OGH 13Os113/05z

OGH13Os113/05z14.12.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 2005 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Philipp, Hon. Prof. Dr. Schroll und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gomez Reyes als Schriftführer, in der Strafsache gegen Peter Roland H***** wegen des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3. August 2005, GZ 122 Hv 95/05t-54, nach Anhörung der Generalprokuratur und Äußerung des Verteidigers (§ 35 Abs 2 StPO) in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der Taten auch unter § 148 zweiter Fall StGB sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht für Strafsachen Wien zurückverwiesen. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Peter Roland H***** wurde des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Inhaltlich des Erkenntnisses (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) hat er von 6. Oktober 2004 bis 15. Februar 2005 in Wien

„in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch die Vorgabe, zur Eintreibung von Inkassospesen berechtigt zu sein, und durch die Übermittlung von Mahnschreiben, die mit dem fiktiven Namen Peter N***** unterfertigt waren, somit durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung falscher Urkunden versucht, Nachgenannte(n) zu Handlungen, nämlich zu Einzahlungen von Geldbeträgen zu verleiten, die diese am Vermögen von insgesamt mehr als 3.000 Euro schädigen sollten, und zwar

  1. 1. Renate K***** um 291 Euro;
  2. 2. Luana S***** um 288 Euro;
  3. 3. Mitja K***** um 286 Euro;
  4. 4. Faramarz Z***** um 350 Euro;
  5. 5. René B***** (in US 8: B*****) um 360 Euro;
  6. 6. Rainer L***** um 350 Euro;
  7. 7. Sophie St***** um 336 Euro;
  8. 8. Anneliese M***** um 223 Euro;
  9. 9. Nicole H***** um 320 Euro;
  10. 10. Ramsonius G***** um 328 Euro;
  11. 11. Erkan Z***** um 361 Euro;
  12. 12. sowie weitere 18 unbekannt gebliebene Personen um ähnliche Beträge."

    In den Entscheidungsgründen stellte das Schöffengericht fest, dass die Geschädigten, dem Tatplan des Angeklagten gemäß, jeweils über die Einschaltung eines Inkassobüros oder einer „eigenen dazu berechtigten Inkassoabteilung der Fa. Peter H*****" (vgl US 10 unten) und darüber getäuscht werden sollten, dass solcherart in Betreff jedes einzelnen Opfers - wenn überhaupt - nur für Dienstleistungen von Inkassobüros zustehende Rechnungsposten, nämlich eine Pauschalgebühr, eine allgemeine Bearbeitungsgebühr, eine erste Mahngebühr und eine Gebühr für die Evidenzhaltung angefallen seien; und zwar für Renate K***** 320 Euro, Luana S***** 318 Euro, Mitja K***** 316 Euro, Faramarz Z***** 322 Euro, René B***** (in US 8: B*****) 330 Euro, Rainer L***** 322 Euro, Sophie St***** 615 Euro, Anneliese M***** 316 Euro, Nicole H***** 298 Euro, Ramsonius G***** 303 Euro und Erkan Z***** 331 Euro (US 7 ff).

Rechtliche Beurteilung

Der aus Z 4, 5, 5a, 8, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt im zuletzt genannten Punkt Berechtigung zu (von den insgesamt vier vom selben Verteidiger unterschriebenen, teils voneinander abweichenden Ausführungen des Rechtsmittels war nur deren erste beachtlich; §§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO).

