OGH 13Os116/05s

OGH13Os116/05s14.12.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 2005 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gomez Reyes als Schriftführer in der Strafsache gegen Florian N***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßig begangenen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall; 15 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 24. August 2005, GZ 38 Hv 125/05z-46, sowie seine Beschwerde gegen den nach § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur und Äußerung des Verteidigers (§ 35 Abs 2 StPO) in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung „wegen Schuld" werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Florian N***** der Verbrechen (zu I.) des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßig begangenen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall; 15 Abs 1 StGB und (zu II.) der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er

zu I.) mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, nachstehende Personen durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die diese oder andere an ihrem Vermögen in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag schädigten, wobei er in der Absicht gehandelt hat, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar

1. am 4. März 2005 in Salzburg Alfred L***** der Firma „S*****" durch die Vorgabe eines zahlungsfähigen und zahlungswilligen Kunden zur Einbringung von Personenschutzleistungen für die Zeit vom 8. bis 15. März 2005 zum Preis von 15.457 Euro;

2. am 11. März 2005 in Salzburg Angestellte des Hotels „C*****" durch die Vorgabe eines zahlungsfähigen und zahlungswilligen Hotelgastes zur Gewährung von Kost und Logis in Form einer Hotelsuite und zur Erbringung anderer Hotelleistungen zum Preis von insgesamt 3.764,99 Euro;

3. im Februar 2005 und am 16. März 2005 in Salzburg den Taxifahrer Theodor K***** durch die Vorgabe eines zahlungsfähigen und zahlungswilligen Taxikunden zu folgenden Taxifahrten, und zwar von Linz nach Salzburg zum Preis von 200 Euro

von Salzburg nach Neusiedl am See

zum Preis von 500 Euro;

4. am 14. Februar 2005 in Linz Angestellte des „Co*****" durch die Vorgabe eines zahlungsfähigen und zahlungswilligen Hotelgastes zur Gewährung von Kost und Logis und Erbringung von Hotelleistungen bis 8. März zum Preis von restlich 2.189,12 Euro;

5. am 21. Februar 2005 in Linz die Inhaberin eines Gärtnereibetriebes Inge F***** durch die Vorgabe eines zahlungsfähigen und zahlungswilligen Kunden zur Lieferung eines Blumenstraußes in das Hotel „Co*****" zum Preis von 50 Euro;

6. in Salzburg und anderen Orten des Bundesgebietes zum Nachteil des Wolfgang B***** durch die Vorspiegelung, Vesna P***** bzw. Natascha M***** zu heißen und als Künstlerin für eine Agentur zu arbeiten,

a) im Sommer 2004 durch die Behauptung, derzeit nicht über das eigene Geld für die Freischaltung des Internets verfügen zu können, zur kurzfristigen Überlassung gegen Rücküberweisung mittels Telebanking eines Geldbetrages von 5.024 Euro,

b) in der Zeit von Sommer bis Ende 2004 durch die Vorgabe, in ein Call-Center einsteigen und dabei große Gewinne erzielen zu können, sowie am 21. Februar 2005 durch die Behauptung, innerhalb von sieben Tagen einen Geldbetrag von 520.000 Euro ausbezahlt zu erhalten, wenn spätestens am 24. Februar 2005 ein Betrag von 32.000 Euro überwiesen werden sollte, zur Ausfolgung eines Geldbetrages in Höhe von insgesamt 152.000 Euro in Teilbeträgen von unterschiedlicher Höhe, zuletzt am 24. Februar 2005 von 32.000 Euro,

c) im Dezember 2004 durch die Vorgabe, sich mit Natascha M***** im Hotel I***** treffen zu können, zuvor aber die Hotelkosten bezahlen zu müssen, zur Ausfolgung eines Betrages von 4.150 Euro,

d) im März 2005 durch die Behauptung, M***** aus der kroatischen Agentur freikaufen zu wollen, zur Überlassung eines Geldbetrages von 50.000 Euro, wobei die Tat beim Versuch geblieben ist;

