OGH 12Os133/05h (12Os134/05f)

OGH12Os133/05h (12Os134/05f)5.12.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Dezember 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eck als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Giovanni G***** und andere wegen des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahles im Rahmen einer kriminellen Vereinigung und mit Waffen nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, 2, 4, 130 zweiter, dritter und vierter Fall, 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 9 Ur 203/05g des Landesgerichtes Klagenfurt, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten G***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Beschwerdegericht vom 20. Oktober 2005, AZ 10 Bs 350/05d, 351/05a (= ON 128 der Ur-Akten), nach Anhörung der Generalprokurator in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Giovanni G***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Graz der Beschwerde des Giovanni G***** - gegen den beim Landesgericht Klagenfurt am 8. September 2005 die Voruntersuchung unter anderem wegen teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahles durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung („§§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 2, 130 erster und zweiter Fall, 15 StGB") eingeleitet worden war (9 Ur 203/05g-93a) - gegen die am 21. September 2005, GZ 9 Ur 203/05g-109, beschlossene Fortsetzung der am 8. September 2005 verhängten (ON 91 der Ur-Akten) Untersuchungshaft nicht Folge und setzte die freiheitsentziehende Provisorialmaßnahme über den Genannten aus den Haftgründen nach § 180 Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit b StPO fort.

Der Gerichtshof zweiter Instanz bejahte den dringenden Verdacht der Begehung des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Diebstahls durch Einbruch mit Waffen und im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, 2 und 4, 130 zweiter, dritter und vierter Fall StGB, teilweise in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB, und des Verbrechens der kriminellen Organisation nach § 278a StGB sowie der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB und des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1, Abs 2 StGB.

Die ihm solcherart qualifiziert vorgeworfenen Taten soll er dadurch begangen haben, dass er im wechselnden Zusammenwirken mit Simone Z*****, Martina P*****, Mario C*****, Marco Ca*****, Luca L***** und Umberto M*****

1. in der Nacht zum 8. Dezember 2004

in Klagenfurt ohne Einwilligung der Berechtigten des Autohauses O***** durch Einbruch in eine Schlüsselbox und Verwendung des dort aufbewahrten, solcherart widerrechtlich erlangten Originalschlüssels einen Audi A4/S4 Avant unbefugt in Gebrauch nahm,

die Kennzeichentafeln K ***** des Zulassungsbesitzers Reinhold R*****, somit Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, unterdrückte, indem er diese auf den entfremdeten PKW montierte, und im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit seiner Ehegattin Martina P***** und weiteren derzeit unbekannten Mittätern in Spittal an der Drau durch widerrechtliche Öffnung des Geldausgabefoyers und Sprengung eines Geldausgabeautomaten mit einem Acetylen/Sauerstoffgemisch sowie versuchte Sprengung eines weiteren Geldausgabeautomaten, somit durch Einbruch, mit Bereicherungsvorsatz und gewerbsmäßiger Tendenz zum Nachteil der Verantwortlichen der K***** einen Betrag von 79.900 EUR an sich brachte;

2. in der Nacht zum 18. Dezember 2004

in Spittal/Drau im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Martina P***** und weiteren derzeit nicht bekannten Mittätern durch Aufsägen einer Schlüsselbox und Verwendung eines darin verwahrten, somit widerrechtlich erlangten Originalschlüssels einen PKW der Marke Saab 9,5, 3,0 Automatic Kombi ohne Einwilligung der Berechtigten des Autohauses B***** in Gebrauch nahm,

die Kennzeichentafeln SB***** der Zulassungsbesitzerin Firma B*****, somit Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, unterdrückte, indem er sie auf den PKW montierte,

in Villach durch Sprengung des neben dem Haupteingang der R***** gelegenen Bankomaten mit dem erwähnten explosiven Gas-Gemisch, Aufzwängen der Schiebetür zum Haupteingang und Sprengung der so frei gelegten Geldkassetten, somit durch Einbruch, Berechtigten der Bank mit Bereicherungsvorsatz und gewerbsmäßiger Tendenz einen Bargeldbetrag von 100.000 EUR wegnahm;

3. am 19. Februar 2005 mit bislang unbekannten Mittätern in Judenburg durch Einbringung von Sauerstoff- und Acetylenflaschen samt Schläuchen in das Foyer der R***** nach vorheriger Auskundschaftung der Örtlichkeit die Sprengung des dortigen Geldeausgabeautomaten vorbereitete, wobei es aus bislang unbekannten Gründen beim Versuch blieben;

4. in der Nacht zum 14. März 2005

in Knittelfeld mit bislang unbekannten Mittätern einen PKW BMW 528i Kombi durch Verwendung eines nach Aufbrechen einer Schlüsselbox widerrechtlich erlangten Schlüssels ohne Einwilligung der Berechtigten des Autohauses W***** in Gebrauch nahm, die Kennzeichentafeln KF *****, somit Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, unterdrückte, indem sie sie auf den PKW BMW 528i montierte,

in Judenburg durch Sprengung von zwei Geldausgabeautomaten der R***** mit dem erwähnten explosiven Gas-Gemisch, somit durch Einbruch, mit Bereicherungsvorsatz und gewerbsmäßiger Tendenz einen Betrag von 100.000 EUR wegnahm,