In der Tat hat das Schöffengericht in den Entscheidungsgründen nur den Willen (vgl § 5 Abs 1 StGB), nicht aber die von § 70 StGB für gewerbsmäßige Begehung verlangte Absicht (§ 5 Abs 2 StGB), sich durch wiederkehrende Begehung von schwerem Betrug eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, festgestellt, welcher Rechtsfehler vom Beschwerdeführer zutreffend aufgezeigt wird und bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zur Aufhebung der Subsumtion der Taten auch unter § 148 zweiter Fall StGB führt (§ 285e erster Satz StPO). Ansonsten aber ist die Nichtigkeitsbeschwerde nicht berechtigt und war in diesem Umfang zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Der aus Z 4 relevierte Antrag auf Abhörung von Anita B***** (im Rechtsmittel: P*****) und Patricia L***** (im Rechtsmittel: Patrizia L*****) als Zeuginnen zum Beweis dafür, „dass der Beschuldigte im Tatzeitraum ausschließlich für die Bearbeitung offener Rechnungen und Mahnspesen rund 5.700 Euro monatlich aufwenden musste und die in den inkriminierten Schreiben angeführten Beträge stellen die eigenen Kosten für Mühewaltung dar" (S 99/VI), wurde im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Dies schon deshalb, weil er keinerlei Hinweis darauf enthielt, weshalb die Zeuginnen - deren Verbindung zum schulderheblichen Sachverhalt zudem erst durch die Behauptungen des Rechtsmittels, es handle sich um „die Aussage der Steuerberatung" (S 161/VI), erklärt wird - neben Angaben über vom Angeklagten hinsichtlich des Mahnwesens seiner Firma beigebrachte Rechnungen und eine daraus resultierende Gesamtsumme auch zweckdienliche sinnliche Wahrnehmungen darüber hätten wiedergeben können, welche Aufwendungen just auf die einzelnen Tatopfer zwecks Hereinbringung der jeweiligen Außenstände angefallen sind. Die - entgegen § 238 Abs 2 StPO erst im Urteil nachgetragenen - Gründe für die Antragsabweisung stehen als solche nicht unter Nichtigkeitssanktion (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 316, 318).

Mit der - vagen und zudem nicht auf die konkreten Tatopfer bezogenen (S 75/VI; Z 5 zweiter Fall) - Aussage des Angeklagten über seine angeblichen Aufwendungen zur Hereinbringung von Außenständen hat sich das Schöffengericht gar wohl beweiswürdigend auseinandergesetzt. Auch ist die Konstatierung, wonach die dem Angeklagten in diesem Zusammenhang erwachsenen Kosten in den ohnehin begehrten Mahnspesen jeweils Deckung gefunden hätten (US 11), nicht undeutlich (Z 5 erster Fall). Welche bei den Akten befindliche Urkunde in den Entscheidungsgründen in einem erheblichen Punkt (der offensichtliche Schreibfehler bei der Angabe des Datums des an Renate K***** ergangenen Schreibens; US 7 im Gegensatz zur Urteilsbeilage A ist ohne Bedeutung) unrichtig referiert worden sein soll, ist der Mängelrüge nicht zu entnehmen (Z 5 letzter Fall). Zwar ist nicht ersichtlich, weshalb im Erkenntnis die Summe der jeweils zu Unrecht vorgeschriebenen Rechnungsposten im Verhältnis zu den Entscheidungsgründen unrichtig errechnet wiedergegeben wurde. Ein für die Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidender Umstand ist davon indes nicht betroffen, sodass auch Nichtigkeit aus Z 5 dritter Fall nicht vorliegt (WK-StPO § 281 Rz 276, 443). Da das Schöffengericht unmissverständlich davon ausgegangen ist, dass, dem Tatplan des Angeklagten entsprechend, Schaden und Bereicherung durch Zahlung der auf die oben angeführten (wenn überhaupt nur für Dienstleistungen von Inkassobüros zustehenden) Rechnungsposten entfallenden Beträge hätten eintreten sollen (US 11), ist das Urteil auch in diesem Punkt nicht undeutlich geblieben. Dass nicht eine Person namens Peter N*****, vielmehr der Angeklagte selbst oder - auf sein Geheiß - ein Lehrling die Mahnschreiben unterfertigte, bringen die Entscheidungsgründe für den verständniswilligen Leser ungeachtet der als undeutlich kritisierten Aussage, wonach die Schreiben „von dem fiktiven Namen‚ Peter N*****' unterzeichnet" gewesen seien (US 7), klar zum Ausdruck. Mit Blick auf das aus § 270 Abs 2 Z 5 StPO erhellende Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe waren die Tatrichter auch nicht verhalten, jedes einzelne Detail der Einlassungen des Angeklagten gesondert zu erörtern, vielmehr befugt, sich mit dessen Aussage resumierend auseinanderzusetzen, was in hinreichender Weise geschehen ist. Da die subsumtionsrelevante Schadensgrenze beim vorliegend für begründet erachteten schweren Betrug 3.000 Euro beträgt, genügen bereits etwas mehr als zehn gleichartige Fälle, um diese mit Gewissheit zu überschreiten, sodass die vom Beschwerdeführer angesprochene Divergenz von fünf Einzelfällen die Qualifikation des § 147 Abs 2 StGB nicht berührt und unter diesem Aspekt eine entscheidende Tatsache nicht angesprochen wird. Die Annahme einer Zahl von insgesamt 29 Betrugstaten hinwiederum wird in den Entscheidungsgründen mit einem entsprechenden Zugeständnis des Angeklagten vor der Polizei und in der Hauptverhandlung (US 16), wo er eine solche Anzahl von Einzeltaten als möglich zugestanden hatte, was die Beschwerde auch einräumt, in zureichender Weise (Z 5 vierter Fall) begründet. Angesichts der vorstehend dargelegten Urteilsannahmen berührt die von der Mängelrüge zuletzt angesprochen Frage, wie viele Schreiben den Zusatz „Inkassoabteilung der n.p. Fa. H*****" enthalten haben, erneut keine entscheidende Tatsache. Im Übrigen aber bleibt das Rechtsmittel mit seinem mehrfachen Hinweisen auf Z 5 vierter Fall ohne Substrat.

