OGH 4Ob122/05b

OGH4Ob122/05b29.11.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. M***** GmbH, *****, und 2. Hüseyin Ü*****, Geschäftsführer, *****, beide vertreten durch Dr. Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung, Löschung, Rechnungslegung, Zahlung und Veröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 21.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 21. April 2005, GZ 1 R 60/05h-23, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 4. Jänner 2005, AZ 41 Cg 51/04i, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen; die Beklagten haben die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist ein international tätiges Unternehmen. Sie ist Inhaberin (unter anderem) folgender Gemeinschaftsmarken:

a) Wortmarke CTM 52803 „Red Bull"

b) Bildmarke CTM 52787

c) Bildmarke CTM 52746

sowie

d) Bildmarke CTM 1143122

Die jeweils linke obere und rechte untere (dunklere) Farbfläche sind in Blau, die jeweils linke untere und rechte obere Farbfläche in Silber gehalten, die Schriftzüge „Red Bull" und „Energy Drink" in roter Farbe; Gleiches gilt für die beiden „Bullen".

Die Klägerin vertreibt unter der Marke „Red Bull" in mehreren Ländern der Europäischen Union einen Energy Drink; dabei handelt es sich um ein alkoholfreies Erfrischungsgetränk. Sie vertreibt ihr Getränk seit Jahren in der gleichen Ausstattung und mit der gleichen Werbelinie „voll Kraft und Energie"; sie hat „eine sehr hohe Verkehrsbekanntheit" erreicht.

Die Klägerin ist außerdem Inhaberin der österreichischen Wortmarke AT 208089 „Red".

Die Erstbeklagte, deren Geschäftsführer der Zweitbeklagte ist, ist Inhaberin der (prioritätsjüngeren) österreichischen Wortbildmarke AT 207113:

Dieser Marke kommt Schutz in den Klassen 29, 30 und 32 zu. Die Erstbeklagte vertreibt unter dieser Marke in Österreich und Deutschland einen Energy Drink in folgender Warenausstattung:

Die linke (dunklere) Farbfläche ist in Bordeauxrot, die rechte in Silber gehalten. Die Wortfolgen „Red Dragon" und „Energy Drink" sind mit roter Farbe geschrieben, auch der abgebildete Drache ist rot gefärbt.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, den Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr Energy Drinks unter der Bezeichnung „Red Dragon" und/oder unter einer anderen, mit den Marken „Red Bull" und/oder „Red" verwechselbar ähnlichen Bezeichnung, insbesondere in der erwähnten Warenausstattung, im Gebiet der Europäischen Gemeinschaft herzustellen und/oder herstellen zu lassen, anzubieten, in Verkehr zu bringen, aus dem Gebiet der Europäischen Gemeinschaft auszuführen und/oder im Gebiet der Europäischen Gemeinschaft auf sonstige Weise zu benützen. Die Beklagten griffen in die Markenrechte der Klägerin ein. Das von den Beklagten verwendete Zeichen sei, insbesondere in der erwähnten Warenausstattung, den Marken der Klägerin verwechselbar ähnlich; angesichts der vielfältigen Übereinstimmungen vermuteten die angesprochenen Verkehrskreise aber jedenfalls besondere geschäftliche, wirtschaftliche oder organisatorische Beziehungen zwischen der Klägerin und der Erstbeklagten. Damit liege ein Verstoß gegen § 10 Abs 1 Z 2 MSchG vor. Die Beklagten verstießen auch gegen § 10 Abs 2 MSchG und Art 9 Abs 1 lit c GMV. Durch die ähnliche Ausstattung ihres Energy Drinks riefen sie eine Assoziation zum Zeichen „Red Bull" hervor, um dessen guten Ruf und die Wertschätzung der berühmten Marken der Klägerin auszubeuten.

Die Beklagten beantragen, das Sicherungsbegehren abzuweisen. Verwechslungsgefahr sei nicht gegeben. Bekanntheit könne nur der konkreten Warenausstattung der Klägerin zukommen, nicht aber „abstrakt" jeder Farbkombination Silber/Rot; damit wäre eine Nutzungsverweigerung verbunden, die geeignet wäre, jeglichen (rentablen) Wettbewerb auszuschließen.

Das Erstgericht wies das Sicherungsbegehren ab. Der Gesamteindruck der beiden Warenausstattungen sei stark unterschiedlich; außer dem Wort „Red" hätten die beiden Marken und Warenausstattungen nichts gemeinsam. Wegen der Marktstrategie und Vertriebspolitik der Klägerin liege es auch nicht nahe, dass die Klägerin ein gleichartiges Produkt in einer „ein bisschen biedereren, weniger modernen, etwas asiatisch angehauchten Ausstattung" vertreiben könnte. Da die Wortzeichen und Produktausstattungen einander nicht ähnlich seien, liegt auch kein Verstoß gegen § 10 Abs 2 MSchG vor.

Das Rekursgericht gab dem Sicherungsbegehren teilweise statt. Es verbot den Beklagten, im geschäftlichen Verkehr Energy Drinks unter Verwendung des Zeichens „Red Dragon" und/oder eines anderen vergleichbaren Zeichens, insbesondere in der erwähnten Warenausstattung, das den Gemeinschaftsmarken der Klägerin Wortmarke CTM 52803 („Red Bull") sowie Bildmarken CTM 52787, 1143122 und 52746 verwechselbar ähnlich ist, im Gebiet der Europäischen Gemeinschaft herzustellen und/oder herstellen zu lassen, anzubieten, in Verkehr zu bringen, aus dem Gebiet der Europäischen Gemeinschaft auszuführen und/oder im Gebiet der Europäischen Gemeinschaft auf sonstige Weise zu benützen; das auf die Wortmarke „Red" gestützte Mehrbegehren wies es ab. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs unzulässig sei. Die Gemeinschaftsmarken der Klägerin seien bekannte Marken im Sinn des Art 9 Abs 1 lit c GMV; sie seien unabhängig davon geschützt, ob Verwechslungsgefahr bestehe. Die Verwechslungsgefahr sei aber ohnehin zu bejahen, weil für die Gemeinschaftsmarken der Klägerin das Wort „Red" in Verbindung mit dem englischen Wort für ein Tier, das als Symbol der Kraft und Stärke gilt, charakteristisch sei; derartige Eigenschaften würden auch dem Drachen zuerkannt. Für den durchschnittlichen Verbraucher liege somit der Schluss nahe, dass es sich beim Produkt der Erstbeklagten um ein weiteres Produkt der Klägerin handle. Auch der optische Eindruck sei für den durchschnittlichen Verbraucher ähnlich. Unter Berücksichtigung der Warenidentität und des hohen Ähnlichkeitsgrads sei Verwechslungsgefahr anzunehmen, ohne dass es auf die von der Klägerin verfolgte Marktstrategie und Vertriebspolitik ankomme.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist zur Fortentwicklung der Rechtsprechung zum Schutz der bekannten Marke zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

Die Klägerin stützt ihre Ansprüche nicht nur auf Art 9 Abs 1 lit b GMV (§ 10 Abs 1 Z 2 MSchG), sondern auch auf Art 9 Abs 1 lit c GMV (§ 10 Abs 2 MSchG). Danach ist es ohne Zustimmung des Markeninhabers verboten, ein mit der Marke gleiches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Marke eingetragen ist, wenn diese im Inland bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt. Verwechslungsgefahr bildet beim Schutz der bekannten Marke - im Gegensatz zu § 10 Abs 1 Z 2 MSchG und Art 9 Abs 1 lit b GMV - kein Tatbestandsmerkmal.

Das Erstgericht hat - in der rechtlichen Beurteilung - ausgeführt, dass die Klägerin ihr Getränk seit Jahren in der gleichen Ausstattung und „mit der gleichen Werbelinie voll Kraft und Energie" vertreibe. Diese Marktstrategie und Vertriebspolitik hat die - vom Erstgericht ebenfalls in der rechtlichen Beurteilung erwähnte - „sehr hohe Verkehrsbekanntheit" der Klägerin begründet. Das Rekursgericht ist davon ausgegangen, dass es sich bei den Gemeinschaftsmarken der Klägerin um bekannte Marken im Sinn des Art 9 Abs 1 lit c GMV handle (AS 331, 359). Dem sind die Beklagten in ihrem Revisionsrekurs auch nicht entgegengetreten.

Der Schutz der bekannten Marke gilt auch im Ähnlichkeitsbereich der Waren und Dienstleistungen (EuGH C-292/00 - Davidoff/Gofkid), setzt aber - wie oben dargelegt - keine Verwechslungsgefahr voraus. Dennoch müssen die einander gegenüberstehenden Zeichen einander gleich oder ähnlich sein, weil es typischerweise nur dadurch zu einer Rufausbeutung, Rufbeeinträchtigung oder Verwässerung der bekannten Marke kommen kann. Das Rekursgericht hat die Ähnlichkeit bejaht. Es hat darauf verwiesen, dass sowohl der Stier als auch der Drache Tiere sind, die als Symbol für Kraft und Stärke gelten.

Die Beklagten halten dem entgegen, dass „ein Tier, das als Symbol für Kraft und Stärke gilt", grafisch nicht darstellbar und daher mangels Bestimmtheit nicht markenfähig sei. Das Markenrecht verleihe nicht dem „gedanklichen Inhalt" eines Zeichens Schutz, sondern nur seiner registrierten Form. Ausschlaggebend sei jeweils die konkrete Ausführung, zu deren Unterscheidung schon geringe Unterschiede im Sinngehalt genügten. Das Rekursgericht wolle (offenbar) über die konkrete grafische Darstellung der Marken weit hinausgehende „abstrakte Inhalte und Gedanken" unter Schutz stellen. Geschützt seien keine „abstrakten Prinzipien", sondern nur deren jeweils konkrete Ausgestaltung.