7. im Februar 2005 in Wien Franz St***** durch die Vorgabe, aus ihrem „kroatischen Vertrag aussteigen zu wollen und dafür 160.000 Euro zu benötigen", zur Überlassung dieses Bargeldbetrages, wobei die Tat infolge Nichtbezahlung beim Versuch geblieben ist, und zu II.) zu einem unbekannten Zeitpunkt im Jahre 2005 im Zusammenwirken mit einer unbekannt gebliebenen weiteren Person mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, Wolfgang B***** durch die fernmündliche Androhung, Anzeige wegen Beleidigung zu erstatten, wenn er sich nicht „freikaufe", mithin durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung an der Ehre zu einer Handlung, die ihn am Vermögen schädigte, nämlich zur Übergabe eines Geldbetrages von 14.000 Euro in mehreren Teilbeträgen genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde sowie die angemeldete, nicht ausgeführte Berufung „wegen Schuld" des Angeklagten. Letztere war zurückzuweisen, weil ein solches Rechtsmittel gegen schöffengerichtliche Urteile der Strafprozessordnung fremd ist (§§ 280, 283 Abs 1 StPO).

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Die Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert die Abweisung des Antrages auf ergänzende Vernehmung „der" Angeklagten zum Beweis dafür, dass „sehr wohl geschlechtliche Beziehungen zwischen 'ihr' und dem Zeugen Wolfgang B***** stattgefunden haben, dass 'sie' ein intimes Detail bzw Geschlechtsmerkmal des Zeugen kennt, welches 'sie' nur durch Vornahme eines geschlechtlichen Verkehrs kennen kann" und meint, dass das abweisliche Zwischenerkenntnis nichtigkeitsbegründend bloß damit begründet worden sei, dass der Antrag in „keiner Hinsicht entscheidungsrelevant" sei.

Die Abweisung erfolgte indes im Ergebnis zu Recht, weil der Antrag mangels Einsichtigkeit einer Relevanz (§ 254 Abs 1 StPO) weiterer Ausführungen bedurft hätte, aus welchen Gründen die ergänzende Vernehmung des Angeklagten zur Klärung einer entscheidenden Tatsache geboten wäre. Im Übrigen fehlen auch Ausführungen dazu, aus welchen Gründen eine andere Möglichkeit der Kenntnisnahme des angeblichen besonderen Merkmales außer durch Geschlechtsverkehr auszuschließen sei. Die Antragstellung zielte somit auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis ab, ergänzende Ausführungen zum Beweisziel in der Beschwerde sind prozessual verspätet.

Entgegen der eine Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) und offenbar

unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) behauptenden Mängelrüge

haben die Tatrichter die Feststellung, „dass sich der Angeklagte mit

den Künstlernamen Natascha M***** bzw im Zusammenhang mit einer

angeblichen kroatischen Agentur als Vanessa P***** ausgegeben hat und

... eine gewisse Vanessa P*****, welche sich auch mit den

Künstlernamen M***** ausgibt ... telefonisch mit dem Weinbauern

Wolfgang B***** Kontakt aufnahm ... ab diesem Zeitpunkt nahm Vanessa

P***** bzw Natascha M***** laufend fernmündlich bzw mittels E-Mail Kontakt mit Wolfgang B***** auf und teilte ihm auch mit, dass sie in ihn verliebt sei" entsprechend dem im Urteil gegebenen Hinweis (US 8) aus der Aussage des Zeugen B***** (S 231/I) und (US 14/15, 18) sehr wohl unter Berücksichtigung der Verantwortung des Angeklagten durchaus logisch und grundlegenden Erfahrungssätzen nicht widersprechend abgeleitet.

Soweit eine Aktenwidrigkeit zufolge unrichtiger Wiedergabe „entscheidender Tatsachen" behauptet wird, verkennt die Beschwerde die Bedeutung einer Aktenwidrigkeit nach Z 5 letzter Fall, welche in der unrichtigen Wiedergabe des Inhalts einer Urkunde oder Aussage besteht, nicht jedoch durch daraus gezogene Schlüsse begründet wird. Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit ihrem Hinweis, dass Vesna P***** eine tatsächlich existente Person sei, keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit gegen die den Schuldspruch wegen Betruges stützenden Feststellungen entscheidender Tatsachen (insbesondere auch zur subjektiven Tatseite) zu erwecken. Gleiches gilt für die in der Sachverhaltsdarstellung des schriftlichen Beweisantrages vom 19. August 2005 (ON 40 [zum Erfordernis der Darlegung „aus den Akten" Ratz, WK-StPO § 281 Rz 481]) behaupteten Tatsachen.

Zum Vorwurf eines Verstoßes gegen die Pflicht zur amtswegiger Aufklärung unterlässt es die Beschwerde darzulegen, aus welchen Gründen der durch einen Verteidiger vertretene Angeklagte gehindert war, entsprechende Anträge zu stellen.

Mangels solcher - der Schriftsatz ON 40 wurde in der Hauptverhandlung nicht vorgetragen - ist die Beschwerde auch aus Z 4 nicht zielführend.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet, die Fakten I. 1. bis 5. seien „nicht von der subjektiven Tatseite - auch nicht in Form des dolus eventualis - umfasst" und wendet sich somit gegen die ausdrücklichen gegenteiligen Feststellungen (US 13). Solcherart verfehlt sie eine Ausrichtung an der Strafprozessordnung, welche bei der Geltendmachung materiellrechtlicher Nichtigkeitsgründe ein Festhalten am gesamten Tatsachensubstrat des Urteils fordert.

Zu Faktum II. behauptet die Beschwerde das gänzliche Fehlen von Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite, missachtet dabei die ohnedies getroffenen Konstatierungen (insbes US 11, vgl auch US 14 iVm US 19) und unterlässt es aus dem Gesetz darzulegen, aus welchen Gründen (bei gesicherter Judikatur über die rechtliche Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen) Feststellungen darüber erforderlich sein sollen, ob der Angeklagte „entweder selbst oder als Beitragstäter" gehandelt hätte.

Im Hinblick auf die beweiswürdigenden Erwägungen (US 14 f, ON 28) geht auch das Vorbringen ins Leere, zu Faktum II. würde es „an jeglicher Beweiswürdigung fehlen und der Zeuge Wolfgang B***** sei hiezu überhaupt nicht mehr befragt worden".

Schließlich vermisst die Beschwerde zu Faktum I. 7. Feststellungen zur Tauglichkeit oder Untauglichkeit des Versuches und weist in diesem Zusammenhang auf die Aussage des Zeugen Franz St***** hin:

„Ich hätte das Geld sowieso nicht aufbringen können und das hat sie auch gewusst, weil ich das Geld sowieso nicht habe. Ich habe es daher nicht wirklich ernst genommen."

Auch hier entbehrt die Beschwerde einer prozessordnungsgemäßen Ausführung. Sie legt nämlich nicht dar, weshalb indiziert gewesen sein soll, dass (ex ante betrachtet) der angestrebte Erfolg mit den zum Einsatz gebrachten Mitteln (den Überredungsversuchen) unter keinen wie immer gearteten Umständen hätte erreicht werden können und die Tatausführung nicht bloß an den Unzulänglichkeiten (auf Seiten des Täters oder des Opfers) im konkreten Fall gescheitert ist (Hager/Massauer, WK² §§ 15, 16 Rz 82, 92).

Die Nichtigkeitsbeschwerde - die trotz umfassenden Aufhebungsantrages keine deutliche und bestimmte Bezeichnung von Nichtigkeitsgründen zu den weiteren Schuldspruchpunkten enthält - war demnach schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), sodass zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten (wegen des Ausspruchs über die Strafe) und seine Beschwerde das Oberlandesgericht Linz zuständig ist (§ 285i StPO). Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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