Erhebliche Bedenken gegen die dem Schuldspruch wegen schweren Betruges zugrundeliegenden entscheidenden Tatsachen vermag die Tatsachenrüge mit dem Hinweis auf die einen Bereicherungsvorsatz in Abrede stellende Aussage des Angeklagten (insb S 57 bis 67, 75, 79, 87, 95/VI) beim Obersten Gerichtshof nicht zu wecken (Z 5a). Durch eine von der Anklage abweichende Bezifferung der Schadenshöhe allein wird die Anklage nicht überschritten (Z 8).

Die Feststellung, wonach den Mahnschreiben zufolge auch die nicht dem Angeklagten zustehenden Rechnungsposten auf das „Konto der S*****", also dessen Firma, einzuzahlen gewesen wären, wurde mit dem Verweis auf die Urteilsbeilage A ohnehin getroffen. Dass das Schöffengericht die von der Rechtsrüge daraus abgeleiteten Schlüsse im Rahmen seiner Beweiswürdigung nicht gezogen hat, ist unter dem Aspekt des geltend gemachten materiellen Nichtigkeitsgrundes (Z 9 lit a) unbeachtlich. Auch die weiteren angestellten beweiswürdigenden Erwägungen zur Frage, wie die Adressaten der Mahnschreiben diese verstehen mussten, haben außer Betracht zu bleiben, weil es im Rahmen der Rechtsrüge ausschließlich auf einen Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt, hier dem - abweichend von der Beschwerdeauffassung - in den Entscheidungsgründen festgestellten Bedeutungsinhalt der Mahnschreiben für die Empfänger dieser Mitteilungen ankommt (WK-StPO § 281 Rz 581).

Indem die Subsumtionsrüge (Z 10) die getroffenen Feststellungen zur versuchten Täuschung der Adressaten über die Identität des Ausstellers übergeht, argumentiert der Beschwerdeführer auch insoweit nicht auf der Sachverhaltsbasis des angefochtenen Urteils. Gleiches gilt für die beweiswürdigenden Erwägungen hinsichtlich des Bedeutungsinhalts des zuweilen gewählten Zusatzes „Inkassoabteilung der n.p. Fa. H*****".

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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