5. in der Nacht zum 12. März 2005

in St. Johann im Pongau im Zusammenwirken mit Martina P***** und weiteren noch unbekannten Mittätern einen PKW der Marke VW-Golf TDI Kombi durch Verwendung des nach Aufsägen der Schlüsselbox widerrechtlich erlangten Originalschlüssels ohne Einwilligung der Berechtigten des Autohauses V***** in Gebrauch nahm, die Kennzeichentafeln JO*****, somit Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, unterdrückte, indem er sie auf das entfremdete Fahrzeug montierte,

darüber hinaus versuchte, einen PKW der Marke Audi A4 Avant auf dieselbe Weise in Gebrauch zu nehmen,

durch Aufbrechen der Foyereingangstüre der Filiale der S***** in Grödig und Sprengung des Geldausgabeautomaten mit dem erwähnten explosiven Gas-Gemisch, mithin durch Einbruch, Verantwortlichen der S***** mit Bereicherungsvorsatz und gewerbsmäßiger Tendenz einen Bargeldbetrag von 60.000 EUR wegnahm.

Die gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes gerichtete Grundrechtsbeschwerde des Inhaftierten ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die aktenmäßige Deckung der vom Beschwerdegericht hergestellten Bezüge zu im oberitalienischen Raum begangenen Sprengungen von Geldausgabeautomaten findet sich - der gegenteiligen Rechtsmittelbehauptung zuwider - etwa in ON 89 sowie S 199, 289, 533 ff/II. Zu den zur Fluchterleichterung gegenüber verfolgenden Fahrzeugen verwendeten Eisenkrallen und zum Führen einer bestimmten Waffe genügt der Hinweis auf die korrekt zitierten Fundstellen in BS 12, 13.

Der Gerichtshof zweiter Instanz leitete den dringenden Tatverdacht ausdrücklich aus einer vernetzten, somit umfassenden Wertung aufgezählter Verdachtsmomente ab (BS 9 bis 14), ohne etwa der Tatsache eines DNA-Treffers hinsichtlich eines Jugendfreundes des Beschwerdeführers (Simone Z*****) bezüglich einer weiteren einschlägigen Tat (BS 11) oder den Indizien für eine unmittelbare Täterschaft der Gattin des Beschuldigten (Martina P*****) zum Faktum 2 (BS 12) die im Rechtsmittel unterstellte herausragende Bedeutung im Sinne einer conditio sine qua non zuzumessen oder die Körpergröße des Inhaftierten als Argument überhaupt heranzuziehen.

Ebensowenig zielführend ist der gegen die - für Verhängung und Aufrechterhaltung einer Untersuchungshaft vom Gesetz geforderte - Annahme der entscheidenden (qualifizierten) Verdachtsmomente gerichtete Einwand, Giovanni G***** sei vom Vorwurf (unter anderem) eines am 29. Mai 2005 versuchten, gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahles vom Landesgericht Innsbruck als Schöffengericht rechtskräftig freigesprochen worden (AZ 37 Hv 92/05x, Urteil vom 7. September 2005): Denn abgesehen davon, dass sich das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck durch eine auf die Verantwortung der Angeklagten zentrierte Beweiswertungsinduktion auszeichnet und die hier aktuellen Erhebungen (S 267, 271, 277/II) durch Sicherung einer DNA-Spur des Simone Z*****, eines Jugendfreundes des Beschwerdeführers, im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Faktum 6 (BS 11) iVm der Auffindung von Geldtasche und Dokumenten des Genannten in dem vom Rechtsmittelwerber und Umberto M***** am 28. Mai 2005 in Schwaz benützten PKW (AZ 37 Hv 92/05x des Landesgerichtes Innsbruck US 7) gravierende Indizien für die Verübung auch der freigesprochenen Fakten durch den Beschwerdeführer sprechen, leitete das Oberlandesgericht lediglich aus den - vom Freispruch völlig unberührten - zur Verhaftung führenden Umständen schwerwiegende Indizien für die Täterschaft des Beschuldigten ab (BS 13, 14). Diese unbestrittenen - gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen organisierte Kriminalität nahelegenden - polizeilichen Erhebungsergebnisse (S 589 ff/II, 737 ff/III) lassen nach allgemein menschlicher Erfahrung keine anderen als die bekämpften Beschlussannahmen (vor allem zu den Fakten 1 und 2 - S 211 ff, 225 ff/II) zu.

Ausgehend von dieser Verdachtsbasis (JBl 1998, 133; SSt 62/153) erweist sich die beschwerdegerichtliche Annahme von Tatbegehungsgefahr gemäß § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO - der anderslautenden bloßen Behauptung des Rechtsmittels entgegen - als rechtsfehlerfrei. Nur zur Abrundung sei erwähnt, dass der Beschwerdeführer zwar nicht in Österreich, wohl aber in seinem Heimatland Italien wegen Eigentumsdelikten vorbestraft ist (S 177/I, 23/II).

Eine Prüfung der bekämpften übrigen Haftgründe erübrigt sich (zuletzt 12 Os 89/05p).

Giovanni G***** wurde somit in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte