss vom Betriebsleiter selbst veranstaltet, zumindest aber bei der Planung und Durchführung von seiner Autorität getragen werden. Hiefür sind die Anwesenheit des Betriebsinhabers oder eines Organs, die gänzliche oder teilweise Übernahme der Kosten, die Durchführung der Veranstaltung während der Arbeitszeit oder die Gewährung arbeitsfreier Zeit wichtige Anhaltspunkte. Wenn nicht alle Kriterien vorliegen, so muss dies noch keinen Versicherungsausschluss bedeuten, doch kommt es darauf an, in welcher Intensität die Gemeinschaftsveranstaltung betrieblichen Zwecken dient und in welchem Umfang außerbetriebliche private Interessen beteiligt sind (SSV-NF 5/111 mwN; RIS-Justiz RS0084544; RS0084647).

Im vorliegenden Fall ist bei der Überprüfung der Mindestbeteiligung zu berücksichtigen, dass die Beschränkung des Teilnehmerkreises für den Schitag am 16. 3. 2004 auf die Mitarbeiter der Abteilung „Finanzbuchhaltung" aus betrieblichen Gründen erfolgte, da diese Mitarbeiter am allgemeinen Schitag im Jänner 2004 wegen der Verrichtung dringender Bilanzierungsarbeiten nicht teilnehmen konnten. Sofern aber die Größe oder - wie im vorliegenden Fall - die Erfordernisse des Betriebes keine gemeinsame Veranstaltung (Schitag) erlauben, besteht auch bei Veranstaltungen von Abteilungen oder Gruppen des Gesamtbetriebes Versicherungsschutz (Krasney in Brackmann, Handbuch der SV Bd 3 Gesetzliche UV § 8 Rz 122; Schwerdtfeger in Lauterbach, UV4 SGB VII § 8 Rz 156 jeweils mwN zur vergleichbaren deutschen Rechtslage). Es ist daher auch bei Überprüfung der Mindestbeteiligung nicht von der Belegschaft des Gesamtbetriebes, sondern von der Anzahl der Mitarbeiter in der Abteilung „Finanzbuchhaltung" auszugehen, wobei von den drei Mitarbeitern des Klägers in dieser Abteilung nur ein Mitarbeiter nicht teilgenommen hat. Es ist daher auch das Erfordernis der Mindestbeteiligung erfüllt (vgl SSV-NF 8/123). Eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil in der Abteilung des Klägers neben dem Kläger nur drei Mitarbeiter tätig sind. Denn gerade in einer so kleinen Einheit ist eine Festigung und Förderung der Beziehungen zwischen der Betriebsleitung und den Mitarbeitern sowie der Mitarbeiter untereinander besonders wichtig. Beim gegenständlichen Schitag handelt es sich entgegen der Ansicht der Rekurswerberin auch nicht um eine Veranstaltung, die nur mit besonders ausgewählten und erfolgreichen Beschäftigten durchgeführt worden wäre und deshalb nicht als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung angesehen werden könnte. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist die Durchführung des Schitages am 16. 3. 2004 nämlich vor allem auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Kläger mit seinen Mitarbeitern aus den bereits erwähnten betrieblichen Gründen an dem „allgemeinen" Schitag im Jänner 2004 nicht teilnehmen konnte.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass auch sportliche Betätigungen, wie beispielsweise ein Schitag (SSV-NF 10/40), der Betriebsverbundenheit dienen können. Wenn allerdings bei der sportlichen Betätigung der Wettkampfcharaker im Vordergrund steht, ist sie grundsätzlich vom gesetzlichen Versicherungsschutz (zu Lasten der Versichertengemeinschaft) ausgenommen und daher auch nicht als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung zu werten (SSV-NF 15/28 mwN). Dass sich der gegenständliche Unfall des Klägers im Rahmen einer sportlichen Betätigung mit Wettkampfcharakter oder beim Bestreben, Spitzenleistungen zu erreichen, ereignet hätte, wird auch in den Revisionsausführungen nicht geltend gemacht. Weiters ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass der Schitag vom 16. 3. 2004 vom Betriebsleiter ausdrücklich bewilligt und gefördert wurde. So wurden die Kosten für die Durchführung des Schitages weitgehend von der Unternehmensleitung übernommen; für die Anreise wurde ein Firmenbus zur Verfügung gestellt. Der Schitag fand während der Arbeitszeit statt. Urlaub musste von den Teilnehmern nicht genommen werden. Der Kläger als Prokurist und damit auch als Repräsentant der Betriebsleitung hat an dieser Veranstaltung teilgenommen.

Unter den dargelegten Gesichtspunkten haben die Vorinstanzen das Vorliegen einer unter Versicherungsschutz stehenden Gemeinschaftsveranstaltung zutreffend bejaht. Bei Zugrundelegung dieser Rechtsansicht bedarf es unbestritten der vom Berufungsgericht aufgetragenen Verfahrensergänzung.

Der Aufhebungsbeschluss ist daher zu bestätigen.

Der Vorbehalt der Entscheidung über den Ersatz der Kosten der Rekursbeantwortung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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