Die Beklagten missverstehen die Ausführungen des Rekursgerichts. Das Rekursgericht hat bei der Ähnlichkeitsprüfung auf den Sinngehalt des Zeichens der Klägerin abgestellt, der nicht nur im unmittelbaren Sinn, sondern auch im übertragenem Sinn bestehen kann. Mit der grafischen Darstellung des Zeichens hat dies nichts zu tun. Das Rekursgericht hat auch keineswegs „abstrakte Inhalte und Gedanken" unter Schutz gestellt. Es führt vielmehr die Gestaltungsmerkmale an, die den Gesamteindruck der Gemeinschafts-Bildmarke 1143122 der Klägerin prägen (AS 363 f). Damit hat es - wie von den Beklagten gefordert - die konkrete Ausgestaltung des Markenbilds der Ähnlichkeitsprüfung zugrunde gelegt. Dem Ergebnis seiner Ähnlichkeitsprüfung ist beizupflichten:

Die maßgeblichen Gestaltungsmerkmale der Gemeinschafts-Bildmarke der Klägerin sind die auffällige Produktbezeichnung in roter Schrift in Verbindung mit der Abbildung des dadurch bezeichneten Tiers in roter Farbe, die kleiner geschriebene Bezeichnung „Energy Drink" ebenfalls in roter Schrift und das optisch geschaffene Zentrum sowie die farblich gestaltete symmetrische Teilung des Zentrums durch Farbflächen, bei denen die Farbe Silber und eine erheblich dunklere Farbe einen Kontrast bilden. Die den Gesamteindruck prägenden Elemente, wie die Verwendung der Farbe Rot als Teil der Bezeichnung und in der grafischen Gestaltung, die Aufteilung der Farbflächen nach geraden Linien, sind auch bei dem von der Beklagten verwendeten Zeichen verwirklicht. Das Rekursgericht hat die Ähnlichkeit der Zeichen daher zu Recht bejaht.

Der Schutz der bekannten Marke setzt neben der Ähnlichkeit der Zeichen voraus, dass die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnützt; es müssen demnach besondere Umstände vorliegen, aus denen sich die Unlauterkeit ergibt (s 4 Ob 234/01t = ecolex 2002, 267 [G. Schönherr] - BOSS Zigaretten III).

Für die Behauptungs- und Beweislast gilt ganz allgemein, dass grundsätzlich nicht der Angegriffene seine Zeichenwahl zu rechtfertigen hat, sondern der Anspruchsteller die objektiven gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen darzulegen und zu beweisen hat (Ingerl/Rohnke, Markengesetz² § 14 Rz 842). Ebenso wie bei identischer Verwendung des bekannten Kennzeichens (für eine nicht gleichartige Ware oder Dienstleistung) die Unlauterkeit häufig zu vermuten sein wird (Ingerl/Rohnke aaO), liegt es auch bei der Verwendung eines dem bekannten Zeichen ähnlichen Zeichens für eine identische Ware nahe, unlautere Motive zu vermuten, da die Möglichkeit einer Rufausbeutung auf der Hand liegt. Für die Behauptungs- und Beweislast des Beklagten spricht auch, dass Art 9 Abs 1 lit c GMV und § 10 Abs 2 MSchG ausdrücklich von einer Ausnutzung oder Beeinträchtigung „ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise" sprechen. Das erlaubt den Schluss, dass Rufausbeutung, Rufbeeinträchtigung und Verwässerung bekannter Marken grundsätzlich die Rechtswidrigkeit indizieren und dass diese nur entfällt, wenn der Beklagte besondere Umstände geltend macht, die sein Verhalten rechtfertigen (Sack, Sonderschutz bekannter Marken, GRUR 1995, 81 [82]; s auch 4 Ob 234/01t = ecolex 2002, 267 [G. Schönherr] - BOSS Zigaretten III).

Das Erstgericht hat - in seiner rechtlichen Beurteilung - ausgeführt, eine Herkunftstäuschung oder bewusste Nachahmung liege nicht vor; vielmehr „scheine" die Gestaltung des Produkts der Beklagten auf eine Zielgruppe ausgerichtet, die die Klägerin mit ihrem Design und ihrer Philosophie nicht erreiche. Rufausbeutung und Behinderung seien damit jedenfalls auszuschließen. Um welche Zielgruppe es dabei gehen soll, ist der erstinstanzlichen Entscheidung nicht zu entnehmen. Die Beklagten haben zur Rechtfertigung ihrer Annäherung an die Gemeinschafts-Bildmarke der Klägerin nichts vorgebracht.

Mangels eines Rechtfertigungsgrunds für die Annäherung des Zeichens der Erstbeklagten an die Gemeinschaftsmarken der Klägerin liegt ein Verstoß gegen Art 9 Abs 1 lit c GMV, § 10 Abs 2 MSchG vor. Der im Revisionsrekurs breit erörterten Frage der Verwechslungsfähigkeit kommt keine Bedeutung zu.

Der Ausspruch über die Kosten der Klägerin gründet auf § 393 Abs 1 EO, derjenige über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 Abs 1, § 52 ZPO.

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